Drusenreich |
LE CHIEN
QUI LIT |
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Drusenreich
– Teil 2 "Drusenreich" bedeutet, dass Sie,
liebe Leser, je nachdem, wie Sie den Inhalt dieser Seite beurteilen, von den
verschiedenen Bedeutungen des Wortes "Drusen" die ihnen passend
erscheinende auswählen können. |
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Lfd.Nr. |
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1.
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2.
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Themenliste zu meiner Blogseite http://beltwild.blogspot.com/ |
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Drusenreich
- Teil 2 |
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3.
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Rezension:
Lexikon der populären Irrtümer |
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4.
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Ausbeutung oder Konsumverzicht: Recht, gerecht,
oder richtig? |
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5.
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Kondratieff, Rothbard und der Sacco di Roma |
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6.
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THE ICEBERG READING OF AN
ICEBERG LECTURE (über: Die Schatten der Globalisierung / Globalization
and its Discontents" von Prof. Joseph Stiglitz) |
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7.
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8.
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Nur die totale Entfesselung des Kapitalismus rettet unsere
Umwelt! |
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9.
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IN THE MACCHIA OF SPECIAL
INTERESTS – A WELL OF CLEAR-CUT ANALYSIS? Bemerkungen zur Studie „THE ISRAEL LOBBY AND U.S. FOREIGN
POLICY“ der US-Politologen John J. Mearsheimer und Stephen M. Walt und zu den
publizistischen Reaktionen darauf |
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Drusenreich – Teil 6 N.
N. |
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N. N. |
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N. N. |
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Wahrheiten,
die man ganz besonders ungern hört, hat man besonders nötig.* *(Zitat von Jean de La Bruyère,
das die Autoren dem Buchstaben "H" vorangestellt haben) |
Eingestellt am: 12.07.2004 Textstand vom 19.03.2007 |
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Eine
Rezension des Buches von Walter Krämer
und Götz Trenkler: "Lexikon der populären Irrtümer. 500 kapitale Missverständnisse,
Vorurteile und Denkfehler von Abendrot bis Zeppelin". Geänderte
Taschenbuchsondersonderausgabe München 2002, Piper Verlag GmbH.
(Originalausgabe Frankfurt 1996, Eichborn AG). ISBN: 3-492-23793-2. |
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Doch, doch: die 26 Rezensionen bei Amazon,
wie auch diejenige in den "Berliner
LeseZeichen", habe ich durchaus gelesen. (Mehr habe ich, bei
freilich nur flüchtiger Sichtung, im Internet nicht gefunden; für Hinweise
auf evtl. weitere dort verfügbare Besprechungen – ohne rein werbende Texte –
bin ich dankbar.) Trotzdem erscheint es mir nicht überflüssig, meine eigene
Betrachtung hinzu zu fügen; nicht nur als Information über das Buch, sondern
auch, um bestimmte eigene Positionen für mich selbst abzuklären und für
andere transparent zu machen. Am Anfang der Entstehungsgeschichte des Buches stand ein
aufklärerischer Impuls. Raucher werden in der öffentlichen Meinung gern als
besonders kostspielige Kostgänger der Sozialversicherung dargestellt; in
Wirklichkeit verursachen sie nicht einmal für die Krankenversicherung höhere
Kosten. Möglicherweise sind sie dort per Saldo sogar "billiger" als
die anderen; auf jeden Fall sind sie – weil sie früher sterben – für die
sozialen Sicherungssysteme insgesamt, also unter Einbeziehung der Renten, ein
wahrer Segen. "Ohne Raucher und Raucherinnen würde unser Sozialsystem
pro Jahr um mehrere Milliarden DM teurer": Diese Erkenntnis des
Mitautors (bzw., wie man wohl vermuten darf, Haupt-Autors) Walter Krämer, und
das Wissen darum, dass das in der Öffentlichkeit meist anders gesehen (und,
darf man sicherlich ergänzen, zur Förderung bestimmter Interessen gern anders
dargestellt) wird, gab laut Vorwort den Anstoß, populäre Irrtümer lexikalisch
zu erfassen. Irrtümer in den Bereichen Gesellschaft, Soziales,
Wirtschaft wollten die Autoren zunächst bekämpfen, etwa den "populäre(n)
Irrglaube, dass man durch Handelsschranken Arbeitsplätze retten könnte oder
dass Exporte unseren Wohlstand sichern", "dass weiche Drogen wie
Marihuana oder Haschisch ... gefährlicher als Rotwein sind", "dass
die westlichen Kolonialmächte durch ihre Kolonien ... reicher ...
wurden", "dass unser deutscher Mieterschutz den Mietern" nutzt
und dass der Arbeitgeberbeitrag tatsächlich vom Arbeitgeber gezahlt wird. Es sind dann eine ganze Reihe von Irrtümern aus anderen Bereichen
hinzugekommen, manche verbreitetere, manche inzwischen weitgehend
ausgestorbene. "Nicht ohne gewisse Skrupel" haben die Autoren sich
entschlossen, "alle diese Irrtümer zwischen ein Einbanddeckeln ein und
desselben Buches auszubreiten", also quasi den gesellschaftlich
relevanten Irrtümern die (heutzutage) banalen und folgenlosen Alltagsirrtümer
beizumischen. "Wahrheiten", schreiben die Verfasser im Vorwort
"müssen durchaus nicht immer ernst und schwarz dahergeschritten kommen,
sie vertragen auch leichtere Gesellschaft, werden dadurch sogar
aufgewertet". Das ist schon recht so, und der in der anglophonen Welt
verbreiteten Fähigkeit, komplizierte Sachverhalte mit leichter Hand zu
servieren, würden wir uns auch hier zu Lande eine größere Verbreitung wünschen.
Nur darf das nicht zu einer Verwechslung der Ebenen führen oder verleiten;
insbesondere nicht zu dem Glauben, dass richtige Erkenntnisse auch bei
komplexen Fragen leicht zu gewinnen seien. Insoweit komme ich (wie zahlreiche
Rezensenten auf der Amazon-Webseite auch), leider zu dem Schluss, dass der
'Entertainment'-Wert des Lexikons deutlich größer ist als der
'Edutainment'-Effekt. Und nicht nur das: ausgerechnet im politischen
Kernbereich ("Kern" hier auf die Genese des Buches bezogen, nicht
auf die Häufigkeit der Stichwörter) des Buches werden aus den Autoren statt
Alphatieren der Aufklärung Omega-Desinformateure des politischen
Obskurantismus. Man muss gar nicht annehmen, dass sie dies bewusst tun.
Auch wenn man "nur" mangelndes Nachdenken unterstellt, ist das
wenig schmeichelhaft für die beiden Professoren für Wirtschafts- und
Sozialstatistik (Krämer) bzw. Statistik (Trenkler). Wohl zutreffend vermutet der Kundenrezensent "tdietrich" auf der Amazon-Seite, dass den Autoren (speziell darf man das wohl auf Prof. Walter Krämer beziehen, von dem vermutlich die meisten oder alle sozialpolitischen Beiträge stammen) beim Schreiben "die Gäule durchgegangen" sind. Nachdem sie entdeckt hatten, welche Unkenntnis über einen
im Grunde relativ einfach zu durchschauenden Sachverhalt wie die finanziellen
Auswirkungen des Rauchens in der Kranken- und Rentenversicherung herrscht,
werden sie sich gesagt haben: "Wie einfach ist doch die Wahrheit zu
finden" – und haben dann allzu viele Stücke Katzengold, welche am
Wegrand verführerisch funkelten, als goldene Nuggets der Wahrheit in ihr
Anti-Irrtümer-Lexikon aufgenommen. "Babylonische Sprachverwirrung" sieht etwa Prof.
Krämer bei dem Begriff "Arbeitgeberbeitrag" am Werk.
"Keinen Pfennig des Arbeitgeberbeitrags zahlt der Arbeitgeber. Den
Arbeitgeberbeitrag zahlt der Arbeitnehmer ...; die nach deutschem Sozialrecht
zur Hälfte von den Arbeitgebern zu tragenden Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherungsbeiträge
ihrer Beschäftigten sind ein reiner Taschenspielertrick." ... "Die
ganze Absurdität des sogenannten 'Arbeitgeberbeitrages' wird vielleicht am
besten deutlich, wenn wir einmal unterstellen, dass alle Sozialversicherungsausgaben
'Arbeitgeberanteil' heißen. Dann wäre – Hokuspokus Fidibus – die Sozialversicherung
umsonst. Denn nach herkömmlicher Sicht hätten wir jetzt einen
Arbeitnehmeranteil von 0 Prozent. Aber in Wahrheit bleibt natürlich alles,
wie es vorher war. Alles, was von unserem Lohn oder unserem Gehalt abfließt,
ist und bleibt zu 100 Prozent unser eigener Arbeitnehmeranteil, ganz egal,
wie man ihn nennt." Wie die Autoren (vgl. den Goethe-Spruch im Vorspann zum
Buchstaben "F"), so haben natürlich auch wir ein Lexikon der
Goethe-Zitate zur Hand, und bei der Auswahl allerdings Schwierigkeiten, ob
wir uns für "Du lieber Gott, was so ein Mann / Nicht alles, alles denken
kann" entscheiden sollen, oder eher für "Jeder Mensch muss nach
seiner Weise denken ... . Nur darf er sich nicht gehen lassen ..." Nein,
keins von beiden, sondern: "Wie der Mensch im allgemeinen denkt, so
denkt er auch im besondern, und er unterlässt nicht, nun seine gewohnte Ansicht
aus dem Leben auch in die Wissenschaft zu tragen" – das scheint mir doch
für das FDP-Mitglied Krämer (è) das
passendste aus den von Richard Dobel zusammengestellten Goethe-Zitaten zum
Thema "Denken" zu sein. Denn in der Realität sind die Ausführungen Krämers zum
Arbeitgeberbeitrag Unsinn. Der Irrtum des Autors ist leicht zu erkennen; er
hätte sich nur einmal fragen müssen, ob Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften
und Regierung, die so erbittert um die Verteilung der Beitragslasten auf
Arbeitgeber und Arbeitnehmer ringen, sämtlich Idioten sind, welche der
Wirtschafts- und Sozialstatistiker Krämer mit seiner (quantitativ) gut
ein-seitigen Wahrheit kurieren kann. Und wieder hatte Goethe recht (vgl. das
– bei mir leicht variierte - Zitat vor dem Buchstaben "F" des Irrtümerlexikons):
Der Irrtum ist leicht zu erkennen, er liegt [beinahe] auf der Oberfläche. Die
Wahrheit ruht ein wenig tiefer, "danach zu forschen ist nicht jedermanns
Sache". Natürlich würde es keinen unmittelbaren Unterschied für
den Arbeitnehmer oder den Arbeitgeber machen, wenn man die Löhne und Gehälter
um den Arbeitgeberanteil erhöhen und auf der Gehaltsabrechnung die gesamten
Beitragsabzüge als Arbeitnehmeranteil ausweisen würde. Diesen Sachverhalt
könnte man vielleicht (jedenfalls fällt mir derzeit kein besserer Begriff
ein) als "statische" Wahrheit bezeichnen. Jedoch haben die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und
Rentenversicherung (und entsprechend die später hinzugekommenen zur
Arbeitslosen- und Pflegeversicherung) ihre Geschichte in der Vergangenheit
und in der Zukunft. Bei ihrer Einführung durch Regierung und Parlament des
deutschen Kaiserreiches Ende des 19. Jahrhunderts waren sie zweifellos
erheblich geringer als heute. Trotzdem wären sie in voller Höhe für die
Arbeitnehmer wohl untragbar, jedenfalls aber ein ökonomischer Schock gewesen.
Indem der Staat die Arbeitgeber verpflichtete, die Hälfte zu tragen, hat er
beiden Seiten – Arbeitnehmern und Arbeitgebern – die Anpassungsleistung für
diesen ökonomischen Schock je zur Hälfte auferlegt. Man könnte natürlich auch
sagen, dass er die Arbeitslöhne per Gesetz um die Arbeitgeberanteile erhöht
hat. Das war ganz gewiss kein "Taschenspielertrick" des Gesetzgebers,
und die Arbeitgeber haben sich damals heftig dagegen gesträubt. Auch für die Zukunft ist es nicht gleichgültig, wie sich
die (vorhersehbar weiter steigenden) Lasten verteilen. Mit jeder
Beitragserhöhung bekommt der Arbeitnehmer via Arbeitgeberanteil insofern
gleichzeitig quasi eine gesetzliche Gehaltserhöhung, als der Arbeitgeber die
Hälfte der Erhöhung tragen müsste, die ohne die Einführung eines
"Arbeitgeberanteil" ebenfalls das Nettoeinkommen der Arbeitnehmer
mindern würde. Umgekehrt ist es auch für die Arbeitgeber nicht
gleichgültig, ob eine Gehaltserhöhung – z. B. von 5% - , auf das
Bruttoeinkommen der Arbeitnehmer ohne oder einschließlich des Arbeitgeberanteils
zur gesetzlichen Sozialversicherung zu berechnen ist. Die "dynamische Wahrheit", und die allein ist
es, welche die Sozialpartner interessiert, ist also, dass der Arbeitgeberbeitrag
tatsächlich von diesem zu tragen ist und kein Taschenspielertrick eines
dummen Gesetzgebers war. Die Aufteilung ist auch weder absurd, noch ist sie
eine babylonische Sprachverwirrung. Die praktischen Konsequenzen gehen jedoch noch weiter: da sie einen Arbeitgeberanteil zahlen, musste und hat der Gesetzgeber den Arbeitgebern die Mitwirkung in den Versicherungsgremien einräumen/eingeräumt. Das trägt zwar leider auch nicht zur Beitragssenkung bei, weil die Arbeitgeber nicht nur die Beitragszahler in ihren Reihen haben, sondern auch die Pharmaindustrie (wie entsprechend die Gewerkschaften die Beschäftigten im Gesundheitswesen und in der Pharmaindustrie), aber das ist eine andere Problematik. Auf jeden Fall ist das Mitspracherecht der Arbeitgeber in den Selbstverwaltungsorganen der gesetzlichen Sozialversicherung nur durch die Zahlung eines Arbeitgeberanteils begründet. Ebenso undurchdacht ist die unter dem (offenbar
gleichfalls von Prof. Krämer zu verantwortenden) Stichwort "Armut"
aufgestellte Behauptung, dass die in Untersuchungen des DGB und anderen
Organisationen festgestellte "Zunahme der Armut"
lediglich auf einen statistischen Trick zurück zu führen ist. Natürlich
könnte man "einen dramatischen Rückgang der Armut" konstatieren,
wenn man "Anfang der 90er Jahre" die gleiche absolute Armutsgrenze
(1.000,- DM) verwendet hätte, wie im Jahre 1970. Dass sich so etwas aber
schon wegen des Kaufkraftschwundes verbietet: diesen Wissensstand sollte man
bei einem Professor für Wirtschafts- und Sozialstatistik, der dazu noch als
öffentlicher Irrtumsbekämpfer auftritt, eigentlich voraussetzen. Man kann gewiss darüber streiten, ob eine Definition, die
alle Haushalte mit einem Einkommen unter der Hälfte des
Durchschnittseinkommens als "arm" bezeichnet, zutreffend oder auch
nur sinnvoll ist. Falsch ist auf jeden Fall die Behauptung von Prof. Krämer,
dass "... nach obiger Definition auch die 'Armutsquote' bei noch so
hohen Einkommen immer gleich" bleibt. Das zeigt eine einfache
Beispielrechnung: Aus –3- Einkommen von 75.000,-, 100.000,- und
125.000,- (DM, Euro, oder welche Währungseinheit
auch immer) errechnet sich eine Summe von 300.000,- Einheiten, mithin (:3)
ein Durchschnittseinkommen von 100.000,- Einheiten und somit (:2) eine
Armutsgrenze von 50.000,- Währungseinheiten. Bei dieser Verteilung gibt es im
Sinne der o. a. Definition keinen einzigen Armen, weil niemand weniger
verdient als die Hälfte des Durchschnitts. Bei einem anderen Beispiel (100.000,- / 150.000,- /
500.000,-) haben wir einen Armen (Summe 750.000,- = 3 = 250.000,-
Durchschnittsverdienst : 2 = 125.000,- Armutsgrenze). Verdoppeln wir das Einkommen des Reichsten, ergibt sich folgendes Bild: 100.000,- + 150.000,- + 1.000.000,- = 1.250.000,- Summe : 3 = 416.666,67 Durchschnitt = 3 = 208.333,33 Armutsgrenze. Somit "erzeugen" wir statistisch –2- Arme, wenn wir dem Reichen geben. Dieses Ergebnis mag man von einem rein statistisch-begrifflichen Gesichtspunkt kritisieren. Wenn sich die Kaufkraft nicht geändert hat, ist der- oder diejenige mit 150.000,- Einkommen, welche(r) nun plötzlich unter die statistische Armutsgrenze fällt, bezogen auf seine Kaufkraft nicht ärmer als vorher. Was wir allerdings bei dieser Vergleichsrechnung finden, ist eine steilere Einkommensverteilung, und diese zu messen, ist ein absolut legitimes Anliegen. Was freilich diejenigen, die an der Spitze stehen, anders sehen werden. Jedenfalls hätte ein Statistikprofessor, der wirklich um Aufklärung bemüht ist, seinen Lesern diesen Sachverhalt auseinandergesetzt, anstatt zu behaupten, dass "ein Vergleich von 'Armut' über Raum und Zeit hinweg ... sinnlos" ist. (Wobei ich die Problematik derartiger Vergleiche, wie etwa international in dem im Lexikon angeführten Beispiel eines Vergleichs zwischen Deutschland und Indien, gar nicht bestreiten oder bagatellisieren will. Aber für Fast-Food-Aufklärung ist ein solches Thema bei ernsthafter Betrachtung sicher ebenso wenig geeignet, wie z. B. für anti-globalistische oder marxistische Propaganda.) Dass die Autoren den Irrglauben entlarven, mehr Export
bedeute mehr Wohlstand (Stichwort "Export 1") ist dankenswert.
Nicht gänzlich unzutreffend stellen sie unter diesem Stichwort fest, dass
"ein Land mit chronischen Außenhandelsüberschüssen ... quasi gratis für
den Rest der Welt" arbeite. Wenn allerdings die jeweilige Zentralbank
sich nicht darauf beschränkt, die (vorwiegend wohl: grünen) Scheine in ihren
Kellern einzulagern, sondern dieses Geld zu einem großen Teil z. B. in
(US-)Staatsanleihen investiert, kann auch ein Exportüberschuss durchaus
Nutzen (Zinsen nämlich) bringen. Trotzdem bleibt die hübsch formulierte
Warnung der Verfasser bedenkenswert, "dass die Hersteller dieser
Papierschnitzel [Fremdwährungen] eines Tages sagen: 'Ätsch, die Zettel sind
ab morgen nichts mehr wert'. Und dann hat man seine schönen Autos oder
Stahlwalzstraßen gegen ein paar Tonnen Zellstofffasern eingetauscht."
Diese nicht unrealistische Möglichkeit sollten besonders auch diejenigen
bedenken, welche glauben, durch Investitionen im Ausland die deutschen
Altersrenten dauerhaft sichern zu können (vgl. dazu auch meine Seite
"Rentenreich"). Unter dem Stichwort "Export 2" geht es
aber leider schon wieder in den (intellektuellen) Keller.
"Rohstoffexportierende Länder sind ärmer als entwickelte
Industrienationen" wird als Irrtumssatz formuliert, welchen die Autoren
widerlegen zu können glauben. Diese Widerlegung beschränkt sich indes auf die
Situation "Anfang unseres Jahrhunderts" (die Formulierung wurde
offenbar unverändert aus der Erstausgabe von 1996 übernommen und steht für
"Anfang des 20. Jh.", oder "um 1900"). Das mag ja sein, dass
eine Reihe von (sicherlich aber nicht: "die")
rohstoffexportierenden Ländern verhältnismäßig reich waren, aber heute sind
eben die meisten Länder, die nur oder hauptsächlich Rohstoffe exportieren,
verhältnismäßig arm, und darum geht es jenen (meist linken und anti-globalistischen)
Kritikern, die auf diesen Sachverhalt hinweisen. Rein sprachlogisch könnte man den o. a. Irrtumssatz in
seiner Absolutheit zwar auch ohne Rekurs auf die Vergangenheit leicht
falsifizieren: erdölexportierende Länder wie Brunei, Dubai, die Vereinigten
Arabischen Emirate, Kuwait usw. sind (besonders wenn es sich um kleine Länder
mit großen Erdölvorkommen handelt) relativ reich, pro Kopf mögen manche
vielleicht sogar reicher als die reichsten Industrieländer sein. Aber mit solchen Mätzchen widerlegt man nicht jene, die
(berechtigt oder unberechtigt, das kann hier offen bleiben) Kritik daran
üben, dass Industriegüter meist relativ hochpreisig und Rohstoffe meist
relativ niedrigpreisig auf dem Weltmarkt gehandelt werden. Das muss man schon
sehr differenziert im Einzelfall diskutieren; geistige Illusionsvorführungen
im Stil von "Kaninchen-aus-dem-Hut" gehen am gesellschaftlichen
Diskurs vorbei. Dankbar wiederum sind wir den Verfassern dafür, dass sie
den selbstverliehenen Status der Intellektuellen als moralisches
Gewissen der Nationen als Schmonzes denunzieren. Wobei sie freilich
unter dem Stichwort "Intellektuelle" Bertrand Russel in die
Kategorie der "wirklich kritischen Intellektuellen" einreihen
(zusammen mit George Orwell und Hans-Magnus Enzensberger), während sie unter
dem Stichwort "Russel" nachweisen, das dieser keineswegs
immer ein konsequenter Pazifist war, sondern "kurz nach dem Zweiten
Weltkrieg ... mehrfach in Wort und Schrift gefordert hat, die Amerikaner
sollten ... die Sowjetunion atomar vernichten". Das ist gewiss eine
Interessante Information, aber man versteht angesichts dieser Diskrepanz
zwischen den beiden Stichworten, warum in den Beiträgen der
Kunden-Rezensenten bei Amazon die Einschätzung dominiert, dass
"Quantität vor Qualität" vorherrscht ("arpegator"), sie
"von Professoren ... andere Arbeit gewöhnt" sind (simplicius), dass
das Lexikon "mit der heißen Nadel gestrickt ist" (Rezensent aus
Lund/Schweden) usw. Die Behauptung (verstichwortet unter "Kuchen"), dass Marie-Antoinette "als Österreicherin ganz sicher kein Französisch konnte" ist ganz sicher falsch. Als Prinzessin, die nach Frankreich verheiratet wurde, hat sie selbstverständlich (schon daheim in Wien) Französisch gelernt (was im übrigen damals ohnehin zur Allgemeinbildung des Adels gehörte). Auch wenn sie keine gute Schülerin war, hätte sie, zumal nach einigen Jahren Aufenthalt im Lande, den Satz "Qu'ils mangent de la brioche" wohl noch zu Stande gebracht (was natürlich nicht heißt, dass sie ihn tatsächlich gesagt hat). Selbst bei einfachen statistischen Fragen hat der Irrtum
bzw. eine global betrachtet etwas kurzsichtige Perspektive in diesem Buch
seine Chance. Unter "Außenhandel 2" wird z. B. (im Rahmen
eines Vergleichs betr. Überschüsse und Defizite der Kapitalbilanz) behauptet,
dass es in einer Gesellschaft immer genauso viele Ehemänner wie Ehefrauen
gibt. Was jedoch nur dann zutrifft, wenn man die Gesellschaft zunächst
ausdrücklich als "monogame" definiert. Dass der "Mieterschutz" durchaus eine
zweischneidige Sache ist, will ich gar nicht bestreiten – die heruntergekommene
Bausubstanz der DDR lässt grüßen! In der Form, wie er in der Bundesrepublik
gehandhabt wurde, kann er so verheerend allerdings auch wieder nicht gewesen
sein, denn unter dem Stichwort "Wohnraummangel" widerlegen
die Autoren (aus ihrer Sicht jedenfalls) die Behauptung, dass in der
Bundesrepublik Wohnraummangel herrsche. Widersprüchlichkeiten wie diesen
lassen für das Irrtümerlexikon einen eher interessenideologischen Mutterboden
als ein Ringen um reine Wissenschaftlichkeit vermuten. Ebenso zweischneidig ist der ausgeprägte oder exzessive
(das ist eine Frage der subjektiven Beurteilung) Kündigungsschutz für
Arbeitnehmer, den viele Ökonomen für (mit-)verantwortlich für die hohe
Arbeitslosigkeit in Deutschland halten. Im vorliegenden Irrtümerlexikon fehlt
er indes, aber inzwischen gibt es bereits "Das neue Lexikon der
populären Irrtümer. Weitere Vorurteile, Missverständnisse und Denkfehler von
Advent bis Zyniker"; vielleicht wurde das Stichwort ja dort aufgenommen?
Oder haben sich die Verfasser nicht getraut, sich mit der geballten Gewerkschaftsmacht
anzulegen? Zur "Staatsverschuldung" erklären uns die
Autoren, dass "das mittlerweile beträchtliche Geldvermögen der deutschen
Privathaushalte ... undenkbar [wäre] ohne einen Partner, der dieses Vermögen
schuldet, und deshalb ist es zunächst wenig sinnvoll, die eine Seite der
Münze zu bewundern und die andere zu bespucken". Das ist natürlich ein feines System, welches dafür sorgt,
dass 1) einige Bürger ein hohes Geldvermögen haben (indem es die
Steuern – relativ zur Höhe der Geldeinkommen – niedrig ansetzt bzw. indem es
große Maschen – "Steueroasen" – zulässt, damit viele Reiche gar
keine Steuern zahlen müssen) und 2) dass die Kapitalbesitzer sich dann noch an den anderen –
ärmeren – Steuerzahlern mästen dürfen, indem sie dem Staat ihre
vorenthaltenen Steuern großzügig als Kredit gewähren. Man kann den Autoren nicht vorwerfen, dass sie diesen
Zusammenhang gänzlich verschleiern. Sie sprechen sogar von einer "Umverteilung
... zwischen Steuerzahlern und Staatspapierbesitzern". Die Behauptung,
dass die zukünftige Generation als Ganzes ... durch die aktuelle Schuldenpolitik
weder Vorteile noch Nachteile hat" ist schon fraglich (und wird auch im
nächsten Absatz von den Autoren selbst wiederum relativiert). Trotzdem ist
die Darstellung verharmlosend, weil sie den Umverteilungseffekt von den Armen
auf die Reichen ausblendet, den diese Schuldenpolitik haben muss. [Randbemerkung:
Leider hat dieses unsoziale System ganz unerwartete Verbündete. Es ist schwer
verständlich, wenn ausgerechnet Gewerkschaftsfunktionäre (in diesem
Zusammenhang kommt mir der Begriff "Gewerkschaftsbonzen" auf die
Zunge, doch da lasse ich ihn nicht raus, weil ich nicht zum Interessenbüttel
der Kapitalbesitzer werden möchte, indem ich einen Kampfbegriff aus diesem
Lager übernehme) glauben, dass staatliches Sparen zu Lasten der Schwachen
geht und hohe Staatsausgaben diesen auch dann zu Gute kommen, wenn sie
notfalls über eine höhere Staatsverschuldung finanziert werden. Derzeit wird
das zwar mit der schwachen Konjunktur gerechtfertigt, welche über
kreditfinanzierte Staatsausgaben angekurbelt werden müsse, doch fand sich
bislang und wird sich ebenso zukünftig auch in guten Konjunkturphasen eine Begründung
finden, warum man zwar im Prinzip sparen müsste, jedoch nicht hier und nicht
dort – und letztlich nirgends. So wird denn auch wohl in Zukunft das
ungleiche Paar von charmanter zinsgeiler Kapitalistenbraut und brummbärtigen
konsumgeilen Altvertretern der organisierten Arbeitnehmereigenschaft in
dolosem Zusammenspiel die Taschen der Steuerzahler und des Staates leeren.
Gewiss: die Gewerkschaften wollen ihre sozialen Wohltaten lieber direkt über
höhere Steuern usw. finanzieren. Aber der Weg zur Hölle ist mit guten
Vorschlägen gepflastert und die Mechanismen der Politik sorgen schon dafür,
dass als Resultierende der verschiedenen Interessenvektoren immer der breite,
wenngleich abschüssige, Weg der Staatsverschuldung zum Highway der
Finanzpolitik wird. Andere Mechanismen auf anderen Ebenen bewirken dann, dass
ausgerechnet die weniger Wohlhabenden die größte Steuerlast schultern müssen.
(Darunter nicht zuletzt die Raucher, über deren finanzielle Verhältnisse uns
– Stichwort "Raucher 1", S. 302 – die Autoren dankenswerter
Weise aufklären, dass diese "im allgemeinen niedrigere Löhne und
Gehälter als Nichtraucher" haben. Doch haben die armen Raucher dass
Pech, dass ihr als verwerflich erachtetes tun keine respektable
gesellschaftliche Lobby findet.) Erg.
23.09.04: Wer ein ausgesprochen wirres Plädoyer linker Kreditophiler für
kräftige Staatsverschuldung lesen möchte, wird bei Karl Mai fündig. Unter dem
Titel " 'Schulden sind unsozial' – eine Replik" (è)
glaubt Karl Mai Prof Hans-Werner Sinn (den ich in anderen Zusammenhängen
durchaus scharf kritisiere: vgl. mein RENTENREICH)
widerlegen zu können. Prof. Sinn hatte im "Stern" vom 19.05.2004 u.
d. T. "Schulden sind unsozial" (è)
einen Abbau der Staatsverschuldung gefordert. Karl Mai belehrt uns, dass der
Staat sich ruhig weiter verschulden sollte (oder was genau will er??). Zur
Begründung müssen Zitate professoraler Autoritäten herhalten: für eine
stringente Beweisführung oder zumindest eine stringente Argumentation hat's
bei Karl Mai offenbar nicht gelangt. Den Text finden wir auf der Webseite der
"Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik" auf einem Webserver
der Uni Bremen. In Bremen hat man mit Schulden ja umfangreiche Erfahrungen
gesammelt: Bremer Vulkan/Hennemann, Space Park ...: da sind Meisterökonomen
am Werke(ln)!] Die Frage nach dem Verhältnis von "Wirtschaftswachstum(3)"
und ökologischen Problemen ist wohl etwas zu komplex und zu ernst, um auf ca.
½ S. die Aussage "Wirtschaftswachstum ist ökologisch schädlich" zu
widerlegen. Natürlich sind wir, also die wirtschaftlich entwickelten Länder,
erst mit zunehmendem Wohlstand etwas besser mit der Umwelt umgegangen, aber
ob wir nun wirklich schon "verantwortungsvoll" handeln, oder ob wir
nicht einfach (unzureichende) Antworten auf wachsende bzw. neue Probleme
geben, das scheint mir keineswegs ausgemacht. Der Umwelt hilft der
Fortschritt vom 10-Liter- zum 1-Liter-Auto wenig, wenn statt 1 Mio. alter
Dreckschleudern dann 100 Millionen Öko-Autos die zehnfache Menge an Sprit
verbrauchen. Wohl mindert wachsender Wohlstand die Bevölkerungszunahme (oder
sogar die Bevölkerung), doch dürfte schon der derzeitige Stand der
Ressourcenver(sch?)wendung für baldige Probleme sorgen. Durch weiteres
Wachstum – selbst wenn das Wirtschaften dadurch relativ
umweltfreundlicher wird – werden wir die Umwelt kaum retten. Vielleicht
verschmutzen wir sie ein wenig weniger, aber unsere Plünderung des Planeten
wird durch Wirtschaftswachstum (jedenfalls so, wie es sich derzeit darstellt)
eher noch beschleunigt. Unter den Stichworten "Fast Food" und
"Vollwertkost" brechen die Autoren eine Lanze für Fast Food
Ketten (è) (die zur sog.
"Systemgastronomie" (è)
gehören) wie McDonalds & Co. Auch dabei stellen sie sich leider nicht
besonders klug an. Die Kritik an den Burger-Buden hat sicherlich sehr
unterschiedliche Hintergründe. Da mag im Einzelfall durchaus
antikapitalistisches Ressentiment bzw. die selbst den Amerikanern (è)
keineswegs fremde kritische Distanz zum "Big Business" (è)
eine Rolle spielen. Andererseits kann auch der Wunsch nach sozialer
Abgrenzung sowie hier zu Lande gelegentlich auch Antiamerikanismus der
psychologische Hintergrund einer Kritik sein, die u. U. andere Begründungen
nur vorschiebt. Dennoch verkennt die von den Autoren aufgestellte These, der
"Kreuzzug gegen Mac Donalds, Unilever oder Nestlé" sei politisch
motiviert und werde nur vordergründig mit "imaginären Vitaminen oder
Spurenelementen" begründet die Vielfalt der Beweggründe und den
gesellschaftlichen Stellenwert und Nutzen einer solchen Kritik. Die einleitende Behauptung "Rohes Gemüse, Nüsse,
frische Milch, Mineralwasser oder Trockenobst sind von sich aus weder
gesünder noch nährstoffreicher als Coca-Cola, Big Macs oder synthetische
Vitamine" packt Äpfel, Birnen und Gemüse in einen Korb und vergleich sie
mit Kartoffeln, Wasser und Steinen, was mir keine besonders kluge Strategie
zur Beurteilung oder gar Verteidigung von Fast Food zu sein scheint. (Der
Satz ist ungefähr so intelligent wie die Formulierung zu Gold 2
"Gold war durchaus nicht immer seltener als Eisen", die damit begründet
wird, dass die Inkas zwar Gold, aber kein Eisen kannten.) Gemüse ist nun einmal mineral- und vitaminreicher und in
diesem Sinne "nährstoffreicher" als Fritten oder ein Hamburger. Nur
wenn man den Begriff "nährstoffreich" auf die Kalorien beschränk,
stehen die Pommes einsam auf allen Siegertreppchen. Doch habe ich noch nicht
gehört, dass irgend ein Kritiker den Produkten der Burger-Bräter
Kalorienmangel unterstellt hätte. Gewiss ist die Kritik in mancher Hinsicht ungerecht.
Bratwurst mit Pommes an der deutschen Frittenbude sind sicherlich nicht
gesünder, und in hygienischer Hinsicht habe ich bei den Kettenrestaurants die
Gewähr, dass diese schon im Eigeninteresse auf Sauberkeit achten. Würden
erhebliche Verstöße gegen Hygienebestimmungen bekannt, strahlt diese negative
Information sofort auf alle anderen Lokale der Firma aus.: Marken sind verletzliche
Cyberwesen (è),
anfällig für "cultural jamming" (è)
– rationaler wie irrationaler Art. Das gibt dem Verbraucher umgekehrt eine
gewisse Qualitätsgarantie. Dass keine Alkoholika angeboten werden, ist speziell im
Hinblick auf den Jugendschutz sicher ebenfalls unbedingt positiv zu bewerten
– wiederum im Gegensatz zu deutschen Schnellimbissen. Auch die Qualität der angebotenen Nahrungs- und
Genussmittel muss nicht immer schlecht sein. Kaffee schmeckt (mir jedenfalls)
bei McDonalds seit einiger Zeit (nämlich seit deren Zusammenarbeit mit der
Fa. Jacobs) sehr gut, weit besser als jener Mokka-Fuck, welcher leider in
(nach meiner Einschätzung und Erfahrung) 80 – 90% der deutschen Cafés
serviert (und getrunken) wird. Und deutlich billiger ist er auch, ebenso wie
die Eiscreme, die (mir zumindest) nicht schlechter bzw. sogar besser mundet
als in jenen Eisdielen, wo das "hausgemachte" Speiseeis so
schmeckt, als wäre es überall aus dem gleichen Pulver angerührt worden. Dennoch ist Kritik an den Burger-Ketten berechtigt und
erfüllt eine wichtige soziale Funktion. Der Nährwert eines Salats bei
McDonalds mag nicht geringer sein als in einem Restaurant. Aber dass
McDonalds überhaupt Salat anbietet, dürfte eine Reaktion auf die massive
gesellschaftliche Kritik an den Fettmachern und am Vitaminmangel des
sonstigen Angebotes sein. Was unsere Mitmenschen essen kann uns,
gesamtgesellschaftlich betrachtet, nicht gleichgültig sein; schließlich
müssen wir ja auch kollektiv den z. B. Preis der Fettleibigkeit einzelner
tragen. Und das wohl nicht nur direkt wegen des erhöhten Krankheitsrisikos
und der dadurch erforderlichen höheren Versicherungsbeiträge, sondern u. U.
auch indirekt. Insoweit ist die Kritik z. B. an den Hamburger-Ketten natürlich
auch eine legitime Kritik an den Ernährungsgewohnheiten von deren
Stammkunden. Dankbar wiederum sind wir den Lexikonverfassern für die
Aufklärung, dass "Made in Germany" ursprünglich keineswegs
Qualitätswaren, sondern noch um 1880 minderwertige Produkte bezeichnete, und
dass das Qualitätsniveau erst durch eine systematische Qualitätskampagne
angehoben werden musste. Wenn man das Qualitätsranking deutscher Automobile
im internationalen Vergleich betrachtet, kann man leider heute wohl nicht
mehr sagen, dass "Made in Germany" für außergewöhnliche Qualität
steht. Insgesamt ist das Buch eine durchaus unterhaltsame
Lektüre; den Urlaub, in dem ich es gelesen habe, hat es mir jedenfalls nicht
vermiest. Jedoch müssen sich die Autoren an denjenigen Zielen messen lassen,
die sie im Vorwort dargelegt haben. Insoweit verfehlen sie nicht nur ihren
eigenen Anspruch. Vielmehr fördern sie in einer Reihe wesentlicher Fragen
noch die Volksverdummung und/oder die "babylonische
Sprachverwirrung", die von interessierten Kreisen gehegt und gepflegt
wird. Wenn ich überhaupt – in Form einer Rezension – auf das
Buch reagiere, und das recht allergisch, dann liegt das daran, dass wir in
anderen sozialpolitischen Zusammenhängen ebenfalls professoral beschwindelt
werden – näheres dazu auf meiner Seite "Rentenreich"] Dass "bei den Beiträgen zur Wirtschafts- und
Sozialpolitik die Nähe der Autoren zu einer bestimmten Partei unübersehbar
ist" stellen gleich zwei der Amazon-Kunden-Rezensenten zu Recht fest.
Für sich genommen wäre das nicht einmal so schlimm, aber jenseits aller
politischen Meinungsunterschiede würde man sich einfach mehr Ehrlichkeit, vor
allem aber mehr gedankliche Durchdringung wünschen. Es würde uns nämlich sehr betrüben, wenn "Written in
Germany" zum Synonym für intellektuelle Ausschussware würde! P. S.: Wo bleibt Nepomuk? Jener Brückenheilige, welcher in Prag als Statue auf der
Karlsbrücke steht, von der er in die Moldau geworfen wurde. Dem Irrtum, König
Wenzel (der IV dieses Namens in Böhmen) habe ihn deshalb foltern und töten
lassen, weil Nepomuk die Beichtgeheimnisse der Ehefrau des Königs nicht
brechen wollte, wird heute zwar in beinahe jedem Reiseführer über Prag
widersprochen (in Wirklichkeit ging es um eine politische Auseinandersetzung
zwischen Kirche und Krone). Trotzdem erzählt uns Ulrich Häussermann in seinem
Buch "Mit Mozart in Prag" dieses (von manchen Leuten als
"fromm" bezeichnete) Märchen völlig unkritisch (S. 7; und so was
gar im Aufbau-Verlag, nicht mal bei Kösel & Co.!). Desgleichen Jürgen
Serke, welcher sich in seinem profunden literaturwissenschaftlichen Werk
"Böhmische Dörfer" nicht entblödet, uns zur klerikalen
Propagandalüge vom Beichtgeheimnis (S. 28) gleich noch die einige
Jahrhunderte später bei einer Sargöffnung angeblich unversehrt aufgefundene
Zunge im Totenschädel zu servieren. (S. 33). Diese obskurantistische Falschinformation zu bekämpfen, wäre eines
Freien Demokraten wohl würdig. Denn schließlich liest ja nicht jeder die
"Kriminalgeschichte des Christentums" von Karlheinz Deschner (ich
hab's auch nicht gelesen, aber die Story würde zu dem Buch passen). Nachtrag vom 29.11.06: Jetzt (erst?) entdecke ich auch im Internet ein (deutschsprachiges) Irrtümerlexikon: http://www.ammenmaerchen.de/ Betreiber dieser Seite "Ammenmärchen" ist ein A. Zirkelbach aus Wien [motz: Ausschreiben des Vornamens hätte auch nicht geschadet], der außerdem (und auf diesem Weg surfte ich auch zu den "Ammenmärchen") eine potentiell sehr nützliche Seite "Wie sagt man noch" mit Synonymen und Fremdwörter-Erklärungen betreibt. Auf beiden Webseiten stellen
allerdings die Nutzer die Texte selbst ein; deshalb muss nicht alles
zutreffen, was dort steht. Eine intensive Kontrolle durch eine "Community",
wie sie sich um die "Wikipedia"
herausgebildet hat, gibt es bei den Seiten von Hr. Zirkelbach, die außerdem
wohl mit Gewinnerzielungsabsicht (Werbung!) betrieben werden, anscheinend
nicht. |
||
Ausbeutung oder Konsumverzicht: Recht, gerecht,
oder richtig? |
Eingestellt: 26.07.2004 Ggf. Textstand vom: 07.04.05 |
|
Bei
dem nachfolgenden Text handelt es sich um meinen leicht veränderten Beitrag
vom 24.07.2004 im "FreiheitsForum", und zwar zu dem Thema
"Subvention von Kindern, Ferkelprämie und sonstiges" (è). Die Diskussion (in die ich erst spät
eingestiegen bin) hatte sich dort zum Schluss so anregend entwickelt, dass
sie es mir ermöglichte, auch für mich selbst einige Positionen gedanklich und
begrifflich schärfer zu fassen. Um
diese Überlegungen auch den Besuchern meiner Webseite dauerhaft zugänglich zu
machen, habe ich den Text hier "recycelt": wieder in den Kreislauf
der (hoffentlich stattfindenden) Diskussion eingebracht. Die
"Eierschalen" seiner Herkunft habe ich nur teilweise entfernt.
Trotzdem dürfte der Beitrag im wesentlichen aus sich selbst heraus
verständlich sein. Wer dennoch mehr dazu lesen will, möge sich über den o. a.
Link ins Forum einklicken; allerdings ist der Diskussionsfaden dort insgesamt
recht lang. |
||
Zunächst zu dem
Beitrag von Dirk, welcher schrieb: > versuche
einmal für neue Fragen > demnächst
einen eigenen thread, pardon Diskussionsfaden, zu eröffnen. (Nachtrag: vgl.
nunmehr auch den gleich lautenden Vorwurf von Roland) Meine Frage z.
B. in Sachen "Arbeitssklaven" bezieht sich auf vorangegangene
Ausführungen von Roland. Ich gehe davon aus, dass nicht nur er unmittelbar
versteht, was ich meine, sondern dass das auch alle jene verstehen, die an
der vorliegenden Diskussion aktiv oder passiv teilgenommen haben. Das ist für
einen Neueinsteiger (?) natürlich mühsam, aber bei einem Buch nicht anders:
man versteht das Ende (meist) nicht, wenn man den Anfang nicht kennt. Wollte ich für
neue Aspekte des Themas, oder selbst ganz andere Aspekte, die aber mit der
vorhergehenden Diskussion im Zusammenhang stehen, einen neuen
Diskussionsfaden eröffnen, müsste ich vieles von dem hier aktuellen
Diskussionsstand in den neuen Thread transportieren. Oder eine Verflachung
akzeptieren. Das eine wäre mir zu mühsam, das andere witzlos. Zwar kann ich
deinen Wunsch durchaus verstehen, doch lässt sich eben nicht jede
komplizierte Thematik in handliche Bild-, Focus- oder Welt-Kompakt-Häppchen
zerlegen. Wer es dennoch tut, läuft Gefahr, Interessen zu verschleiern oder
ihnen zu dienen; ich versuche zunächst, sie zu analysieren. Ich kann auch
durchaus nachvollziehen, dass man sich nicht dafür interessiert und sich bei
langen Threads (und langatmigen Ausführungen wie den meinen) langweilt. Aber
dafür haben wir alle ja die Freiheit, es nicht zu lesen oder nicht zu
antworten. Dann ist dieser Diskussionsfaden beendet. Ich wollte ja eigentlich
auch schon Schluss machen, entdecke aber immer wieder neue reizvolle Aspekte.
Aber don't worry: Wenn's keinen mehr interessiert, und keiner mehr reagiert,
höre ich (hier zumindest) schon ganz von selbst auf. Trotzdem, auch
wenn es mal Missverständnisse gibt: ist immer schön, einen neuen Diskussionspartner
begrüßen zu können. Wenn immer dieselben Vögel am Himmel ihre Kreise am
Himmel ziehen, wird das Gespräch, wenn alle Positionen gegenseitig bekannt
sind, am Ende langweilig. Oder du
eröffnest ein interessantes Thema, in das ich mich vielleicht einklinken
würde? [Zu Burkhardt:
'Privatpersonen haben sich die Natur unter den Nagel gerissen'.] > Du hättest
es sicherlich nicht gern, wenn jemand durch Deinen >
eingezäunten Vorgarten spaziert. Die Regel lautet also first come, first > serve,
oder auch: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. In unserer >
westeuropäischen entwickelten Umwelt ist also zugegebenermaßen nicht > mehr viel
Platz. Jemand, dem Land wertvoller als uns beiden erschien, war > nämlich
schon vorher da. Wenn das land für uns wertvoller gewesen wäre, > dann
hätten wir nämlich schon auf ebenjenem Land unsere eigenen Tomaten > gepflanzt. Du unterstellst
implizit, dass der Landnehmer sich dieses aufgrund irgend eines Rechtstitels
angeeignet hätte. Tatsächlich war es aber ganz anders. Meine Urahnen z. B.,
welche das Land besaßen, waren Neandertaler. Da kam Homo Sapiens, machte die
meisten Neandertaler alle und den Rest rechtlos, zumindest aber landlos. Deswegen
gehört von Rechts wegen alles Land mir, den jetzigen Besitzern gehört gar
nichts. Kommt dir
spanisch vor? Mir nicht, eher australisch, kanadisch, amerikanisch,
israelisch, irisch: dort und anderswo ist die Geschichte noch nicht so lange
her, und der Streit in mehr oder weniger analoger Form noch mehr oder weniger
heftig auf der Tagesordnung. Um ein Thema von yens zu variieren: alles eine
Frage der (in diesem Fall juristischen) Zeitpräferenz. Zusammengefasst:
"Eigentum" und "Recht" und deren Kombination im
"Recht auf/am Eigentum" sind nicht so unproblematisch, wie Du und
die meisten denken. (Nachtrag: Roland, immerhin, denkt das auch nicht!) Am
Landbesitz lässt sich die Fragwürdigkeit historisch aufzeigen, gilt aber
nicht nur dafür. Was allerdings nicht umgekehrt heißt, dass damit die
Nicht-Berechtigung von Privateigentum bewiesen wäre. Nur gilt eben: Dass
etwas Recht ist, heißt nicht, dass es gerecht ist, Und "richtig"
kann wiederum etwas ganz anderes sein. Abstrahierend
gesagt versuche ich, sowohl bei mir selbst als auch bei meinen Leser das Bewusstsein
für die Bedingtheit/Relativität der jeweiligen Position zu wecken/wach zu
halten. Das ist, wenn nicht sogar die Quadratur des Kreises, im rasch
hingeworfenen Diskussionsbeitrag zu einem Forum jedenfalls noch schwieriger
als im sorgsam ausgearbeiteten Text eines Buches oder einer Webseite.
Dennoch: Dubito, ergo sum. Doch nun zu den
Themen "unendlicher Wohlstand" (rscheel)
Konsumverzicht/Zeitpräferenz (yens) und Arbeitssklaven. Wohlstand kann
nie unendlich sein. Die Menge der Güter ist immer endlich, von den Dienstleistungen
in einer Welt ohne Arbeitende ganz zu schweigen. Was nützt es ihm, wenn der
letzte Mensch die ganze Welt besäße, und hätte doch nur eine Milliarde Häuser
und Hütten als Eigentum. Da fehlte zur Unendlichkeit noch unendlich viel. Ganz abgesehen
davon, könnte der letzte Mann selbst eine Milliarde Rinder nicht gegen eine
einzige Braut eintauschen (wenn er das – und wer will auf einer wertfreien
ökonomischen Ebene moralisch bewerten? – als Zeichen von Wohlstand definieren
würde). Deshalb hätte er besser vorher (auch) in Kinder investiert, statt
(nur) in Rinder. Das eben war
der Ausgangspunkt meiner ganzen Überlegungen i. S. Rentenfinanzierung, dass
Prof. Sinn und seine 32 Mitgutachter zwar nicht vom Brautkauf, aber immer von
"Human- oder Realkapital" sprechen, und den Eindruck erwecken, als
könne man fehlendes Humankapital beliebig durch Realkapital substituieren.
Grundsätzlich kann man natürlich z. B. Handweber durch maschinelle Webstühle
ersetzen, aber aus verschiedenen Gründen, deren Erläuterung hier zu weit
führen würde, bezweifele ich den Ansatz des Gutachtens (der sich auch in
anderer Weise, z. B. in der Forderung nach Lohnverzicht zwecks
Investitionssteigerung politisch niederschlägt), dass man die Produktivität
in Deutschland durch die Einführung des Kapitaldeckungsverfahrens steigern
kann. Insbesondere
sehe ich keinen Mangel an Kapital; dass das Kapital nicht immer produktiv
eingesetzt wird, ist eine andere Sache. Ich vermute sogar, dass es bei dem
heute gegebenen Verhältnis zwischen technologischen Stand und Kapitalmenge
(hier als Geldbestand gedacht) gar nicht in vollem Umfang produktiv
eingesetzt werden kann, und dass sich dieses Missverhältnis –
stärkeres Anwachsen der Geldansprüche aufgrund realwirtschaftlich nicht mehr
gedeckter Gewinne aus der Cyberwirtschaft – Derivate, Devisenhandel u. ä. –
ständig vergrößert. Sollte das zutreffen, könnte das darauf hindeuten, dass
das im System der eigentumsbasierten Marktwirtschaft angelegte Potential sich
langsam erschöpft, was im Hinblick auf die naturgegebenen Grenzen (Ressourcenknappheit)
auch nicht verwunderlich wäre. Die Frage wäre dann, ob die Marktwirtschaft in
quasi versteinerter Form fortlebt, etwa so, wie Oswald Spengler die
Zivilisationen als mumifizierte Kulturen ansieht, ob sie verschwinden und
durch etwas anderes ersetzt werden (aber was??), oder ob sich das ökonomische
System durch einige Modifikationen an die geänderten Bedingungen anpassen und
fortentwickeln kann. Der Ausdruck
"Konsumverzicht" macht historisch zweifellos Sinn. Dem Prassen des
Adels hat das Bürgertum die Tugend des Sparens/Investierens entgegengestellt.
Auch heute übt unstreitig ein Mittelständler Konsumverzicht, wenn er sich
statt eines Ferrari Testa Rossa nur einen Porsche zulegt, um die Differenz in
seine Firma stecken zu können. Trotzdem hat
der Begriff nicht nur eine wissenschaftlich-beschreibende, sondern auch eine
politisch-apologetische Funktion. Er verschleiert, dass im Grunde heutzutage
Kapitaleinkommen mehr oder weniger ein "leistungsloses Einkommen"
ist, ein Begriff, den die von Kapitalinteressen beherrschte Terminologie der
Wirtschaftswissenschaft gern ausschließlich für Transfereinkommen reservieren
möchte. Wenn man diese
begriffliche Ambivalenz betrachtet, muss man eine funktionale Analogie zum
marxistischen Begriff der "Ausbeutung" konstatieren.
"Wissenschaftlich" bedeutet er zunächst wertfrei, dass die Renditen
in die Taschen des Kapitalgebers fließen. Selbst wenn der Chef schlechter
lebt als sein ärmster Arbeitnehmer, ist er (zumindest so lange sein
Unternehmen Gewinne macht) in diesem Sinne ein "Ausbeuter". Die
Massen verstehen darunter freilich etwas ganz anderes, nämlich hohen Konsum
zu Lasten der "Ausgebeuteten". Davon profitiert die kommunistische
Agitation; aber umgekehrt enthält sicherlich auch der Begriff
"Konsumverzicht" eine agitatorische Dimension, weil er Entbehrung
und Not signalisiert, von welcher die Kapitalgeber i. d. R. wohl kaum betroffen
sein dürften. Damit stellt
sich die Frage, wem der/die Mehrwert/Zins/Rendite denn "wirklich"
gehört/zusteht. Wenn man versucht, die Ebene der unmittelbaren handfesten
materiellen Interessen gedanklich zu transzendieren, sieht man sich
zwangsläufig mit der Frage nach dem Verhältnis zwischen Individuum und
Gesellschaft konfrontiert, die ja, wenn ich das richtig sehe, die Kernfrage
dieser Foren überhaupt ist. Eine im naturwissenschaftlichen Sinne
"wahre" Aussage darüber, wie dieses Verhältnis "richtig"
zu gestalten wäre, können wir, von sonstigen Erkenntnisbeschränkungen ganz
abgesehen, schon wegen der Rückkoppelung zwischen Verstehen und Handeln nicht
machen. Eine vorzügliche Erläuterung dieses Zusammenhanges bietet z. B. der
Erzkapitalist George Soros in seinem brillanten Aufsatz "The Capitalist
Threat" (Im "Atlantic
Monthly" ist der Artikel nur noch für Abonnenten zugänglich, doch wurde
er auf zahlreichen anderen Webseiten übernommen, z. B. hier: (è)
(der Titel meint die Selbstbedrohung des Kapitalismus). Wir bleiben
also wohl darauf angewiesen, durch antithetische Positionsbestimmungen die
gesellschaftliche Entwicklung voran zu treiben. Wegen dieses
Feedback-Effektes stehen wir (wie vergleichbar bei der Frage der
Willensfreiheit) bei der Frage Einzelner/Gesellschaft in –2- kommunizierenden
Dimensionsräumen. Rein deskriptiv muss man (meine ich zumindest, aber darüber
kann man streiten) feststellen, dass die Gesellschaft das Primäre ist, der
Mensch nur ein Magnetspan in diesem System (und das gilt nicht nur für die
"Wendehälse"). "Wenn ich sagen könnte, was ich alles großen
Vorgängern und Mitlebenden schuldig bin, so bliebe nicht viel übrig",
sagte mal jemand, von dem wir uns so etwas zu sagen gewiss nicht wagen
würden, und dem es im übrigen an Selbstbewusstsein auch keineswegs mangelte.
Und dieser Satz gilt, deskriptiv, nicht nur in der intellektuellen, sondern
erst recht auch in der wirtschaftlichen Sphäre. Obwohl das
zweifellos "wahr" ist, müssen wir in der psychologischen (und z. B.
in der strafrechtlichen) Perspektive - ich nenne das mal versuchsweise die
"incentive Dimension" - so tun, als ob es nur den Einzigen und sein
Eigentum gebe, alles positiv oder negativ Geleistete mehr oder weniger sein
Verdienst oder seine Schuld wäre. (Auch dafür konnte Richard Dobel aus den
Werken unseres Gewährsmannes ein Sprüchlein exzerpieren: "So, wie ich
bin, bin ich mein eigen. Mir soll niemand eine Gunst erweisen".) Als eines von
vielen konkurrierenden Deutungsmodellen macht es deshalb durchaus Sinn, das
Privateigentum an Produktionsmitteln als eine Einrichtung zu verstehen, bei
der die Gesellschaft die ökonomisch notwendige Investitionsfunktion sozial
ausdifferenziert hat, prinzipiell vergleichbar (das wird mir ein paar hübsche
Erwiderungen einbringen!) mit der Arbeitsteilung in Insektenstaaten.
Letztlich sind es schließlich immer gesellschaftliche Entwicklungen/Kräfte,
die darüber entscheiden, ob z. B. die Zinsen auf meinem Sparbuch, die
indirekt ja auch Kapitalerträge sind, gegen Null tendieren, wie in Japan,
oder 2-stellig sind, wie in Südamerika (zumindest zeitweise). Und inwieweit
diese Prozentsätze reale Gewinne oder Verluste sind, definiert sich aus
wieder anderen ökonomischen Mechanismen. Dies
vorausgesetzt, kann man durchaus die Hypothese aufstellen, dass die Gewinne
der Kapitalisten ganz oder teilweise Treuhandeinkommen sind, welches die
Arbeitenden ihnen überlassen (wenn Roland auf Verträgen besteht, kann man
hier die Rechtsfigur eines konkludenten Vertrages einfügen), mit der Auflage,
dass sie aus den Kapitalerträgen gewisse Nutzungen ziehen können. Eine dieser
"vereinbarten" Nutzungen wäre z. B. die Altersrente (Stichwort
Zeitpräferenz!), die sich in diesem Modell sogar dann als Kapitalertrag
darstellen/verstehen lässt, wenn sie vordergründig im Umlageverfahren
organisiert ist. Letztlich ist es immer eine Frage der gesellschaftlichen und
ökonomischen Kräfteverhältnisse, und nur im Zeitpunkt von Änderungen
quantitativ zu bestimmen (vgl. dazu meine Rezension des "Lexikon der
populären Irrtümer", Stichwort "Arbeitgeberanteil" hier im
"Drusenreich") ob bzw. zu welchem Anteil z. B. Rentenversicherungsbeiträge
die Gewinne oder die Löhne schmälern. Auf der
realwirtschaftlichen Ebene ist eines aber sicher: ohne das Zusammenspiel von
Arbeitenden und Kapital gibt's gar nix; wenn das Humankapitalkapital fehlt,
hätten (bei unserem gegenwärtigen technologischen Stand; das kann sich in der
Zukunft natürlich ändern) weder Rentner noch Kapitalisten was zu beißen.
(Ohne Realkapital könnten immerhin noch einige Menschen überleben, soweit sie
sich unmittelbar aus der Natur versorgen können.) Sie sehen also,
es ist alles eine Frage des Theoriemodells, und da ich nun einmal kein Geld
habe, präferiere ich naturgemäß ein anderes Modell als die Kapitalisten.
Wobei ich mich aber von antikapitalistischen Positionen insoweit abgrenzen
möchte, als für mich das letztlich entscheidende Kriterium nicht die
Gerechtigkeit, sondern die Richtigkeit, wäre, ich also für das besser
funktionierende Modell optieren würde. Aber auch insoweit haben wir es mit
Feedback-Effekten zu tun: wenn wir den Kapitalisten nicht ab und an Angst und
Dampf machen, räubern die uns immer mehr aus. (Und wenn die Kapitalisten die
Begehrlichkeiten der Arbeitnehmer nicht ab und an zurück drängen, könnte die
Investitionsquote gegen Null fallen.) Das Leben bleibt spannend, wusste auch
unser Zitatensupermeister, dem wir hier noch einmal das Wort erteilen wollen: "In bunten Bildern wenig Klarheit / viel Irrtum und ein Fünkchen Wahrheit / So wird der beste Trunk gebraut / Der alle Welt erquickt und auferbaut". |
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[Vorbemerkung,
Inhaltsangabe u ä.] |
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und hier, liebe Netznestnutzer, Gelegenheiten satt zum Seitensprung:
Heimatreich - Home |
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