Drusenreich

LE CHIEN QUI LIT

Drusenreich – Teil 4

 

"Drusenreich" bedeutet, dass Sie, liebe Leser, je nachdem, wie Sie den Inhalt dieser Seite beurteilen, von den verschiedenen Bedeutungen des Wortes "Drusen" die ihnen passend erscheinende auswählen können.

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Lfd.Nr.

Inhaltsverzeichnis

Drusenreich – Teil 1

      1.              

Der Deutsche Wald: jenseits von Gut und Böse?

      2.              

Themenliste zu meiner Blogseite http://beltwild.blogspot.com/

Drusenreich – Teil 2

      3.              

Rezension: Lexikon der populären Irrtümer

      4.              

Ausbeutung oder Konsumverzicht: Recht, gerecht, oder richtig?

Drusenreich – Teil 3

      5.              

Kondratieff, Rothbard und der Sacco di Roma

      6.              

THE ICEBERG READING OF AN ICEBERG LECTURE (über: Die Schatten der

Globalisierung / Globalization and its Discontents" von Prof. Joseph Stiglitz)

Drusenreich - Teil 4

      7.              

Kinderkosten - Rente – Umwelt – Gerechtigkeit

      8.              

Nur die totale Entfesselung des Kapitalismus rettet unsere Umwelt!

Drusenreich – Teil 5

      9.              

IN THE MACCHIA OF SPECIAL INTERESTS – A WELL OF CLEAR-CUT ANALYSIS?

Bemerkungen zur Studie „THE ISRAEL LOBBY AND U.S. FOREIGN POLICY“ der US-Politologen John J. Mearsheimer und Stephen M. Walt und zu den publizistischen Reaktionen darauf

Drusenreich – Teil 6               N. N.

 

N. N.

 

N. N.

 

 

TEXTE

 

Kinderkosten - Rente – Umwelt – Gerechtigkeit

Eingestellt am:                        15.10.04

Textstand vom:           29.10.07

 

In einem Forum von Bündnis90/Die Grünen u. d. T. "Alt und Jung - Zukunft gemeinsam gestalten" (==>)* hatte ich am 14.10.04 den (hier leicht veränderten) nachfolgenden Text zur Debatte gestellt. Da mich in meiner "Sozialphilosophie" mehr und mehr die Frage der Vereinbarkeit von Fortschritt [den ich in diesem Zusammenhang nicht als zunehmenden Wohlstand, sondern einfach als fortschreitende wissenschaftlich-technologische Entwicklung verstehe; in diesem Sinne war z. B. auch die Sowjetunion weit "fortgeschritten" (Stichwort: Raumfahrt), obwohl ökonomisch rückständig], Umwelt(schonung), Gerechtigkeit und Wohlstand (gewissermaßen ein "magisches Viereck" des gesellschaftsbezogenen Denkens) in den Vordergrund tritt, und weil die u. g. Überlegungen Teilaspekte davon anhand konkreter Situationen analysieren, scheint es mir gerechtfertigt, den Text hier in meinem "Drusenreich" zu konservieren.

Vielleicht kann er auch jenen als Einstieg in mein RENTENREICH dienen, denen der dortige Text zu lang (oder der Gestus zu ironisch) ist.

 

* Das Forum "Alt und Jung: Zukunft gemeinsam gestalten " wurde ca. 10 Tage nach meinem Beitrag bereits geschlossen. Vielleicht ist das der Grund, weshalb keine Reaktionen erfolgt sind.

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Gerechtigkeit für Familien ist, heute jedenfalls, nicht einfach eine Frage von Idealen, sondern direkt praxisrelevant (Stichwort "Geburtenrückgang"!). Im Zusammenhang mit einer Analyse der Voraussetzungen und Folgen einer (teilweisen) Einführung des Kapitaldeckungsverfahrens für die (gesetzliche) Rentenversicherung auf meiner Webseite RENTENREICH (Vorsicht: langer Text J!) habe ich auch die Frage der (finanziellen) Gerechtigkeit für Eltern untersucht. Die m. E. beste theoretische Fundierung dafür wäre die Postulierung eines "Humankapitalsparrenditeanspruchs" bzw., da zweckmäßig nicht erst ex post zu zahlen, eines "Humankapitalsparrenditenachteilsausgleichsanspruchs" (ja, ja, ist ein langes Wort ... J) für Eltern in Deutschland.

 

Human- und Sachkapital (sowie Boden und "Unternehmungsgeist") sind die für die Produktion von Gütern und Dienstleistungen üblicherweise als notwendig aufgeführten Faktoren (und natürlich Wissen, das man sich allerdings als zum Humankapital gehörend vorstellen kann). Streng ökonomisch betrachtet dürfte unser "demographisches Problem" daraus resultieren, dass zwar das Humankapital selbst (also die Arbeitnehmer) für ihre Arbeit (sowie auch für ihre Ausbildung aufgewendete Arbeit) bezahlt werden. Diejenigen jedoch, die das "Humankapital" überhaupt erst "produziert" und mit großen Kosten aufgezogen haben (wobei bekanntlich die indirekten Kosten – Verzicht auf Berufstätigkeit i. d. R. der Mutter – oft weitaus größer als die direkten Aufwendungen sind) erhalten dafür keine angemessene Vergütung. Es ist deshalb wirtschaftlich nur konsequent, wenn immer weniger Paare bereit sind, Kinder aufzuziehen.

 

Diese Sicht der Dinge erschließt uns auch einen Trittbrettfahrereffekt, der in der öffentlichen Diskussion (soweit mir bekannt) bisher nicht erörtert (oder darf man sogar sagen: "erfolgreich verdrängt"?) wurde. Es sind nämlich nicht nur die kinderlosen Rentner, welche von der "Humankapitalproduktion" der Eltern profitieren (wofür die Politik sie derzeit allmählich – und prinzipiell durchaus zu Recht – an die Hammelbeine kriegen will).

 

Die größten Nutznießer der Aufwendungen der Eltern sind die Kapitalbesitzer, die ohne das Humankapital, also die (früheren) Kinder, als, wie die Wirtschaftswissenschaft formuliert: "Komplemente des volkswirtschaftlichen Kapitalstocks für den Produktionsprozess" keinerlei Gewinne / Renditen / Zinsen erzielen könnten (und sogar, wenn sie selbst nicht arbeiten, elend verhungern müssten). Trotzdem leisten sie keinerlei Zahlungen an die Eltern (bzw., wenn man Kindergeld usw. als jedenfalls teilweise auch aus Kapitalertragssteuern finanzierte Leistungen verstehen will, keine entfernt angemessene Zahlungen).

 

Eine zumindest theoretisch elegante und saubere Lösung wäre also die Erhebung einer "Humankapitalbereitstellungssteuer" auf alle Kapitalerträge. Der Erlös daraus wäre (zweckmäßig während der Zeit der Kinderaufzucht) an die Eltern zu transferieren, wobei aber dieser Transfer nicht als (eine zwar wünschenswerte, aber nicht grundsätzlich zu beanspruchende) "Sozialleistung", sondern eben als "Renditenachteilsausgleich" (mit gleichwertigem Rechtsanspruch wie der Renditeanspruch der Kapitalbesitzer) sowohl zu verstehen als auch zu benennen wäre. Denn diese Zahlung ist schließlich der Ausgleich dafür, dass die anderen dasjenige Geld, was die Eltern in ihre Kinder "investieren" (bzw. nicht verdienen können, weil sie in der Familie unbezahlt arbeiten) müssen, auf die Hohe Kante legen und also Zinsen kassieren, oder aber dem Konsum zuführen können.

 

Ein derartiger Ausgleich wäre gerecht (vom Begründungszusammenhang her vielleicht sogar noch gerechter als z. B. die "Tobinsteuer" auf spekulative Finanzgeschäfte), und zugleich wäre das eine praktische Lösung für die absehbaren demographischen Probleme der Rentenfinanzierung.

 

 

Mir scheint indes, dass die Gerechtigkeit (und soziale Zweckmäßigkeit) (nicht nur) hier in einen Konflikt mit der umweltpolitischen Zweckmäßigkeit gerät. Man kann den Rückgang der Geburtenrate in den (meisten) Industriestaaten schließlich auch als einen (unbewussten) Akt der gesellschaftlichen Umweltvernunft (vermittelt durch gesellschaftliche Mechanismen, die "eigentlich" gar nicht diese Zielsetzung haben) begreifen. Dann aber wäre alles, was eine Förderung des Kinderkriegens bewirkt, durchaus kontraproduktiv (gar: "widernatürlich"?). (Das gilt entsprechend natürlich auch für die Einwanderung.)

 

Es würde mich interessieren, welche Meinung die anderen Forenteilnehmer zu dieser Frage bzw. Problematik vertreten.

 

 

Am Rande sei noch vermerkt, dass mir , wie ich ebenfalls in meinem o. a. "Nessay

" näher ausgeführt habe, das Engagement der "Grünen" für das Kapitaldeckungsverfahren (Stichwort: "Riester-Rente") im Widerspruch zu deren umweltpolitischer Zielsetzung zu stehen scheint. Die Befürworter des Kapitaldeckungsverfahrens, darunter insbesondere Prof. Hans-Werner Sinn, glauben ja, mit Hilfe des Kapitaldeckungsverfahrens (u. a.) die inländische Investitionsquote steigern zu können und hoffen, dass dadurch letztlich die Produktion gesteigert und im Ergebnis ein höher Konsum der Rentner (im Vergleich zu einer sonst aufgrund der demographischen Entwicklung geringere Rente) ermöglicht wird (vgl. das Rentengutachten der Wirtschaftswissenschaftler von 1998). Eine erhöhte Produktion dürfte jedoch einerseits einen erhöhten Umweltverbrauch nach sich ziehen (auch wenn natürlich die Ressourcennutzung im Zuge der technologischen Entwicklung verbessert wird). Zum anderen gerät aber auch die Politik dann in den Zugzwang, Investitionen zu fördern und nicht (und sei es auch aus guten umweltpolitischen Gründen) zu behindern. Da is dann nix mit Reiseverkehrssteuer, wenn die Renditen erst einmal direkt für die Rentner erkennbar (z. B.) aus den Erträgen des Frankfurter Flughafens fließen (sollen)!

 

 

Nachtrag 29.10.07:

Solide Daten über die biologische 'Tragfähigkeit' Deutschlands bei einer Wirtschaftsweise ohne Erdöl und über die (Begrenztheit der) Substitutionsmöglichkeiten für Öl liefert ein Blogger (und Physiker) namens Bernd Ohm in einem auch sprachlich vorzüglich formulierten Aufsatz vom 20.11.2006 u. d. T. "Grassierender Kinderwahn. Warum unsere Geburtenrate noch viel zu hoch ist." Er kommt auf einen Wert von 22 Millionen Einwohnern, wobei er aber einräumt, dass einige der begrenzenden Faktoren noch nicht einmal berücksichtigt sind.

 

é

 

 

 

Nur die totale Entfesselung des Kapitalismus rettet unsere Umwelt!

Eingestellt am:                        03.12.04

Ggf. Textstand vom:   14.01.05

Vorspann:

Die Anregung zu den nachstehenden Überlegungen kam aus der Lektüre von zwei völlig verschiedenen Texten. Zum einen der umfangreichen Auszüge aus dem Buch "Wie das Kapital die Wirtschaft ruiniert. Der Weg zu einer ökologisch-sozialen Gesellschaft" von Franz Groll, hier ==> nachzulesen. (Wer keine Zeit oder Lust hat, diese umfangreiche Darstellung zu studieren, findet hier: ==> die Überlegungen Grolls zusammengefasst in seiner "Denkschrift zur aktuellen wirtschafts- und sozialpolitischen Situation in Deutschland mit Vorschlägen zur Überwindung der Krise unter Berücksichtigung mittel- und langfristiger finanzieller und ökologischer Erfordernisse". Seine noble Hoffnung: die Menschheit entsagt der Gier, verteilt den Reichtum gerecht – und dann sind nicht nur die sozialen Probleme weltweit, sondern zugleich auch die Umweltprobleme gelöst. Wünschte, ich könnte das glauben. Kann ich mir aber schwer vorstellen, dass wir 6 Milliarden Menschen (oder gar noch mehr) weltweit auch nur halbwegs auf unser Wohlstandsniveau hieven können, ohne dass die Umwelt total kollabiert und die natürlichen Ressourcen binnen kürzester Zeit völlig ausgeplündert sind.

 

Da ist Roger Köppel (und das war die andere Anregung) realistischer. In seinem Kommentar "Bush, Krieg, der Westen" in der "Welt" vom 03.11.04 spricht von dem "gewalttätige(n) Kern, ohne den auch die westliche Zivilisation nicht auskommt, wenn sie ihre Fähigkeit erhalten will, sich gegen ihre Feinde zu behaupten". So muss man die Welt ehrlicher Weise wohl sehen:

"Eine friedliche Ordnung wird nicht durch Verträge und internationale Organisationen hergestellt. Ordnung setzt Gewalt voraus, die andere Gewalt verdrängt. Die überlegene Gewalt, die den Frieden sichert, geht dem Frieden voraus und ist nicht auf seine Regeln rückführbar. Dass solche Einsichten von der Front seiner Kritiker verdrängt werden, ist George W. Bush nicht anzulasten. Zu streiten wäre darüber, wie klug und wie erfolgreich er die militärische Drohung wahrmacht. Auf den Präsidenten Bush könnten Amerika und Europa verzichten, nicht aber auf die Bereitschaft der Vereinigten Staaten, sich als hegemonialer Hüter der westlichen 'Weltgewaltordnung' (Hondrich) gegen alle Widerstände zu bewähren."

Die Frage ist, wie lange wir den "gewalttätigen Kern" nur benötigen, um uns gegen unsere Feinde zu verteidigen – und ab wann  die harte Faust zur Futterbeschaffung eingesetzt werden muss. Man kann den Eindruck haben, dass aus der Sicht der in den USA herrschenden Kreise dieser Fall bereits jetzt eingetreten ist. Wir alten Europäer segeln bislang noch moralisch in friedlichen Gewässern und ressourcenökonomisch im Rohstoff-Sicherungsschatten der US-Streitmacht. Schön für uns, und für unser Gewissen! Aber lange Dezennien wird es nicht mehr dauern, bis auch wir sehr viel direkter als bisher mit dieser Frage konfrontiert sein werden. Es sei denn, dem Kapitalismus gelingt es, unseren Umweltverbrauch schnell und massiv zu reduzieren. Dies auf dem Wege einer Pauperisierung der Massen zu erreichen, wäre zwar ein recht unangenehmer Weg, aber derzeit marschieren wir, wie es scheint, munter in diese Richtung. Versuchen wir also einfach, nicht immer alles negativ zu sehen, sondern der Entwicklung positive Aspekte abzugewinnen – z. B. wie folgt:

 

é

 

Schon im Vergleich zum Sozialismus, jedenfalls in seiner realen Ausprägung, ist der Kapitalismus schonender mit der Umwelt umgegangen. Das aber betraf nur die technologische, gewissermaßen "betriebliche" Ebene. Kleine Verbesserungen im Ausnutzungsgrad von Energie oder in der Reduzierung des Materialverbrauchs, oder verbesserte Filter zum Zurückhalten von Schadstoffen reichen jedoch heute nicht mehr aus. Was wir benötigen, um eine kurzfristig eintretende Erschöpfung der Ressourcen und die Zerstörung der Umwelt (Klima!) jetzt noch zu verhindern (oder wenigstens noch um einige Jährchen hinaus zu schieben) ist ein fundamentaler systemischer Wandel.

 

Da sind viele dafür, und schlagen eine "ökologische Marktwirtschaft" oder "Nachhaltiges Wirtschaften" vor. Hört sich gut an, doch fürchte ich, dass man Lösungshoffnungen dieser Art als eine Form von "second order denial" bewerten muss. Ebenso wie bei letalen Krankheiten – Krebs usw.[1] – kann man nämlich auch beim Abstreiten unserer massiven (bevorstehenden) Umweltprobleme unterschiedliche Grade des Leugnens diagnostizieren (wir wollen schließlich Ordnung haben auf unserem Weg in die totale Entropie!). Den ersten Grad behandelte William R. Catton jr., Professor Emeritus der Soziologie an der Washington State Univ., in seiner Studie "The Problem of Denial" (==>). Da geht es um die ganz hartgesottenen Cornucopians (ich übersetzte diesen Begriff mit "Füllhornisten"; und den Gegensatz, auf Englisch "Neo-Malthusians", mit "Sintflutisten", zu denen übrigens auch ich gehöre), die glauben, dass uns schon was Neues einfällt, wenn irgendeine Ressource ausfällt. Oder dass das Erdöl noch tief in der Erdkruste steckt und nur darauf wartet, dass wir es rauslassen  – deep crust, deep trust – oder, eines Tages, der große Frust?

[Wer mehr über die Theorie der abiotischen Erdölentstehung wissen will, kann das z. B. unter folgenden Links erfahren: Bei der FAZ = ==>; bei der Neuen Zürcher Zeitung = ==>. In englischer Sprache gibt es natürlich noch viel mehr, etwa: enviroliteracy oder hwww.rense.com  oder www.aapg.org oder gasresources.net ... usw.]

 

Anhängern der "ökologischen Marktwirtschaft" kann man nicht vorwerfen, dass sie das Umweltproblem leugnen. Deshalb stelle ich dort die Diagnose "Second Order Denial": man verschließt die Augen nicht vor der Krankheit. Aber man hofft doch, mit ein paar mehr oder weniger kosmetischen Korrekturen, Umweltsteuerpalliativen und so, vor allem aber mit einem irgendwie "gerechteren" Wirtschaftssystem, welches möglichst alle Menschen gleichmäßig glücklich machen soll (insbesondere, indem es das Konsumpotential möglichst gleichmäßig verteilt), die Sache in den Griff zu kriegen. Also im Grunde Benthams "Greatest happiness of the greatest number"; ja, ja, an sowas hab' ich auch mal geglaubt!

 

Indes nützt es uns herzlich wenig, wenn wir dem Porsche-Fahrer sein Geld wegnehmen, die Kohlen gerecht auf die anderen aufteilen und wir am Ende alle gleichmäßig z. B. als Polo-Lenker unsere Erdölressourcen verpuffen. Mit anderen Worten: nicht das Wirtschaftssystem ist das primäre Problem, es ist der Stand der Technologie, d. h. unsere enormen Möglichkeiten der Ressourcenausbeutung. Aber ganz besonders ist es die schiere Zahl von hochentwickelten Ex-Affentieren, welche die Kruste des Globus abknabbern, wie die Rentiere die Flechten von der Kruste der Insel des Heiligen Matthäus weggeputzt haben (cf. David R. Klein: THE INTRODUCTION, INCREASE AND CRASH OF REINDEER ON ST. MATTHEW ISLAND; Link: http://dieoff.org/page80.htm). Da hilft nur eines: Triage! Garrett Hardin hat es schon 1968 in seinem berühmten Umwelt-Essay "The Tragedy of the Commons" (Link z. B. hier: garretthardinsociety.org) glasklar aufgezeigt (und sich, in erschreckender persönlicher Konsequentialität, gemeinsam mit seine Frau von der Welt verabschiedet, als er alt und schwach war).

 

Für alle, die mit dem Begriff nichts anfangen können, will ich es mal euphemistisch beschreiben: "Triage" ist der Name einer Insel, einer Rettungsinsel nämlich, welche unser Kapitalismus schon volle Fahrt voraus ansteuert. Der Kapitalismus muss nichts begreifen, wie wir Ameisen des Geistes. Der Kapitalismus, die möglichst ungehinderte, besitzbasierte Konkurrenzwirtschaft also, ist das gesellschaftlich organisierte Begriffen-Haben! Allein ein entfesselter Kapitalismus ist in der Lage, die übergroße Zahl an Euhomininen euphemisierend zu euthanasieren.

 

Auf welche Weise kann der Ressourcenverbrauch in einer systemischen Dimension drastisch gesenkt werden? Indem das Konsumpotential der Massen drastisch reduziert wird! Und kein menschliches Sinnen könnte das gerechter organisieren als die unsichtbare Hand des kapitalistischen Wirtschaftssystems. Raffgier o. ä. der Kapitalisten sind allenfalls der psychologische Grund, nicht aber die tiefere systemische Begründung für eine verschärfte Konzentration des Kapitals in den Händen von wenigen: it's the environment, stupid! Nur indem es immer größeren Massen immer schlechter geht, können wir diese veranlassen, ihre Replikation zu reduzieren, vielleicht sogar freiwillig schon vorzeitig von ihrer ressourcenverzehrenden Realexistenz zu demissionieren. Deshalb ist es völlig richtig, wenn man uns sagt, dass die gegenwärtigen Reformen des Sozialstaates erst der Anfang sind. (Und deswegen sind, nebenbei bemerkt, beispielsweise auch Gedanken an Grundeinkommen oder Bürgergeld nichts als Blütenträume behüteter bourgeoiser Blumenkinder.) Die Pauperisierung der Massen, die sich mit der neuerlichen historischen Umkehrung der Kuznets-Kurve (http://economics.about.com/cs/economicsglossary/g/kuznets_curve.htm) nunmehr langsam in Gang setzt, ist also im menschheitsgeschichtlichen Sinne alles andere als ein Unglück. Sie ist vielmehr der einzige politisch akzeptable Weg zur Erhaltung intelligenten Lebens auf diesem unserem Planeten (des restlichen intelligenten Lebens, jedenfalls).

 

Für alle, die das nicht so sehen, lässt zwar das Kapital, etwa durch das Cato-Institut, Rauchgranaten abschießen. So z. B. in der "Policy Analysis" Nr. 449 vom 26. August 2002 den Aufsatz "Sustainable Development. A Dubious Solution in Search of a Problem" (http://www.cato.org/pubs/pas/pa449.pdf) von Jerry Taylor, seinerzeit "Director of natural resource studies at the Cato Institute" (http://www.cato.org). Der substituiert Ökonomie und Ökologie mit Mathematik und verheißt einem jeden Amerikaner (also letztlich dann wohl auch anderen entwickelten Völkern) Bill-Gates-Einkommensniveau in 400, vielleicht sogar nur 100, Jahren: "The math is actually quite simple. If U.S. per capita income manages to grow in real terms [!] by 2 percent a year (a conservative assumption), then in 400 years, the average American family of four will enjoy an income  of $2 million a day in 1997 dollars (roughly, Microsoft CEO Bill Gates’s current income). If per capita income grew a bit faster — say, at the rate reported by South Korea over the past couple of decades — it would take only 100 years for an average family of four to earn $2 million daily. 'So each time the Sierra Club impedes economic development to preserve some specimen of natural beauty,' writes Landsburg, 'it is asking people who live like you and me (the relatively poor) to sacrifice for the enjoyment of future generations that will live like Bill Gates.' "  Gee whizz, das wird ein Vergnügen: wir reisen dann um die Welt (machen vielleicht auch mal ein paar Abstecher zu anderen Planeten) und lassen Bill Gates für uns schaffen! Das glaubt wohl nicht jeder, der auf der Suche nach "anecdotal evidence" beispielsweise mal seine Stromrechnung und die Heizkosten anschaut, oder die Ölpreise, die Einkommensentwicklung, usw.

 

Also am Ende doch Triage, sort of? Selbst wenn ich es um der größeren Sache willen akzeptieren müsste, dass ich dabei sehr wahrscheinlich in die Kategorie der auf die Triage-Insel Outgesourcten fallen würde, bleibt doch eine beunruhigende Menschheitsfrage offen. Wer oder welcher Selektions-Mechanismus garantiert, dass nicht auch Mickerlinge vom Typ Prinz Eugen oder Napoleon (den echten meine ich natürlich, nicht den an seinem sozialistischen Quell-Schaum gescheiterten Saar-Napoleon!) oder auch andere zu kurz geratene Nützlinge (Wissenschaftler, Künstler, Visionäre usw.; kann leider kein Beispiel nennen, weil deren Körpermaße nicht so berühmt sind ) bei einer spezifisch kapitalkonzentrationsgenerierten Triage aus dem Boot fallen? Dürfen tumbe Besitzerben drinnen in jenen Passagierkabinen verharren (an den Rudern, den richtigen, meine ich, sitzen sie ja sowieso nicht), welche ihnen von ihren Eltern ersessen wurden wie vererbliche Kirchenstühle?

 

Irgendwie wäre es vielleicht doch schade, wenn das Besitzprinzip am Ende zu einer negativen Selektion führen würde.

 

P. S.

Wenn Sie in meinem Text die Smilies vermissen: Haben Sie eine bessere Idee, den Ressourcenverbrauch schnell zu reduzieren? Ich meine, eine humanere Idee; nicht Sachen wie "Gib Aids eine Chance" oder "Neutronenbombe neutralisiert Umweltschädiger"?

Andererseits: "Nonsense on stilts", sagt Mr. Taylor: "A careful review of the data ... finds that resources are becoming more — not less — abundant with time and that the world is in fact on a quite sustainable path at present." Na wenn das so ist, brauchen wir uns ja keine Gedanken mehr zu machen. Wir wussten doch schon immer, was bei den Ressourcen im Bush ist!

é

Nachspann (14.01.05):

"Kindermund tut Wahrheit kund"? Mag manchmal so sein; in diesem Falle muss ich aber eine Variante verwenden: "Schweizermund tut Wahrheit kund". [Was übrigens, zeterum censeo, nichts an meiner Abneigung gegen die Schweiz – und andere Kapitaloasen – in ihrer parasitären Funktion als Steuerdrainagesystem ändert.]

Dies nicht nur, weil Roger Köppel (s. Vorspann) Schweizer ist, der den Germemmen mal die Meinung sagt. (Und das tut er aus Prinzip; jedenfalls zitiert ihn "newsroom.de" (è) wie folgt: "Es war immer die Aufgabe der Zeitung, Dinge auszudrücken, die man nicht gerne hört", begründet der 39- Jährige seine Einstellung gegenüber dem Medienmagazin INSIGHT.)

Aus der Schweiz kommt Christoph Lauterburg. Der hat ein Buch geschrieben: "Fünf nach Zwölf" heißt es. Kennen Sie nicht, gelle? Kannte ich auch nicht, und habe ich erst vor wenigen Tagen gefunden (und vorerst nur angelesen), auf einer Webseite, von der es freilich mittlerweile wieder verschwunden ist (ehem. hier; der Klappentext ist dort noch verfügbar).

In meiner Begeisterung vervielfältige ich mal den Vorspann (= Inhaltsbeschreibung aus dem Schutzumschlag?) und präsentiere ihn hier meinen Lesern, um ihnen vielleicht ein klein wenig Neugier (oder Horror?) einzuflößen. Lauterburg ist, endlich mal, Umweltrealist, und somit das genaue Gegenteil z. B. von Franz Groll (s. Vorspann).

 

"Die gesellschaftlichen und ökologischen Megatrends werden in einigen Jahrzehnten zu einem weltweiten Crash führen. Christoph Lauterburg zeigt, dass es weder Instrumente noch Instanzen gibt, welche diese Entwicklung aufhalten können. Er beschreibt, was es für Über­lebens­möglich­keiten gibt und wie man emotional mit einer solchen Zukunfts­perspektive umgehen kann. Ein Crash menschlicher Zivilisation bedeutet nicht das Ende des Lebens auf diesem Planeten. Die Evolution wird weitergehen und – wie schon mehrmals nach globalen Katastrophen – eine neue Artenvielfalt hervor­bringen.

Zur Zeit bahnen sich zwei für die Menschheit existentielle Katastrophen an: der Zerfall gesellschaftlicher Strukturen und die Zerstörung der biologischen Lebens­grundlagen. Christoph Lauterburg, renommierter Unter­nehmens­berater, schreibt mit einer aus öffentlichen Debatten kaum gewohnten Offenheit über die Konsequenzen der grundlegenden Trends: Überbevölkerung, Konzentration der Menschen in urbanen Ballungszentren, Globalisierung der Wirtschaft, zunehmende Verarmung breiter Bevölkerungs­schichten, Migrations­bewegungen, Verwahrlosung und Kriminal­isierung der Jugend, Bürgerkriege, politischer Terror und organisiertes Verbrechen, radikale Zerstörung der Umwelt.

Das Buch zeigt auf, dass das menschliche Denken sowie die vorhandenen Ordnungs- und Steuerinstanzen der Komplexität des Geschehens längst nicht mehr gewachsen sind. Es herrscht kollektive Überforderung. Der Autor hält es in dieser Situation für falsch, das Thema Crash zu tabuisieren. Unverblümt benennt er die konkreten Konsequenzen für die menschliche Zivilisation und beschreibt, wie man sich rational und emotional auf das, was kommt, einstellen kann. Das Buch schließt mit einer positiven Perspektive: Die Evolution geht weiter. Das Leben auf dem blauen Planeten hat eine Zukunft.

Christoph Lauterburg ist selbständiger Organisations- und Managementberater, Autor des Buches Vor dem Ende der Hierarchie (1978, 3. Auflage), Koautor des Bestsellers Change Management (1996, 5. Auflage) und Mitherausgeber der Zeitschrift für Organi­sationsentwicklung."

 

Noch ein Nachspann, vom 22.07.05:

Bei Abfassung des obigen Nessay war mir noch nicht so recht bewusst, dass das Umweltproblem –2- gegenläufige Dimensionen hat: einerseits den Verbrauch nichterneuerbarer Ressourcen und andererseits die Verschmutzung, oder überhaupt die Veränderung, der Umwelt.

Wenn und indem wir die Wirtschaftsleistung steigern, können wir hoffen, die Umweltverschmutzung, Klimaänderung usw. wenigstens einzudämmen, weil wir dann für den Einbau von Filtern usw. genügend "übrig" haben (bzw. sich der Zwang zum "Abzweigen" von Mitteln für den Umweltschutz politisch leichter durchsetzen lässt). Allerdings müssen wir für eine Steigerung der Wirtschaftsleistung den Ressourcenverbrauch beschleunigen. Dämmen wir die Wirtschaftsleistung ein, stehen nicht nur auf der betrieblichen Ebene nicht genügend Mittel für Umweltschutzmaßnahmen zur Verfügung, sondern diese Mittel fehlen auch schon auf der Ebene der universitären und industriellen Forschung.

Wir sitzen also ziemlich in der Tinte – oder in der Suppe, die wir uns eingebrockt, aber nicht ausgesucht haben. Wir hatten keine Wahl, wenn wir nicht wieder auf die Bäume zurück klettern wollten. Jegliche gesellschaftliche Lebensweise, die über die Stufe von Jägern und Sammlern, und eine primitive Agrarwirtschaft, hinausgeht, ist – mit freilich unterschiedlich langen Fristen – nicht nachhaltig, nicht "sustainable".

 

 

 

 

 

 

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[1] Das ganze "Denial"-Konzept stammt aus der Erforschung des psychologischen Umgangs mit Krebs. Näheres dazu z. B. in dem Aufsatz "Denial and minimization in advanced cancer" von Mary L.S. Vachon, RN, PhD, Link ==>, wo es u. a. heißt: "Thirty years ago, Dr. Avery Weisman wrote in 'On Dying and Denying' of three orders of denial. In first-order denial the individual denies the main facts of the illness. Second-order denial may appear after the diagnosis is accepted; the individual denies the significance or implications of the illness. In third-order denial there is an inability to believe that the illness will result in death – the person believes he or she will remain in this incapacitated state forever.".