Drusenreich

LE CHIEN QUI LIT

Drusenreich – Teil 5

 

"Drusenreich" bedeutet, dass Sie, liebe Leser, je nachdem, wie Sie den Inhalt dieser Seite beurteilen, von den verschiedenen Bedeutungen des Wortes "Drusen" die ihnen passend erscheinende auswählen können.

ê

 

 

 

Lfd.Nr.

Inhaltsverzeichnis

Drusenreich – Teil 1

  1.  

Der Deutsche Wald: jenseits von Gut und Böse?

  1.  

AUS MEINEM BLOGHAUS

Drusenreich – Teil 2

  1.  

Rezension: Lexikon der populären Irrtümer

  1.  

Ausbeutung oder Konsumverzicht: Recht, gerecht, oder richtig?

Drusenreich – Teil 3

  1.  

Kondratieff, Rothbard und der Sacco di Roma

  1.  

THE ICEBERG READING OF AN ICEBERG LECTURE (über: Die Schatten der

Globalisierung / Globalization and its Discontents" von Prof. Joseph Stiglitz)

Drusenreich – Teil 4

  1.  

Kinderkosten - Rente – Umwelt – Gerechtigkeit

  1.  

Nur die totale Entfesselung des Kapitalismus rettet unsere Umwelt!

Drusenreich – Teil 5

  1.  

IN THE MACCHIA OF SPECIAL INTERESTS – A WELL OF CLEAR-CUT ANALYSIS?

Bemerkungen zur Studie „THE ISRAEL LOBBY AND U.S. FOREIGN POLICY“ der US-Politologen John J. Mearsheimer und Stephen M. Walt und zu den publizistischen Reaktionen darauf

Drusenreich – Teil 6               N. N.

  1.  

N. N.

  1.  

N. N.

 

 


 

IN THE MACCHIA OF SPECIAL INTERESTS ...

 

metmus

 

Kupferstich von Martin Schongauer;

Metropolitan Museum of Art, N. Y.

 

 

 

 

 


... A WELL OF CLEAR-CUT ANALYSIS?

 

nach links,Ausschn

nach rechts,Ausschn

Skulptur nach Auguste Rodin

Wikimedia Commons

As steals the morn upon the night,

And melts the shades away,

So truth does fancy's charm dissolve,

And rising reason puts to flight[1]

The fumes that did the mind involve,

Restoring intellectual day.

 

Schön wär's![2]

 

Bemerkungen zur Studie
„THE ISRAEL LOBBY AND U.S. FOREIGN POLICY“
der US-Politologen John J. Mearsheimer und Stephen M. Walt
und zu den publizistischen Reaktionen darauf

 

 

Text erstmalig eingestellt am 29.08.2006

Vorliegender Textstand vom 13.05.2011

 

INHALTSVERZEICHNIS

IN THE MACCHIA OF SPECIAL INTERESTS ...

... A WELL OF CLEAR-CUT ANALYSIS?

Bemerkungen zur Studie „THE ISRAEL LOBBY AND U.S. FOREIGN POLICY“ der US-Politologen John J. Mearsheimer und Stephen M. Walt und zu den publizistischen Reaktionen darauf

INHALTSVERZEICHNIS

Vorbemerkung

Einleitung

Struktur und allgemeine Beurteilung des Arbeitspapiers

Gliederung des Arbeitspapiers von Mearsheimer und Walt

THE ISRAEL LOBBY AND U.S. FOREIGN POLICY

[Seite, Überschrift des Kapitels (charakteristische Zitate bzw. Erläuterungen)]

1 - 2     THE ISRAEL LOBBY AND U.S. FOREIGN POLICY

2 - 3     THE GREAT BENEFACTOR

3 - 7     A STRATEGIC LIABILITY

8 - 14       A DWINDLING MORAL CASE

8     Backing the Underdog?

9     Aiding a Fellow Democracy?

9     Compensation for Past Crimes

11       'Virtuous Israelis' versus 'Evil Arabs'

14 - 26     THE ISRAEL LOBBY

14       What Is the Lobby?

16       Sources of Power

16       Strategies for Success

17       Influencing Congress

18       Influencing the Executive

20       Manipulating the Media

21       Think Tanks That Think One Way

22       Policing Academia

24       The Great Silencer

26 - 40     THE TAIL WAGGING THE DOG

26       Demonizing the Palestinians

30       Israel and the Iraq War

31       The Lobby and the Iraq War

35       Dreams of Regional Transformation

37       Gunning for Syria

38       Putting Iran in the Crosshairs

40       Summary

40 - 42     CONCLUSION

Auf den Seiten 43 –  82 folgen dann noch 211 "Endnotes"

Eigene Anmerkungen zur Debatte und zu den ihr zu Grunde liegenden Sachverhalten

Dimensionen der Debatte

1) Bereich des Faktischen:

2) Bereich der Spekulation

3) "Aktivierende" Elemente der Debatte

Inhaltliche Einzelaspekte aus der Debatte

"Wessen Land" oder "Moral und Geschichte: eine unendliche Geschichte"

Warum scheiterte der Friedensprozess (Oslo, Camp David)?

Siedlungspolitik Israels im Westjordanland

Zum Wirken der Lobby

"Split Loyalties"?

US-Interessen

Irak 2003: The WHATFORWAR oder die UMZUWAS-INVASION

Israel, die USA und Deutschland/Europa und das Streben des Iran nach atomarer Bewaffnung

Wissenschaft, Wissen schaffend – oder "Trash"? Zu Qualität und Funktion(en) der Mearsheimer-Walt-Studie

Antisemitisch ja/nein?

BREITE Debatte? Nein!   -   FURIOSE Debatte? Allerdings!

Gedanken, diverse:

Recht und Geschichte

Identität Israels anders gegründet als amerikanische Identität)

Über die Wahrscheinlichkeit und ggf. die Modalitäten eines Paradigmenwechsels in der US-amerikanischen Nahostpolitik

Umfrage(n) zur Debatte:

Stimmen in der Debatte

Vorbemerkung: Der Streit um das Mearsheimer-Walt-Papier und der Streit der Streiter untereinander

Wissenschaftliche Analysen (Kommunikationsanalysen, Medienanalysen)

 

 

Vorbemerkung

Die nachfolgenden Überlegungen stehen – wenn auch auf einer schon recht abstrakten Ebene – in einem gewissen Zusammenhang mit meinen Aufsätzen

 

- "Sinn substituiert die Konjunktion: rettet er die Renten durch ökonomische Akzeleration" auf meiner Webseite "Rentenreich" und

 

 - "The (b)rat in the box at the ultimate lever?" auf meiner Blogseite.

 

Die gemeinsame Thematik dieser Arbeiten ist die Untersuchung von Argumentationsstrategien bei der gesellschaftlichen Verfolgung (und ggf. Durchsetzung) von Partikularinteressen. . Konkret geht es dort um die:

 

- Einführung des Kapitaldeckungsverfahrens in der gesetzlichen Rentenversicherung an Stelle des Umlageverfahrens bzw. die

 

- Argumentationsstruktur anti-ökologischer Kampagnen

 

- und vorliegend um die Durchsetzung außenpolitischer Vorstellungen Israels in den USA zum Zwecke der Durchsetzung außenpolitischer Interessen im Nahen Osten.

 

Auf einer noch abstrakteren Ebene gehört die vorliegenden Notizen damit zu jenem Themenfeld, das mich eigentlich immer beschäftigt, nämlich "Sprache – Denken – Wirklichkeit".

 

Daneben habe ich aber natürlich auch ein inhaltliches Interesse, oder sogar zwei "Interessen":

Zum einen finde ich die Thematik subjektiv interessant, also intellektuell reizvoll, mit ihren ethisch-politisch-historischen Aspekten.

Zum anderen habe ich ein konkret politisches, quasi "objektives" Interesse insofern, als Deutschland und Europa derzeit ebenfalls in den Nahostkonflikt hineingezogen werden und wir alle bald sehr viel direkter betroffen werden als wir das derzeit (z. B. als Steuerzahler) sind. Der Einsatz deutscher Soldaten, nun auch im Nahen Osten, steht bevor (bzw. ist, wenn Sie diese Zeilen lesen werden, vielleicht schon Realität).

 

 

Prof. Alan Dershowitz schreibt über sein gegen Mearsheimer und Walt (nachfolgend auch: "M-W" genannt) gerichtetes Pamphlet, dass es "truly a 'working paper' — a work in progress" (S. 8) sein soll und rechtfertigt die gewissermaßen vorzeitige Veröffentlichung mit dem Satz "But because of the attention the original paper has received, it is essential to publish and circulate this response as soon as possible." Recht hat er (insofern zumindest), denn wer den Mund zu spät aufmacht, braucht ihn gar nicht mehr zu öffnen!

Was dem berühmten Rechtsgelehrten Recht ist, ist dem ruhmlosen Netzmeister billig: auch das vorliegende Papier ist ein "work in progress". Denn im Hinblick auf die fortgeschrittene Diskussion über den Einsatz (auch) deutscher Soldaten im Konfliktgebiet (wenn auch voraussichtlich nur auf hoher See) möchte auch ich nicht noch Monate mit der Veröffentlichung warten, um dann zwar vielleicht einen "runderen" Text präsentieren zu können, aber den politischen Ereignissen hinterher zu laufen.

Ich stelle deshalb zunächst dasjenige ein, was ich bis zu dem oben genannten Datum ("Vorliegender Textstand vom") zusammengestellt habe. Im Laufe der Zeit werde ich weitere Kommentare zu zahlreichen anderen Debattenbeiträgen nachzutragen.

 

 

Einleitung

Israelis tend to describe every threat in the starkest terms“ schreiben die US-Politologen John Mearsheimer und Stephen Walt in ihrer Studie „The Israel Lobby“ in der London Review of Books (LRB) vom 23.03.2006. (Die vollständige wissenschaftliche Arbeit – auf die sich im Folgenden auch meine Seitenangaben beziehen - erreicht man hier oder, etwas umständlicher, da, und auf Deutsch auf der Webseite eines gewissen Lutz Forster: TEXT  +  FUSSNOTEN.) [Falls der direkte Link-Zugriff über die Harvard-URL nicht klappt, findet man das Arbeitspapier auch über die Suchseite für die "research papers" der Fakultät.] Die „starkest terms“ riefen mir eine Formulierung wieder ins Gedächtnis, die ungefähr einen Monat nach Erscheinen des Arbeitspapiers von M-W durch die Presse ging:

Nach dem Selbstmordanschlag in Tel Aviv hat Israel vor einer neuen «Achse des Terrors» gewarnt. Die palästinensische Hamas-Regierung sowie Syrien und der Iran säten «die Saat für den ersten Weltkrieg des 21. Jahrhunderts», sagte der israelische UN-Botschafter Dan Gillerman im Sicherheitsrat in New York.“ (Hervorhebung von mir.)

Diese Meldung erschien am 18.04.2006 in zahlreichen Zeitungen und hat mich doch ziemlich aufgeschreckt. Prima facie erscheint sie als blanker Unsinn. Wie soll ein Selbstmordattentat einen Weltkrieg auslösen? Wir leben nicht mehr im Jahre 1914. Die machtpolitischen Konstellationen sind heute ganz anders und vor allem noch weitaus deutlicher asymmetrisch als damals. Außerdem haben nicht einmal die Angriffe arabischer Staaten auf Israel in der Vergangenheit einen Weltkrieg ausgelöst: Israel ist ganz allein und ganz locker mit denen fertig geworden.

Man kann die Formulierung aber auch ganz anders verstehen, nämlich als eine versteckte Botschaft des israelischen Botschafters bei der Völkergemeinschaft an die Völker der Welt: „Wenn die auf uns losgehen, ziehen wir euch alle in die Sache mit rein“.

Und nach der Lektüre der Arbeit von Mearsheimer und Walt könnte einem noch eine weitere Verschiebung der Lesart in den Sinn kommen, hin zur Bedeutung von „Wir haben die Macht und die Mittel, um euch in unsere Händel herein zu ziehen“.

Nun ist es sicherlich manchmal gut oder nützlich, richtig oder wichtig, dass man sich persönlich irgendwo „reinhängt“, oder dass sich ein Staat in die Angelegenheiten anderer Staaten involviert. So sehr auch Nicht-Einmischung das hehre Prinzip ist, leben wir nun einmal nicht in einer Welt abgeschotteter Monaden: weder als Individuen noch auf der Ebene der Staaten.

Weniger erfreulich ist es allerdings, von anderen irgendwo reingehängt zu werden. Das mag ich persönlich nicht, und als Bürger meines Staates kann ich mir das für diesen (ebenso wie auch für den Überstaat der EU) erst recht nicht wünschen. Erst vor kurzem hatte Shimon (gelegentlich auch "Schimon" geschrieben) Stein, Israels Botschafter in Deutschland, die Nato aufgefordert, sich In die seinerzeitigen Kämpfe Israels gegen die Hisbollah im Libanon reinzuhängen – vgl. "Israels Botschafter für Nato-Truppen in Nahost", Netzeitung vom 21.07.06. Freilich will Israel die Rolle der Nato (bzw. jetzt der internationalen Friedenstruppen[3]) darauf beschränken Soldaten abkommandieren. Bemühungen, einen dauerhaften Frieden Israels mit den Palästinensern zu vermitteln, sind eindeutig nicht willkommen[4]. Denn das heißt natürlich auch, einen Abzug der israelischen Besatzungssiedler aus dem Westjordanland zu verlangen. Da wäre mit Sicherheit das Geschrei über die Einmischung in die "inneren Angelegenheiten" Israels groß.

Wie auch immer: Kaum liegt die israelische Forderung auf dem Tisch, wird sie – in Gestalt einer internationalen Friedenstruppe – bereits umgesetzt.[5]

Auch wenn wir diesmal politisch auf der "richtigen" Seite stehen: moralisch stehen wir vielleicht wieder einmal auf der falschen. Eine bedingungslose Unterstützung Israels, die letztlich zu Lasten der Palästinenser geht, ist nicht unsere historische Pflicht, sondern belädt uns mit einer neuen historischen Hypothek.

 

Bereits am 04.02.06 hatte ich mir unter dem Titel „Propheten-Karikaturen und Palästinenserfrage“ (aus dem damals aktuellen Anlass der "Mohammed-Karikaturen") Gedanken über die Rolle gemacht, die Europa in dem Palästinakonflikt spielen könnte und sollte – und über die Rolle, die Amerika spielt und (nicht) spielen sollte. Dass sich, zumindest was die israelische Siedlungspolitik angeht, die amerikanische Supermacht von den israelischen Nationalisten wie ein Tanzbär am Nasenring durch die weltpolitische Arena führen lässt, sieht ein Blinder mit dem Krückstock von Wächtersbach quer über den Atlantik bis Washington. Und dieser Sachverhalt[6] wird übrigens nach meinem ersten Eindruck aus verschiedenen gegen Mearsheimer und Walt gerichteten Artikeln nicht einmal von deren Gegnern bestritten. Er wird (aus nahe liegenden Gründen) ganz einfach ausgeklammert.

 

Auch in Amerika haben viele Menschen Bedenken gegen die massive Schieflage der US-Politik in der Palästinafrage; aber John Mearsheimer und Stephen Walt sind nicht irgendwelche obskuren Intellektuellen, sondern Politologie-Professoren an geachteten Universitäten. Wie geht "die Lobby" mit denen um?

 

 

Struktur und allgemeine Beurteilung des Arbeitspapiers

Politologen schreiben, wenn sie nicht gerade Niccolo Machiavelli heißen, nicht für die Ewigkeit. Nicht selten schreiben sie (wie schon Niccolo Machiavelli) mit der Absicht, Einfluss auf die Politik ihrer Epoche zu nehmen.

 

Die Studie von Mearsheimer und Walt ist nach Anspruch und Form ebenso wie vom Inhalt und Niveau her eine wissenschaftliche Arbeit. Aber das ist nur die eine, gewissermaßen „akademische“ Seite.

 

Treibendes Motiv hinter dem Papier ist nicht akademischer Ehrgeiz, sondern klar erkennbar der Patriotismus der beiden Autoren. Ganz offenkundig sind sie der Meinung, dass die US-Außenpolitik im Nahen und Mittleren Osten total in der Sackgasse steckt. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, dass sie die US-Soldaten lieber gestern als heute aus dem Irak abgezogen sehen möchten, und erst recht keine militärischen Konflikte mit weiteren Ländern in der Region (Iran, Syrien) wünschen: „We don’t need another Iraq“ schreiben sie (S. 41). Mearsheimer und Walt lieben ihr Land und wollen es aus der Sch. heraus holen, in die es dort ‚hineingeraten’ ist (oder hineingeraten wurde?).

 

Diese selbst gestellte Aufgabe gehen sie als Politologen systematisch an, indem sie (sich und ihr Publikum) fragen, welche politischen Wirkmechanismen die USA dort hineingebracht haben und dort halten.

Auch wenn Kritik an evtl. Fehlern im Papier legitim ist: Erwiderungen gegen Mearsheimer und Walt, die lediglich auf den Einfluss der US-amerikanischen Israel-Lobby insgesamt abstellen, oder gar nur aus längst vergangenen Zeiten, gehen weitgehend schon am Inhalt der Studie von Mearsheimer und Walt vorbei, denn diese bezieht sich im Kern auf die aktuelle Situation (d. h. insbesondere die Lage seit dem 11.09.2001. Erst recht verfehlen weit ausholende Rückgriffe in die Vergangenheit (mit – mehr oder weniger überzeugenden – Beweisen gegen eine besonders große innenpolitische Macht der US-amerikanischen Israel-Lobby) eine Auseinandersetzung mit dem eigentlichen Anliegen der beiden amerikanischen Patrioten (die übrigens auch in dieser Hinsicht Niccolo Machiavelli vergleichbar sind, dessen kühle Kalkulationen letztlich von einem starken Patriotismus - bzw. genauer: von zwei Patriotismen, für seine „beiden“ Vaterländer Florenz und Italien - gespeist waren), nämlich die Nahostpolitik ihres Landes auf einen Weg zu führen, der den Interessen ihres Landes dient (das nicht nur sie in diesem Zusammenhang als häufig von einer fremden – kleinen - Macht ferngesteuert sehen).

 

 

Auch die negativen Auswirkungen, welche diese ungewöhnlichen Staatenliaison für die anderen Verbündeten der USA hat, bleiben nicht unerwähnt:

„Why has the US been willing to set aside its own security and that of many of its allies in order to advance the interests of another state?“ (S. 2)

„The Lobby’s influence causes trouble on several fronts. It increases the terrorist danger that all states face – including America’s European allies.“ (S. 42)

 

Was die Brüskierung nicht nur der Alliierten, sondern der gesamten Welt angeht, erinnere ich mich noch sehr deutlich daran, dass Jassir Arafat vor längeren Jahren von der UNO (von irgend einem Ausschuss der UNO-Vollversammlung, glaube ich) eingeladen worden war, seinen Standpunkt dort vorzutragen. Die USA ließen ihn gleichwohl nicht einreisen, weil er ein Terrorist sei.

Ich habe keinen Zweifel daran, dass er – bis wann? – ein Terrorist war. Aber zu diesem Zeitpunkt war er persönlich sicherlich kein aktiver Terrorist mehr, und vor allem wäre er bestimmt nicht mit ein paar Bomben im Gepäck in die USA eingeflogen.

Jedenfalls verweigerten die USA ihm das Einreisevisum; ob auf Druck der Lobby, weiß ich nicht (formal wurde irgend ein Gesetz vorgeschoben).

Leider ließen sich die Völker der Welt dann darauf ein, an einem anderen Ort (Genf?) zusammen zu kommen. Mich hat das tief beschämt; nicht weil ich Arafat besonders geschätzt hätte, sondern weil ich die amerikanische Weigerung, einen von der Weltgemeinschaft eingeladenen Gast zum Sitz der Völkergemeinschaft einreisen zu lassen, als einen ungeheuren Affront empfunden habe. Man durfte sich so richtig als Angehöriger der World United Banana Republics fühlen.

Angemessen wäre es aus meiner Sicht gewesen, wenn die UNO-Mitglieder die USA vor die Alternative gestellt hätten, entweder Gäste der UNO einreisen, oder aber das UN-Hauptquartier für immer ausreisen zu lassen, es also z. B. nach Genf zu verlegen. Es kann nicht angehen (und wird nur von politischen Eunuchen wie den Europäern hingenommen), dass man Gastgeber eines Völkerbundes ist und sein will, und diesen dann, wenn einem irgend etwas nicht in den Kram passt, in den A. tritt.

Man mag einwenden, dass es erheblich schwerer wiegende Verstöße gegen das Völkerrecht und Affronts gegen die UNO gegeben hat. Für mich war in diesem Falle aber der Symbolwert um so größer, als alle Staaten brav gekuscht haben. Wenn diese (also auch wir) sich da massiv auf die Hinterbeine gestellt hätten, hätten sie/wir sich/uns mit Sicherheit gegen diese unglaubliche 'Arroganz der Macht' durchgesetzt.

 

 

Gliederung des Arbeitspapiers von Mearsheimer und Walt

Nach dieser kleinen, eher persönlichen Abschweifung nun aber zur Analyse des Arbeitspapiers von M-W. Da es kein Inhaltsverzeichnis enthält, ist es vielleicht nützlich, die Gliederung des Textes hier darzustellen, um die überzeugend klare Struktur der Argumentation von Mearsheimer und Walt transparent zu machen.

 

THE ISRAEL LOBBY AND U.S. FOREIGN POLICY

[Seite, Überschrift des Kapitels (charakteristische Zitate bzw. Erläuterungen)]
1 - 2                      THE ISRAEL LOBBY AND U.S. FOREIGN POLICY[7]

("... the overall thrust of U.S. policy in the region is due almost entirely to U.S. domestic politics, and especially to the activities of the “Israel Lobby.”)

2 - 3                      THE GREAT BENEFACTOR

("America's [finanzielle + politische] support for Israel is, in short, unique")

3 - 7                      A STRATEGIC LIABILITY

("Israel may have been a strategic asset during the Cold War",

ist aber eine Belastung spätestens seit dem 1. Golfkrieg 1990/91. Die USA haben

"a terrorism problem in good part because it is so closely allied with Israel. .. U.S. support for Israel is not the only source of anti-American terrorism, but ... an important one, and it makes winning the war on terror more difficult.")

8 - 14          A DWINDLING MORAL CASE

("Viewed objectively, Israel’s past and present conduct offers no moral basis for privileging it over the Palestinians.")

DARIN FOLGENDE UNTERKAPITEL:

8        Backing the Underdog?

(Israel ist – und war - militärisch zumindest nicht schwächer als die Araber)

9        Aiding a Fellow Democracy?

("Israel is formally democratic", verweigert aber den von ihm kontrollierten Palästinensern volle politische Rechte)

9        Compensation for Past Crimes

("This history [d. h. die Verfolgung der Juden] ... provides a strong moral case for supporting Israel’s existence. But the creation of Israel involved additional crimes against a largely innocent third party: the Palestinians.")

11      'Virtuous Israelis' versus 'Evil Arabs'

("In terms of actual behavior, Israel’s conduct is not morally distinguishable from the actions of its opponents.")

14 - 26        THE ISRAEL LOBBY

("unmatched power", "ability to manipulate the American political system")

DARIN FOLGENDE UNTERKAPITEL:

14      What Is the Lobby?

("We use 'the Lobby' as a convenient short-hand term for the loose coalition of individuals and organizations who actively work to shape U.S. foreign policy in a pro-Israel direction." "... this term is not meant to suggest that 'the Lobby ' is a unified movement with a central leadership, or that individuals within it do not disagree on certain issues.".....  "The Lobby also [d. h. außer amerikanischen Juden] includes prominent Christian evangelicals ... [and] neoconservative gentiles")

16      Sources of Power

("The Lobby’s activities are not the sort of conspiracy depicted in antiSemitic tracts like the Protocols of the Elders of Zion*. For the most part, the individuals and groups that comprise the Lobby are doing what other special interest groups do, just much better.")      *dt.: Protokolle der Weisen von Zion.

16      Strategies for Success

(Zweigleisige Strategie einer direkten politischen Einflussnahme einerseits andererseits und einer Beeinflussung der öffentlichen Meinung

"... by repeating myths about Israel and its founding and by publicizing Israel’s side in the policy debates of the day")

17      Influencing Congress

("... in the U.S. Congress, where Israel is virtually immune from criticism" ..... "One reason for the Lobby’s success with Congress is that some key  members are Christian Zionists".....  "ProIsrael congressional staffers are another source of the Lobby’s power" ..... "The bottom line is that AIPAC, which is a de facto agent for a foreign government, has a stranglehold on the U.S. Congress") [Hervorhebung von mir]

18      Influencing the Executive

("Jewish voters have high turn-out rates ..." ..... "For example, pro-Israel forces make sure that critics of the Jewish state do not get important foreign – policy appointments".

Über die Position der USA den Friedensverhandlungen im Jahr 2000 in Camp David schreiben M-W, dass

"the American delegation took its cues from Israeli Prime Minister Ehud Barak, coordinated negotiating positions in advance, and did not offer its own independent proposals for settling the conflict.")

20      Manipulating the Media [8]

("...the Lobby strives to shape public perceptions about Israel and the Middle East. It does not want an open debate on issues involving Israel, because an open debate might cause Americans to question the level of support that they currently provide."   "...  the American media contains few criticisms of Israeli policy, rarely questions Washington’s relationship with Israel, and only occasionally discusses the Lobby’s profound influence on U.S. policy.") [Hervorhebung von mir]

21      Think Tanks That Think One Way [9]

(Dazu rechnen M-W: Das WINEP - Washington Institute for Near East Policy  -, das American Enterprise Institute, die Brookings Institution, das Center for Security Policy, das Foreign Policy Research Institute, die Heritage Foundation, das Hudson Institute, das Institute for Foreign Policy Analysis und – naturgemäß – das Jewish Institute for National Security Affairs – JINSA.)

22      Policing Academia [10]

("The Lobby has had the most difficulty stifling debate about Israel on college campuses, because academic freedom is a core value and because tenured professors are hard to threaten or silence." Trotzdem gibt es "Groups in the Lobby ... [that] direct their fire at particular professors and the universities that hire them." ..... "In sum, the Lobby ... has worked hard to stifle criticism of Israel by professors and students and there is much less of it on campuses today.")

24      The Great Silencer

(= Antisemitismusvorwurf: "Anyone who criticizes Israeli actions or says that pro-Israel groups have significant influence over U.S. Middle East policy ... stands a good chance of getting labeled an anti-Semite."[11])

26 - 40        THE TAIL WAGGING THE DOG

(" ... the Lobby has ... sought to shape the core elements of U.S. Middle East policy. In particular, it has worked successfully to convince American leaders to back Israel’s continued repression of the Palestinians and to take aim at Israel’s primary regional adversaries: Iran, Iraq, and Syria.")

DARIN FOLGENDE UNTERKAPITEL:

26      Demonizing the Palestinians

("... the Bush Administration failed to change Israel’s policies, and Washington ended up backing Israel’s hard-line approach instead. Over time, the Administration also adopted Israel’s justifications for this approach, so that U.S. and Israeli rhetoric became similar."

Den Grund für diese Politik, die nicht dem amerikanischen Wählerwillen entspricht – "73 percent said that United States should not favor either side" -, sehen M-W im Wirken der Lobby, nicht nur der jüdischen, sondern auch der evangelikalen.)

30      Israel and the Iraq War

("Pressure from Israel and the Lobby was not the only factor behind the U.S. decision to attack Iraq in March 2003, but it was a critical element. Some Americans believe that this was a 'war for oil,' but there is hardly any direct evidence to support this claim. Instead, the war was motivated in good part by a desire to make Israel more secure.[12]")

31      The Lobby and the Iraq War

(Mearsheimer und Walt verkennen nicht, dass die Macht der vereinten zionistischen und neokonservativen Lobby nicht ausgereicht hätte, um Bush in das Irak-Abenteuer zu treiben. Dazu war 'Hilfe', nämlich der Eintritt eines außergewöhnlichen Ereignisses nötig:

"That help arrived with 9/11. Specifically, the events of that fateful day led Bush and Cheney to reverse course and become strong proponents of a preventive war to topple Saddam. Neoconservatives in the Lobby ... played especially critical roles in persuading the President and Vice-President to favor war.")

Sie beschließen dieses Unterkapitel mit dem Satz:

"Without the Lobby’s efforts, the United States would have been far less likely to have gone to war in March 2003.[13]")[14]

35      Dreams of Regional Transformation

(Hier beschreiben M-W den unter Clinton vollzogenen 'Paradigmenwechsel' in der US-Nahostpolitik von einer durch gegenseitiges Ausspielen der Regionalmächte – d. h. insbesondere Irak und Iran – bewirkten Machtbalance hin zu einer Strategie des "dual containment", d. h. einer gleichzeitigen Konfrontation der US-Politik gegen den Irak und den Iran. Die Wurzeln dieses Paradigmenwechsels sehen sie offenbar in israelischen und pro-israelischen Einflussnahmen auf die US-Außenpolitik.)

37      Gunning for Syria

("Israeli leaders did not push the Bush Administration to put its crosshairs on Syria before March 2003, because they were too busy pushing for war against Iraq. But once Baghdad fell in mid-April, Sharon and his lieutenants began urging Washington to target Damascus. ..... Syria was not on bad terms with Washington before the Iraq war ...and it was no threat to the United States. Playing hardball with Syria would make the United States look like a bully with an insatiable appetite for beating up Arab states. ..... Yet Congress insisted on putting the screws to Damascus, largely in response to pressure from Israel officials and pro-Israel groups like AIPAC.  If there were no Lobby, ... U.S. policy toward Damascus would have been more in line with the U.S. national interest.")

38      Putting Iran in the Crosshairs

("If Washington could live with a nuclear Soviet Union, a nuclear China, or even a  nuclear North Korea, then it can live with a nuclear Iran.[15]")

40      Summary

(Offenbar bezogen auf das Kapitel "THE TAIL WAGGING THE DOG", nicht auf das gesamte Arbeitspapier.

" Israel and its American supporters want the United States to deal with any and all threats to Israel’s security. If their efforts to shape U.S. policy succeed, then Israel’s enemies get weakened or overthrown, Israel gets a free hand with the Palestinians, and the United States[16] does most of the fighting, dying, rebuilding, and paying.")

 

40 - 42        CONCLUSION

(Es liegt in der Natur der Sache, dass ich aus den zusammenfassenden Schlussfolgerungen von Mearsheimer und Walt ausführlicher als bei den vorherigen Kapitel zitiere:

"... using American power to achieve a just peace between Israel and the Palestinians would help advance the broader goals of fighting extremism and promoting democracy in the Middle East. But that is not going to happen anytime soon." ....."... the Lobby's influence causes trouble on several fronts. It increases the terrorist danger that all states face - including America's European allies. By preventing U.S. leaders from pressuring Israel to make peace, the Lobby has also made it impossible to end the Israeli-Palestinian conflict. This situation gives extremists a powerful recruiting tool ...". ..... "Thanks to the Lobby, the United States has become the de facto enabler of Israeli expansion in the occupied territories, making it complicit in the crimes perpetrated against the Palestinians." ..... "... the Lobby’s campaign to squelch debate about Israel is unhealthy for democracy. ..... "... efforts to stifle debate by intimidation must be roundly condemned by those who believe in free speech and open discussion" ..... "Ironically, Israel itself would probably be better off if the Lobby were less powerful and U.S. policy were more evenhanded." ..... "Denying the Palestinians their legitimate political rights certainly has not made Israel more secure" ..... " What is needed, therefore, is a candid discussion of the Lobby’s influence and a more open debate about U.S. interests in this vital region. Israel’s well-being is one of those interests, but not its continued occupation of the West Bank or its broader regional agenda.") [Hervorhebung von mir]

Auf den Seiten 43 –  82 folgen dann noch 211 "Endnotes"

 

 

Eigene Anmerkungen zur Debatte und zu den ihr zu Grunde liegenden Sachverhalten

 

Dimensionen der Debatte

Diskursiven Trübfischern (die es nicht nur bei den Antisemiten, sondern auch bei den Anti-Antisemiten gibt) kann man das Handwerk erschweren, indem man Sachverhalte bzw. Einstellungen mit möglichst großer Schärfe einerseits trennt und andererseits, soweit man ihr Wabern im Debattenhintergrund spürt, die Schwebstoffe aus der Debatte herausfiltert und die Konturen der eigentlichen Problemlage sichtbar macht (bzw. sichtbar hält).

Für ein sachadäquates Verständnis der tatsächlichen Handlungsweise der Lobby, deren moralischer (ggf. auch juristischer) Beurteilung und der von M-W beabsichtigten oder tatsächlich implizierten Beurteilung sowie schließlich auch für ein vertieftes Verständnis der Arbeit vom M-W erscheint es mir wichtig, bei der Bewertung des möglichen Vorwurfs von "split (oder dual) loyalties" gegen Akteure der Lobby folgende 3 Bereiche zu unterscheiden:

 

 

1) Bereich des Faktischen:

a) Existenz und Wirken "der Lobby" ganz allgemein:

Dass "die Lobby" Partikularinteressen vertritt, versuchen einige ihrer Anhänger in der Diskussion zwar zu vernebeln. Bestreiten können und tun sie es schon deshalb nicht, weil die Lobby eben nicht konspirativ im Untergrund wühlt, sondern ganz offiziell und öffentlich aktiv ist. Deshalb kann ihre Existenz (wohl aber natürlich ihr Umfang und ihr Erfolg) nicht bestritten werden (und wird auch nicht einmal von den schärfsten Gegner von M-W geleugnet).

 

b) Belegbare Fakten zum Reden/Handeln der Lobby und der israelischen Regierung:

Positionen, für welche die israelische Politik und die zionistische Lobby tatsächlich eingetreten sind bzw. (bei der israelischen Regierung) Handlungen, die dieser tatsächlich zuzuordnen sind (z. B. Siedlungspolitik im Westjordanland)

 

c) Tatsächlich später eingetretene Ereignisse, die als solche unstreitig sind (z. B. Irak-Krieg).

 

2) Bereich der Spekulation

(Meinungen, für die in aller Regel kein strenger Nachweis/Beweis im naturwissenschaftlichen oder auch nur im juristischen Sinne erbracht werden kann):

 

Bei diesen Fragen kann Dissens bestehen; die Advokaten der zionistischen Lobby werden

 

aa) den Kausalzusammenhang zwischen der Lobby-Arbeit und den politischen Ereignissen jedenfalls dann bestreiten, wenn tatsächlich erreichte Ziele in der Öffentlichkeit schlecht ankommen (Irak-Krieg);

bb) eine Diskrepanz zwischen Lobby-Zielen und US-Interessen leugnen und, wenn sie besonders dreist sind (und/oder mit Sachargumenten nicht überzeugen können),

cc) die Kritiker der Lobby auf anderen Wegen als denen eines rein sachbezogenen Streites der Meinungen zu diskreditieren versuchen (Antisemitismus-Vorwurf usw.).

 

a) Wirkung der Lobby-Arbeit

"Prozentualer" Anteil der Lobby-Aktivitäten an später eingetreten Ereignissen.

 

b) Interessenanalyse aus Sicht der USA

Identität oder Diskrepanz der Lobby-Ziele zu den (außenpolitischen) US-Interessen (Problem der Definition von "wahren" Interessen; unvermeidliche Subjektivität der Interessenbestimmung, Problem des Zeithorizonts bei der Interessenbestimmung).

 

c) Bei unterstellter Diskrepanz der Lobby-Aktivitäten zu US-Interessen taucht die Frage einer moralischen Bewertung der Lobby-Aktivisten auf ("Vaterlandsverräter"?).

Teilweise unausgesprochen im Hintergrund der Empörung (soweit sie genuin ist und nicht lediglich instrumentalisiert, was man natürlich im Einzelfall nie wissen kann) steht der Ruch des "Vaterlandsverrats", den die Lobby-Anhänger bzw. –vertreter offenbar aus den Ausführungen von M-W heraus lesen. Insoweit hätten M-W vielleicht klar stellen sollen, dass der Vorwurf, die Lobby vertrete Ziele, die nicht mit den [im Sinne von M-W definierten] US-Interessen identisch oder diesen sogar konträr seien, nicht zwangsläufig bedeutet, dass die Lobby-"Mitglieder" bewusst den außenpolitischen Interessen der USA Schaden zufügen oder auch nur den Eintritt von Schäden billigend in Kauf nehmen wollen.

Bei gutem Willen kann man schon aus dem Umstand, dass M-W auch andere als jüdische Neokonservative zur Lobby zählen, erkennen, dass M-W eben nicht davon ausgehen, dass den Lobby-Mitgliedern die Interessendiskrepanz bewusst ist (über die man ja in der Tat streiten kann, weil sie nicht zum Bereich der eindeutig feststellbaren Fakten zählt).

Weil aber nicht bei allen Kritikern von M-W guter Wille vorausgesetzt werden darf, wären M-W gut beraten gewesen, diesen Sachverhalt expressis verbis zu formulieren. (In ihrem neuen Debattenbeitrag vom 01.07.06 "The War over Israel's Influence" tun sie mittlerweile genau das: "These organizations believe their efforts advance both American and Israeli interests. We do not" heißt es dort.)

 

d) Schließlich könnte man in diesem Zusammenhang natürlich noch die Frage nach den "wahren" Interessen Israels aufwerfen, wie das M-W tatsächlich auch tun (S. 41 letzter Absatz).

 

 

3) "Aktivierende" Elemente der Debatte

Auf einer anderen Ebene steht die Unterscheidung zwischen den analytischen und den aktivierenden Elementen der Arbeit von M-W. Keine Frage: Mearsheimer und Walt wollen wirken[17]. Sie wollen nicht mandarineske Glasperlenspiele im Elfenbeinturm abspulen, sondern sie versuchen, mit dieser Studie die US-Nahostpolitik in eine andere Richtung zu lenken[18]. Aus diesem Grunde muss die Arbeit zwangsläufig auch eine "aktivierende" Dimension haben; M-W müssen ihrem Publikum ein möglichst breites Spektrum von Gründen bieten, um eine Politikänderung auf allen Ebenen des gesellschaftlichen Diskurses – also der "realistischen" wie der moralischen Ebene – zu rechtfertigen. Deshalb die Argumente, dass die israelische Position der arabischen moralisch zumindest nicht überlegen ist, wie sie sich z. B. in folgenden Sätzen (die im Arbeitspapier natürlich begründet werden), verdichtet:

"Viewed objectively, Israel’s past and present conduct offers no moral basis for privileging it over the Palestinians." (S. 8)

"The fact that the creation of Israel entailed a moral crime against the Palestinian people was well understood by Israel’s leaders." (S. 11)

"In terms of actual behavior, Israel’s conduct is not morally distinguishable from the actions of its opponents." (S. 11)

"Israel’s subsequent conduct towards its Arab adversaries and its Palestinian subjects has often been brutal, belying any claim to morally superior conduct." (S. 12)

"Israel may not have acted worse than many other countries, but it clearly has not acted any better." (S. 14)

 

Diese Elemente bieten den Gegnern naturgemäß größere Angriffsflächen und emotionalisieren die Debatte. Andererseits spielen Gefühle (z. B. das Gerechtigkeitsgefühl!) immer eine mehr oder weniger große Rolle. Ohnehin ist ja die ganze Grundlage der Debatte nicht-rational: warum wollen die Juden überhaupt Juden sein (bzw. als Juden leben dürfen), die Palästinenser Moslems (und Christen) und in jedem Falle Palästinenser, und warum sind Christen Christen und wollen es bleiben? Wieso sind in Deutschland in Münster mehr Menschen katholisch und in Heidelberg mehr calvinistisch? Rational ist das alles nicht. Aber deswegen ist es keineswegs "irrational": es ist ganz einfach nicht-rational, eine andere Dimension, die sich nicht (zwangsläufig) gegen die Vernunft richtet[19].

Unser Handeln, auch unser rationales politisches Handeln, wächst also auf einem nicht-rationalen Nährboden und kann auch deshalb nicht ausschließlich durch eine rationale Argumentation gesteuert werden.[20]

M-W beschreiben, wie die zionistische Lobby die Meldungen über die Ereignisse im Palästinakonflikt in ihrem Sinne zu beeinflussen, zumindest aber deren Bewertung zu monopolisieren versucht. Dem treten sie – was ich für legitim halte – entgegen, indem sie wenig bekannte Fakten ins Licht rücken. Soweit ihnen dabei im Einzelfalle Irrtümer unterlaufen sind, ist Kritik daran natürlich legitim und M-W müssten eventuelle unzutreffende Behauptungen berichtigen.

 

Jedenfalls ist aber das, was ich die "aktivierende" Dimension des Textes von Mearsheimer und Walt nenne, nur eine Facette ihrer im übrigen analytischen ausgerichteten Arbeit. Es ist deshalb irreführend, wenn Heumann/Zucker (vgl. unten bei "Zaungäste) schreiben: "Der Titel ist sachlich: 'The Israel Lobby and U.S. Foreign Policy'. Aber Ton und These des Papiers sind als Polemik gedacht."

 

 

Inhaltliche Einzelaspekte aus[21] der Debatte

 

"Wessen Land" oder "Moral und Geschichte: eine unendliche Geschichte"

"Europe’s crimes against the Jews provide a clear moral justification for Israel’s right to exist"

meinen Mearsheimer und Walt (S. 10).

Das ist aus meiner Sicht schon ein polit-ethisches Zugeständnis (welches ihnen die wütenden Verteidiger "der Lobby" nicht einmal danken).

Denn ganz so einfach, wie es in dieser Textpassage von M-W erscheint, ist die Existenz (bzw. genauer: die Gründung) Israels, moralisch nicht zu rechtfertigen[22]. Eine solche Rechtfertigung vollzieht sich schließlich nicht im luftleeren Raum.

Kein Araber, Palästinenser eingeschlossen, hätte etwas dagegen, dass ein Staat Israel existiert – irgendwo. Zu einer solch abstrakten Rechtfertigung bedürfte es auch keines Rekurses auf den von M-W höflich als "europäische" Verbrechen bezeichneten Nazideutschen Völkermord an den Juden. Es wäre ausreichend zu sagen, dass die Zionisten gern einen eigenen Staat hätten – und so haben sie sich eben einen aufgebaut.

Das Problem ist nur, dass dieser Staat Israel nicht irgendwo existiert, sondern eben in Palästina liegt, und dass es da schon vorher Leute gab, und dass die dort seit langen Jahrhunderten ansässigen Einwohner keinen Staat Israel wollten, d. h. keinen Staat, der seine Identität wesentlich aus der jüdischen Religion definiert. Absolut zutreffend sprechen M-W von

"aspects of Israeli democracy that are at odds with core American values. The United States is a liberal democracy where people of any race, religion, or ethnicity are supposed to enjoy equal rights. By contrast, Israel was explicitly founded as a Jewish state". (S. 9)

Es mag zwar sein, dass auch in Israel Staatsbürger "of any race, religion or ethnicity" auf dem Papier die gleichen (?) Rechte haben wie die Juden. Und sicherlich tut sich umgekehrt (nicht nur) die amerikanische Gesellschaft schwer damit, die theoretische Gleichberechtigung in der Realität zu implementieren: Das alles ändert aber nichts daran, dass die Zionisten einen Staat gewollt und aufgebaut haben, in welchem sie gemäß ihrer wesentlich auf religiöser Grundlage definierten, also jüdischen, Identität leben wollten und heute leben. Das schließt nicht aus, dass die in Israel verbliebenen arabischen Einwohner gleiche Rechte, Parteien, Vereine usw. haben. Aber Israel ist nicht "ihr" Staat, nicht ein Staat, dessen Institutionen ihre (religiös, rassisch, 'lokalpatriotisch' oder wie auch immer definierte) 'Identität' (was immer das sein mag) widerspiegelt, bewahrt, fortentwickelt.

Nach keinem allgemein akzeptierten moralischen Kalkül können deutsche Verbrechen gegen Juden es gegenüber den Palästinensern rechtfertigen, dass die Zionisten sich nach Palästina hineingedrängt haben, in einer Zeit, als dieses Land zunächst unter türkischer Herrschaft und anschließend unter britischer Verwaltung stand, und als die Palästinenser das Einsickern der Zionisten nicht verhindern konnten (auch wenn sie es verschiedentlich mit Gewalt versucht haben).

 

Hier liegt der Ursprung und der Kern des Konfliktes, und das kann man, jedenfalls nicht im Bewusstsein der Palästinenser, quasi mit einer Perspektive des umgedrehten Fernglases durch Hinweise auf den Holocaust beiseite wischen. Auch die Tatsache, dass Mohammed Amin al-Husseini, der so genannte "Großmufti" von Jerusalem, mit den Nationalsozialisten zusammengearbeitet hat, wahrscheinlich von dem Völkermord an den Juden Kenntnis hatte und diesen wohl gebilligt hat, macht die Palästinenser nicht zu Mitschuldigen daran.

Ganz abgesehen davon, das er kein demokratisch legitimierter Vertreter der Palästinenser war, hatte er keinerlei Funktion innerhalb der Kausalketten der verschiedenen Holocaust-Aktionen. Weder hat er sie initiiert, noch hat er an der Judenvernichtung Teil genommen.

Überhaupt sind seine Aktivitäten eher unter dem Gesichtspunkt einer stupiden Politmechanik vom Typ "Der Feind meines Feindes ist mein Freund" (wie sie in anderen Zusammenhängen auch die USA zu ihrem eigenen Schaden in Afghanistan praktiziert haben) zu verstehen, denn als Bewunderung für die Nazis.

Die dürften auch die Palästinenser als 'rassisch minderwertig angesehen' haben, so dass es einen ideologischen Gleichklang oder eine echte Freundschaft ohnehin nicht geben konnte.

 

Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang auch an die zeitliche Reihenfolge der (sehr viel früher begonnenen) Aktivitäten zur Staatsgründung und des späteren Holocaust. Sicherlich mag das weltweite Erschrecken über den Holocaust das Entstehen Israels als Staat begünstigt haben, und vermutlich gibt es einen Kausalzusammenhang zwischen europäischem Antisemitismus und dem zionistischen Bestreben nach einem Judenstaat. Jedoch kann, was sich ex post als klug (für die ausgewanderten Juden) erwiesen hat, nicht ex ante (und gegenüber den Palästinensern ebenso wenig ex post) moralisch gerechtfertigt werden. Die jüdische Einwanderung mit der Absicht einer Staatsgründung war, unabhängig davon, ob sich die einzelnen Aktivisten dies bewusst gemacht haben oder nicht (und erst recht natürlich unabhängig davon, ob sie das ausgesprochen haben oder nicht) auf die Unterdrückung oder Verdrängung der ansässigen Bevölkerung zumindest in einem Teil des Territoriums angelegt.

Das war den Palästinensern klar, ebenso den Briten und erst recht den jüdischen Terrororganisationen, welche schon vor der Gründung des Staates Israel gegen die Palästinenser (und gegen die Briten) gekämpft haben. Was dort geschehen ist, das "Einsickern" der Zionisten in Palästina mit dem (individuell nicht in jedem Falle notwendiger Weise bewussten) Ziel einer Staatsgründung (die nur zu Lasten der Palästinenser gehen konnte), werte ich als eine Form nicht-kriegerischer Aggression[23] (die später dann, soweit die Palästinenser gewaltsam vertrieben wurden, auch einen kriegerischen Charakter angenommen haben mag).[24]

 

Meine Darstellung könnte den Eindruck erwecken, dass ich das Existenzrecht Israels bestreite. Dazu (auch wenn es mir wenig nützen wird) im Interesse der Vollständigkeit zwei Anmerkungen:

 

1) Meine Perspektive ist weder die eines Israel-Gegners (oder gar Antisemiten), noch die eines Israel-Freundes (oder Philosemiten), sondern die eines Außenstehenden, dessen Staat aber jederzeit in den Nahost-Konflikt verwickelt werden kann. Von dieser Warte aus versuche ich, die Dinge auch aus einem Blickwinkel zu betrachten, wie er sich nach meiner Vermutung für die Palästinenser darstellt, wie sie aber auch nach dem im derzeitigen Diskurs herrschenden Verständnis von Moral und Völkerrecht folgerichtig betrachtet werden müssen.[25]

Wer nicht bereit ist, auch diese Perspektive zu sehen, wird die Problemdimension nicht verstehen und kaum zu einer Lösung beitragen können. Nur eine radikale intellektuelle Redlichkeit kann uns einerseits Unabhängigkeit von den Einflüsterungen und Zumutungen beider Streitparteien sowie Rückhalt und Kraft für die durchzuhaltende Behauptung eines eigenen Standpunktes geben. Und nur sie kann uns andererseits zu kreativen Lösungen inspirieren und unserem Wollen, wenn schon nicht das Wohlwollen der Parteien, dann doch zumindest deren Respekt gewinnen.[26]

 

2) Die andere Seite ist, dass durch eine (ich sage mal möglichst vage:) "Aufhebung" des Staates Israel neues Unrecht in die Welt gesetzt würde. Es hilft ja nichts, den Palästinensern zu dem zu verhelfen, was sie zweifellos als ihr Recht ansehen: Rückkehr der Flüchtlinge im günstigsten, ein Palästina ohne Juden im schlimmsten Falle. Nichts davon bringt das moralische Kalkül wieder ins Lot, und wäre deshalb auch nicht akzeptabel.

 

Mearsheimer-Walt sprechen die Vor-Gründungsphase Israels zwar an:

"The Arab inhabitants did resist the Zionists’ encroachments, which is hardly surprising given that the Zionists were trying to create their own state on Arab lands. The Zionists responded vigorously, and neither side owns the moral high ground during this period" (S. 11/12, Hervorhebung von mir). Aber weit umfangreicher reflektieren sie die moralische Dimension späterer, eher sekundärer Ereignisse:      

 

Man fragt sich, aus welchem Grund Mearsheimer und Walt diese "Fundamentaldimension" des Nahost-Konfliktes nicht in ihrer vollen Schärfe darstellen und statt dessen die moralische Position Israels anhand von sekundären Ereignissen, bei denen die Bewertung, und teilweise sogar die Faktizität, umstritten ist, zu relativieren versuchen.

Insoweit sind -3- Alternativen denkbar:

- Entweder M-W versprechen sich davon eine größere Wirkung beim Publikum. Gebrochene Palästinenserknochen sind halt für das Medienpublikum sehr viel konkreter als (peu a peu) weggenommenes Land.

- Oder sie vermeiden es bewusst, die Entstehung des Staates Israel in den Phasen vor der Staatsgründung als moralisch problematisch zu thematisieren, weil sie in diesem Falle natürlich noch sehr viel stärker, als es ohnehin der Fall ist, erwarten müssten, des Antisemitismus verdächtigt zu werden.

- Obwohl M-W zweifellos ihren Machiavell und hoffentlich auch die Tagebücher von Galeazzo Ciano gelesen haben, halte ich sie dennoch nicht für hinreichend zynisch, um eine der beiden vorgenannten Strategien zu verfolgen. Dies schon deshalb nicht, weil sie Professoren geworden sind, also für die Politik (und deren gelegentlich unvermeidlichen Zynismus) wohl eher weniger geeignet. Ich gehe deshalb von der dritten möglichen Variante aus, dass nämlich M-W die moralischen Schwerpunkte genau in jenen Vorkommnissen sehen, mit denen sie ihre negative Bewertung bzw. Relativierung der israelischen Seite begründen.

 

Allerdings werden auf dieser Ebene die Fakten, und mehr noch deren Bewertung (also insbesondere die Frage, inwieweit Israel als rechtsverletzender Aggressor oder in legitimer Selbstverteidigung handelt) wohl immer umstritten bleiben. Wer sich darauf einlässt, die Auseinandersetzung um die moralische Wertigkeit der israelischen im Vergleich zur palästinensischen Position auf dieser lediglich abgeleiteten Ebene zu führen, riskiert, dass sein Standpunkt in den Augen einer wenig informierten und nicht sonderlich interessierten Öffentlichkeit im Laufe der Diskussion unklar oder gar fragwürdig erscheint. Die Gefahr ist groß, dass man der Lobby Munition für ihre Nebelwerfer liefert, zumal man mit Schilderungen und Bewertungen von Terror und Gegenterror (oder "legitimer Gegenwehr"??) in Israel und den von Israel besetzten Gebieten während der letzten 40 Jahre wahrscheinlich ganze Bibliotheken füllen kann.

 

Nur wer den Mut hat, die Erb- oder Ursünde, die "original sins" oder die "original injustice" Israels, nämlich den Palästinensern ihr Land weggenommen zu haben, mit der gleichen bewundernswerten intellektuellen und moralischen Radikalität zu beschreiben[27], wie das einige amerikanische Juden, die aus ethischen Gründen in Opposition zum Zionismus stehen, auf der Webseite "ifamericansknew" tun[28] ("The Origin of the Palestine-Israel Conflict"), gewinnt eine unzweideutige und kaum angreifbare Position in der ethischen Dimension der Debatte.

 

 

Warum scheiterte der Friedensprozess (Oslo, Camp David)?

Es erscheint sinnvoll, diese Frage mit einer Betrachtung der israelischen Siedlungspolitik zu verbinden. Jedenfalls nach meinem Eindruck als oberflächlicher Zeitungsleser haben die Israelis, während über "Frieden" geredet wurde, durchgängig fleißig jüdische Siedlungen im Westjordanland gebaut.[29]

 

Ami Isseroff, ein Israeli und Zionist (aber kein Hardliner, wie ich sie hier mit dem gelegentlich verwendeten Begriff "zionistische Lobby" zu erfassen suche), behandelt in seinem Aufsatz "Don’t Just Stand There

" auf der Webseite MidEastWeb unter "some basic preconditions for meaningful negotiations" u. a. auch die Frage der Siedlungen, und zwar wie folgt:

"Discouraging Settlements and Settler Ideology - Settlements and settler ideology are injurious to peace and to Israeli society. The US [must?] make it much clearer to the Israeli government and public, through repeated statements and through focused economic sanctions, that they will not stand for extensive Israeli annexations in the West Bank and Gaza. Israelis must understand that investing in settlements and settlers is a dead-end investment in a dead-end ideology." [Hervorhebungen von mir] Daraus wird u. a. deutlich, dass nicht nur in den Augen von Mearsheimer und Walt (und zweifellos der Mehrzahl der Europäer) die USA bislang der israelischen Strategie einer Gebietserweiterung durch Siedlungspolitik allzu nachsichtig gegenüber gestanden haben (um es mal sehr zurückhaltend zu formulieren).

 

Mearsheimer-Walt führen zum Thema Friedensprozess (bzw. zur Frage der israelischen Bereitschaft, den Palästinensern "Land gegen Frieden" zu gewähren) u. a. aus:

"... even Prime Minister Yitzhak Rabin, who signed the 1993 Oslo Accords, nonetheless opposed creating a full-fledged Palestinian state. Pressure from extremist violence and the growing Palestinian population has forced subsequent Israeli leaders to disengage from some of the occupied territories and to explore territorial compromise, but no Israeli government has been willing to offer the Palestinians a viable state of their own. Even Prime Minister Ehud Barak’s purportedly generous offer at Camp David in July 2000 would only have given the Palestinians a disarmed and dismembered set of “Bantustans” under de facto Israeli control." (S. 11)

In der zugehörigen Schlussnote 40 (S. 52 oben) informieren M-W die Leser, dass

"Barak himself said after Camp David that 'the Palestinians were promised a continuous piece of sovereign territory except for a razor-thin Israeli wedge running from Jerusalem through from Maale Adumim to the Jordan River,' which effectively would have been under Israel’s control."

 

Umfassende Informationen über die verschiedenen Friedensverhandlungen bringt die (englischsprachige) Wikipedia (die deutschsprachige zum Teil auch). Eine Link-Übersicht enthält der Eintrag "List of Middle East peace proposals". Eine zusammenfassende Darstellung bietet das Stichwort "Peace process in the Israeli-Palestinian conflict".

Außerdem gibt es noch zwei Artikel über die Bewertung des Friedensprozesses durch die beiden Seiten: "Palestinian views of the peace process" und früher "Israeli views of the peace process", wobei der letztere Link aber zu dem Stichwort: "International law and the Arab-Israeli conflict" führt (08/2006).

Die Einzelheiten, was Israel bei den Verhandlungen in Camp David im Jahre 2000 (und bei deren späterer Fortsetzung in Taba) angeboten hat oder nicht, sind umstritten. Fraglich scheint auch, ob Arafat abschlussbereit gewesen wäre, wenn die Israelis das angeboten hätten, was in der öffentlichen Meinung zumindest in Europa und vielleicht auch in den USA wohl als Maximum der Kompromissbereitschaft von Israel verlangt und als Maximum des für die Palästinenser Erreichbaren und legitimer Weise Anzustrebenden angesehen wird, nämlich die Rückkehr zu den Grenzen von 1967. Eine Wiedereingliederung der Masse der palästinensischen Flüchtlinge[30] in Israel wird – aus guten praktischen Gründen, selbst von israelischen "Tauben" ausgeschlossen[31] (wenn auch vielleicht nicht von allen – da habe ich keinen Überblick).

 

Wünschenswert wäre es gewesen, wenn Israel seine Angebote an die Palästinenser öffentlich auf den Tisch gelegt hätte; oder wenn zumindest die US-Regierung bei diesen Verhandlungen die Bereitschaft der Palästinenser ausgelotet hätte, die Grenzen von 1967 – evtl. mit Ausnahme Jerusalems – und eine pragmatische Lösung des Flüchtlingsproblems zu akzeptieren. Man hat den Eindruck, dass die USA das unterlassen haben, weil sie tendenziell eher auf der israelischen Seite standen.

 

Besonders misstrauisch hinsichtlich der israelischen Friedensbereitschaft stimmt mich die Tatsache, dass Israel äußerst reserviert auf einen Vorstoß der arabischen Staaten im Jahre 2002 reagiert hat.

In dem Wikipedia Eintrag zum "Beirut Summit" liest man dazu mit Verwunderung (21.08.06):

"The Beirut Summit was a March, 2002 summit meeting, held in Beirut, Lebanon, between leaders of Arab nations to present plans to defuse the Israeli-Palestinian conflict. It was notable for the adoption, by the Arab states attending, of a proposal offering a comprehensive peace between the Arab nations and Israel, the Arab Peace Initiative.

The proposal, from Saudi Arabia (itself something of a novelty, as the Saudis usually prefer to be less forward on the world diplomatic stage) stated that should Israel:

-        withdraw from all territories occupied since the 1967 Arab-Israeli war,

-        provide a just solution to the Palestinian refugee problem, and

-        recognize the establishment of a sovereign and independent Palestinian state in the West Bank and Gaza Strip

then the Arab countries would in turn recognize Israel, enter into peace agreements with it, and establish normal relations with it.

In response, Israeli Foreign Minister Shimon Peres welcomed it and said: "... the details of every peace plan must be discussed directly between Israel and the Palestinians, and to make this possible, the Palestinian Authority must put an end to terror, the horrifying expression of which we witnessed just last night in Netanya," referring to Netanya suicide attack perpetrated on previous evening which the Beirut Summit has failed to address."

Auch wenn in einem Klima des Terrors Friedensvorschläge innenpolitisch nicht einfach zu "verkaufen" sein mögen, finde ich es ungeheuerlich, dass Israel die Araber derart vor den Kopf gestoßen hat. Denn trotz des "welcomed it" muss die Reaktion (vorausgesetzt, die Wikipedia-Darstellung ist zutreffend) auf die arabischen Politiker, die es ihrerseits sicherlich nicht leicht hatten diese Vorschläge innenpolitisch zu vertreten und die sich insoweit m. E. "weit aus dem Fenster gelehnt" haben, den Arabern als eine empfindliche Brüskierung erschienen sein. Diese israelische Reaktion ist um so befremdlicher, als es ohne die anderen arabischen Staaten keinen Frieden geben kann. Einen großen Teil der Palästina-Flüchtlinge[32] müssten nämlich die arabischen Länder dauerhaft aufnehmen. Leider ist aus dem Wikipedia-Text nicht erkennbar, wie Washington den Beiruter Gipfel kommentiert und ob es Israel zu einer konzilianteren Haltung gedrängt hat. Aber selbst wenn, kann der Druck auf Israel nicht sonderlich groß gewesen sein.

 

 

Siedlungspolitik Israels im Westjordanland

 

In einem Brief der US-Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ vom 27.12.2005 an Präsident Bush u. d. T.: „Israel: Expanding Settlements in the Occupied Palestinian Territories" werden u. a. einige Fakten über die aktuelle israelische Siedlungspolitik im Westjordanland präsentiert, die mir jedenfalls nicht bekannt waren[33].

 

Auf der Webseite der Washingtoner "MERIP" (Middle East Research and Information Project, ein tendenziell wohl eher Palästinenser-freundliches Institut) gibt es einen "Primer", eine Basisinformation, u. d. T. "What Are Settlements

?". Bemerkenswert aus den dort präsentierten Infos war für mich, dass nicht nur die rechten, sondern auch die linken Regierungen in Israel den Bau von Siedlungen im Westjordanland vorangetrieben haben, und dass "Under the Labor administration of Yitzhak Rabin, settlements grew at a rate unprecedented in Israel's occupation".

[Vgl. auch den MERIP-Aufsatz "Israeli Settlements Illegal and Getting Worse" von Stephanie Koury, ursprünglich erschienen im Topeka Capital-Journal (09/24/05), Northwest Arkansas Times (09/25/05) und bei (was immer das sein mag:) Minuteman Media.]

 

Umfangreiche Informationen (zu umfangreich für mich; ich vermisse – oder habe lediglich nicht gefunden? – eine zusammenfassende Darstellung) bietet die Webseite der "Foundation for Middle East Peace".

Die Entwicklung der Einwohnerzahlen der Siedlungen findet man auch auf der Webseite der "Jewish Virtual Library".

In Israel gibt es eine Reihe von Gruppen, die (wenngleich offenbar eine deutliche Minderheit innerhalb der israelischen Bevölkerung) für substantielle Zugeständnisse Israels beim Erreichen einer friedlichen Lösung eintreten. Eine davon ist das "IPCRI"[34] ("Israel/Palestine Center for Research and Information"). Auf dessen Webseite kritisierte einer der beiden (jeweils paritätisch ein palästinensischer und ein israelischer) "Chief Executive Officer", nämlich der Israeli Gershon Baskin, in einem Aufsatz vom 01.11.2000 die israelische Siedlungspolitik u. d. T. "Negotiating the Settlements. The Success of Right-Wing Political Entrapment Against Peace". Über das (auch von M-W kritisierte) Angebot des israelischen Ministerpräsidenten Barak im Jahre 2000 in Camp David schreibt er:

"In Palestinian eyes, the Barak offer created not islands of Israeli sovereignty but a series of at least three Palestinian “sovereign cages”. There would be no real Palestinian territorial contiguity.  They would not have control and sovereignty on main arteries of transportation." [Hervorhebung von  mir]

Sein Aufsatz schließt mit den Worten:

"The curse of the settlements will cost Israel and Palestine peace – at least for the foreseeable future. ..... One day – perhaps, it will be written that 180,000 Jewish settlers prevented peace for millions of Israelis and Palestinians. How tragic."

 

Man kann allerdings die Möglichkeit nicht gänzlich ausschließen, dass ausgerechnet die Siedlungspolitik, welche wir als Friedenshindernis wahrnehmen, ein Katalysator für den Friedensprozess wird. Indem die Israelis "Siedlungen gegen Frieden" aufgeben müssten, hätten auch sie echte, für die Palästinenser sichtbare Opfer gebracht (wenn auch aus einer Situation heraus, die sie selbst geschaffen haben). Ich glaube zwar nicht, dass das die Intention der verschiedenen israelischen Regierungen war, welche die Anlage jüdischer Siedlungen im Westjordanland geduldet oder gefördert haben. Aus der Sicht der Siedler wäre es blanker Zynismus, wenn sie sich wie disponible Schachfiguren für einen zukünftigen Frieden betrachten müssten. Nicht, dass ich Politiker nicht jeden Grades von Zynismus für fähig hielte; ich halte sie lediglich nicht für hinreichend weitsichtig, bzw. ihren Planungshorizont nicht für hinreichend langfristig, um solche Konsequenzen in ihre Überlegungen einzubeziehen. Aber unabhängig von dem, was die Akteure gedacht und gewollt haben, könnten (in einer freilich innenpolitisch in Israel nur schwer durchsetzbaren "Wende") die Siedlungen eines Tages als nützliche Bauernopfer im Friedensspiel eingesetzt werden bzw. dienen.

 

Tatsächlich sehen auch die Israelis selbst einen (freilich etwas anderen als den oben aufgezeigten) möglichen positiven Zusammenhang zwischen Siedlungen und Friedensbereitschaft der Araber. Dazu ein Zitat aus der Webseite der Jewish Virtual Library (die man wohl als repräsentativ für die israelische Perspektive ansehen darf) über "Settlements":

"Settlement activity may be a stimulus to peace because it forced the Palestinians and other Arabs to reconsider the view that time is on their side. References are frequently made in Arabic writings to how long it took to expel the Crusaders and how it might take a similar length of time to do the same to the Zionists. The growth in the Jewish population in the territories forced the Arabs to question this tenet. 'The Palestinians now realize,' said Bethlehem Mayor Elias Freij, 'that time is now on the side of Israel, which can build settlements and create facts, and that the only way out of this dilemma is face-to-face negotiations'." [Hervorhebung von mir]

Freilich können solche Äußerungen ebenso gut bloß als clevere Rechtfertigungen der Siedlungspolitik vorgetragen worden sein. Dafür spricht der Umstand, dass eine Bereitschaft Israels, sich auf die Grenzen von 1967 zurück zu ziehen, , anscheinend selbst dann nicht vorhanden ist, wenn man Ost-Jerusalem ausnehmen würde. In dem zitierten Text "Facts About Settlements" der Jewish Virtual Library lesen wir nämlich auch, dass

"It is inconceivable that Israel would evacuate large cities such as Ariel, with a population of more than 20,000, even after a peace agreement with the Palestinians ..." und

"Those [settlements] closest to the 1967 border, and especially those surrounding Jerusalem, however, are generally regarded as justified on a variety of grounds and are likely to be incorporated within the ultimate boundary of Israel." [Hervorhebung von mir]

 

Die Meinung von Mearsheimer und Walt zur israelischen Siedlungspolitik drückt sich z. B. in einem Satz wie diesem aus:

There is a moral dimension here as well. Thanks to the Lobby, the United States has become the de facto enabler of Israeli expansion in the occupied territories, making it complicit in the crimes perpetrated against the Palestinians. (S. 41). [Hervorhebung von mir]

Auch wenn ich Zweifel daran hege, dass die zionistische Lobby in den USA einen wesentlichen (direkten) Anteil an dem Entschluss zur Besetzung des Irak gehabt hat: dass Israel seine Kolonisierungspolitk im Westjordanland nicht ohne die massive politische und finanzielle Unterstützung der USA durchführen könnte, halte ich für ausgemacht. Und dass die verschiedenen US-Regierungen eine ausgewogenere Haltung einnehmen würden, wenn nicht die Lobby auf diesen Aspekt der amerikanischen Nahostpolitik einen starken Einfluss hätte, scheint mir gleichfalls sicher.[35]

 

 

Eine palästinensische Stimme (von der Webseite "The Electronic Intifada") zu den jüdischen Siedlungen im Westjordanland: "Violence, settlements and peace", von Ali Abunimah, ursprünglich erschienen in "The Chicago Tribune" vom 06.06.2003, meint zur Siedlungspolitik u. a.:

"By defining a few of its smaller West Bank and Gaza settlements as "unauthorized" according to Israeli law, Israel hopes to distract attention from the major construction that is going ahead, and convey the impression that the vast majority of the settlements are somehow "legal" and therefore not a key issue."

Einen derartigen Eindruck muss man in der Tat gewinnen, wenn man sich die Siedlungspolitik der israelischen Regierungen jeglicher Couleur anschaut.

 

Ein deutscher Experte, Prof. Dr. Udo Steinbach, Direktor des Deutschen Orient-Instituts (Hamburg), erläutert in seinem Aufsatz "Die islamische Welt und der internationale Terrorismus" (S. 28ff. in dieser pdf-Publikation der Evangelischen Akademie Tutzing aus dem Jahre 2004) die Hintergründe des Islamistischen Terrors gegen den Westen. Auch er sieht, genau wie John J. Mearsheimer und Stephen M. Walt in dem Nahost-Konflikt (bzw. ganz spezifisch in der Intransigenz Israels und der unausgewogenen US-Politik) eine wesentliche Ursache für die Konfrontation:

"Die fortgesetzte israelische Siedlungspolitik und Landnahme; die anhaltenden Schikanen gegenüber der palästinensischen Bevölkerung und die Weigerung der internationalen Gemeinschaft insgesamt, sich für eine »gerechte« Lösung mit Nachdruck einzusetzen, haben weithin den Eindruck einer Verschwörung gegen »die Araber« hervorgerufen. ........

Die Fortsetzung der Besiedlung in Palästina trotz eines »Friedensprozesses«, die unausgesetzten Schikanen der israelischen Militärs in den besetzten Gebieten sowie schließlich die von arabischen Sendern weitesthin verbreiteten Bilder der brutalen israelischen Antwort auf die Terrorattentate haben die Stimmung verschärft. .....

Die Widersprüche amerikanischer Politik - nicht zuletzt in Palästina - und der Aufmarsch zur Absetzung des diktatorischen Regimes in Bagdad, das bei aller Brutalität mit dem Terror von al-Qa‘ida nicht in Verbindung gebracht werden konnte, haben in weitesten Teilen der islamischen Welt die Wahrnehmung genährt, es gehe um etwas anderes als den Kampf gegen den Terror. Nicht zuletzt angesichts der Unwilligkeit des amerikanischen Präsidenten, der israelischen Besatzungsarmee in Palästina in den Arm zu fallen, sind die Stimmen derer lauter geworden, die in der amerikanischen Agenda einen »Kampf gegen den Islam« sehen." [36] [Hervorhebungen von mir]

 

 

 

Zum Wirken der Lobby[37]

 

"One of the most difficult, if not impossible, tasks in the realm of political or social sciences, which are anything but scientific, is to logically demonstrate a point" schreibt Gilles d'Aymery in seiner Buchbesprechung (Teil II vom 10.05.2004) des Aufsatzbandes "The Politics Of Anti-Semitism", herausgegeben von Alexander Cockburn & Jeffrey St. Clair (2003).

 

Recht hat er; aber wenn man sich mit dieser Einsicht zufrieden gibt, und die Hände in den Schoß legt, hat natürlich die Lobby gänzlich freies Feld.

 

Zunächst einmal ist es in gewisser Hinsicht irreführend, wenn man die verschiedenen Einflussnahmen von Partikularinteressen ("special interest groups") auf die Politik ohne weitere Unterscheidung einfach unter dem Begriff "Lobby" subsummiert. Für den vorliegenden Zusammenhang zeigt sich, dass mindestens -2- Arten von "Lobby" unterschieden werden müssen, nämlich

 

- Eine (mehr oder weniger) rein professionelle (meist auf die Förderung wirtschaftlicher Interessen gerichtete) Lobby, die (im Großen und Ganzen) nur von den finanziellen Mitteln der dahinter stehenden Interessen lebt, einerseits (Beispiele: Öl-Lobby, Pharma-Lobby, Lobby der Kriegswaffenproduzenten usw.). Der Vorteil dieser Art Lobby im politischen Spiel ist, dass sie sich weitgehend auf das Wirken in den Hinterzimmern der Macht beschränken kann[38]. Wenn also die Öl-Firmen eine Irak-Invasion wollen, werden sie keine Anzeigen- und Kommentarkampagnen dafür fahren, sondern die Entscheidungsträger im stillen Kämmerlein beknien. Dieser 'Vorteil' ist zugleich aber auch eine Schwäche: in aller Regel kann diese Art von Lobby keine Demonstranten und Wähler mobilisieren, und nicht einmal Arbeitnehmer von Waffenfabriken würden z. B. für den Irak-Krieg demonstrieren.

 

- Der 'Profilobby' steht andererseits jene Art von Lobby gegenüber, die auch ohne "Lobby" im engeren Sinne existieren würde: Schusswaffenfreunde (NRA – National Rifle Association), Rentner (AARP - American Association of Retired Persons) usw. Selbst wenn die in diesen Zusammenhängen von der Gesetzgebung betroffenen Personen keine organisierte Lobby in Washington hätten, würden viele davon bei einer Wahlentscheidung oder bei Zuwendungen an Politiker natürlich darauf achten, was diese in der Vergangenheit für ihre Interessen getan haben und was sie ihnen für die Zukunft versprechen. Faute de mieux[39] setze ich hierfür mal den Begriff 'Massenlobby' ein. Diese Art von Lobby muss natürlich ihre Ziele öffentlich machen und in der Öffentlichkeit offensiv vertreten.

 

Partikularinteressen, die im Prinzip auch ohne eine "Lobby" i. e. S. vorstellbar (aber mit einer solchen natürlich politisch erheblich schlagkräftiger) sind, dürften in aller Regel weitaus wirkungsmächtiger sein als rein professionelle Lobbys. Es ist deshalb schon vom Grundsätzlichen wenig überzeugend, wenn verschiedentlich in der Argumentation gegen Mearsheimer und Walt der Eindruck erweckt wird, als ob die Öl-Lobby oder die Lobby der Kriegswaffenproduzenten von ihren Wirkmöglichkeiten her ohne weiteres mit der zionistischen Lobby vergleichbar oder wegen des größeren Einsatzes an finanziellen Mitteln überlegen sei. Das heißt zwar nicht, dass z. B. die Entscheidung für den Irak-Krieg auf Drängen der zionistischen Lobby und nicht etwa wegen der Öl-Interessen erfolgt sein muss. Es bedeutet aber z. B., dass das bloße Vorhandensein einer Öl-Lobby und die Tatsache, dass es im Irak große Erdölfelder gibt, noch lange kein Beweis für die Dominanz der Ölinteressen bei der Kriegsentscheidung ist. Oder anders gesagt: der rein abstrakte Hinweis auf die Existenz und die möglicher Weise gleich gerichteten Interessen anderer Lobbys an einer bestimmten Politik ist kein Beweis dafür, dass diese anderen Lobbygruppen, und nicht die zionistische Lobby (zusammen mit Neocons und christlichen Zionisten), eine bestimmte politische Maßnahme herbei geführt hat.

 

Im übrigen muss man, immer noch im Rahmen einer ganz allgemeinen logischen Übersicht der denkbaren Wirkzusammenhänge zwischen Lobbys und Politik, die Möglichkeit eines Zusammenwirkens verschiedener Interessen und verschiedener Lobbys zu einem bestimmten Ergebnis im Auge behalten. Dieses Zusammenwirken kann gleichgerichtet sein; theoretisch kann aber ein bestimmtes Ergebnis auch die Resultierende von "Vektorkräften" sein, die in verschiedene Richtungen arbeiten.

 

Für den vorliegenden Zusammenhang erscheint es mir zweckmäßig, mindestens -3- Dimensionen bei der Beurteilung der zionistischen Lobby (bzw. bei Ziff. 1 + 2 auch der anderen Lobbys) zu unterscheiden, nämlich

 

1) eine (wie auch immer zu bestimmende) "objektive" Stärke.

Zur objektiven Stärke der Lobby liefern M-W eine besonders gelungene gewissermaßen ‚polit-mathematische’ Beschreibung der Entscheidungsprozesse in einer Demokratie in dem Passus:

The US form of government offers activists many ways of influencing the policy process. Interest groups can lobby elected representatives and members of the executive branch, make campaign contributions, vote in elections, try to mould public opinion etc. They enjoy a disproportionate amount of influence when they are committed to an issue to which the bulk of the population is indifferent. Policymakers will tend to accommodate those who care about the issue, even if their numbers are small, confident that the rest of the population will not penalise them for doing so.(Dieses Zitat aus der 'volkstümlichen' Fassung ihrer Studie in der London Review of Books; Entsprechendes steht in der Studie selbst auf S. 16 oben.)

 

2) Die Einschätzung der Lobbywirkung durch diese selbst bzw. deren Eigendarstellung sowie schließlich, nur für den vorliegenden Zusammenhang,

 

3) die Frage, wieso (nicht nur!) M-W die Macht der zionistischen Lobby als bestimmenden Faktor in der US-Nah- und Mittelost-Außenpolitik wahrgenommen haben. (Dieser Punkt vor dem Hintergrund von tatsächlichen und/oder denkbaren Einwänden, dass die Lobby gar nicht existiert, oder dass sie nicht so wirkungsstark sei wie angenommen, oder nicht den Irak-Krieg usw. propagiert habe.)

 

 

Allerdings werden zur Macht der Lobby nicht nur von dieser selbst auch gegenteilige Meinungen geäußert. Ein Beispiel ist der Aufsatz von Stephen è Zunes, "The Israel Lobby: How Powerful is it Really?“ in der Zeitschrift "Foreign Policy in Focus" vom 16.05.2006. Zunes trägt dort eine Reihe von Gründen vor, die gegen die Annahme einer derart starken Rolle der Lobby sprechen, wie sie M-W unterstellen.

 

Als Außenstehender und ohne eine tiefe Kenntnis der Entscheidungsprozesse und Einflussmöglichkeiten in der US-Politik kann ich die Zusammenhänge nicht im Detail analysieren und bewerten. Indes muss man, nach dem Grundsatz "Wo Rauch ist, ist auch Feuer", beispielsweise aus der relativen Gleichgültigkeit der US-Politik gegenüber massiven israelischen Menschenrechtsverletzungen und gegenüber der eindeutig völkerrechtswidrigen und provokativen israelischen Siedlungspolitik im Westjordanland den Schluss ziehen, dass diese an sich unverständliche Passivität, welche die Glaubwürdigkeit der amerikanischen Außenpolitik (nicht nur) in den Augen der arabischen Welt erheblich beeinträchtigt, dem erfolgreichen innenpolitischen Wirken der zionistischen Lobby zu verdanken ist.

 

Logisch schlüssig attackiert ein gewisser Hussein Ibish, anscheinend ein Amerikaner arabischen Ursprungs, u. d. T. "Is Arab-American irrelevance our goal?" (der Artikel ist unten in diesem Blog wiedergegeben, weil er an seinem ursprünglichen Erscheinungsort nur für Abonnenten zugänglich ist) den Widerspruch zwischen der eigenen Einschätzung der zionistischen Lobby bezüglich ihrer Effektivität und ihrer nunmehr gegen M-W ins Feld geführten angeblichen relativen Wirkungslosigkeit:

"The preposterous argument offered by some pro-Israel commentators is that hundreds of millions of dollars, innumerable man-hours and relentless organizing at every level of society, over many decades, has had no significant role in producing the staunchly Israel-centric American policies of recent years - allegedly no more than natural expressions of Americans' love of Israel. An insult to one's intelligence, this proposition holds that the intended effect was not produced by its putative cause.

If this were true, then the American Israel Public Affairs Committee (AIPAC) is not a great political force but a remarkable fraud and confidence trick: millions of unsuspecting Jewish Americans and their friends have been bilked by unscrupulous grifters continuously begging for money on the false pretense that it is needed to consolidate the U.S.-Israel relationship. Call the cops!" [40]

[Hervorhebungen von mir]

 

 

"Split Loyalties"?

Bindungen an -2- "Vaterländer" zu haben, ist für sich genommen nichts Verwerfliches. Durchaus vorstellbar ist, dass gerade dieses Bewusstsein der unterschiedlichen Wurzeln im Gegenteil eine Bereicherung für die amerikanische Kultur darstellt. Es ist z. B. auch in keiner Weise verwerflich, wenn etwa die Kurden hier bei uns versuchen, Deutschland auf ihre Seite zu ziehen und zu Schritten gegen die Unterdrückung ihrer Volksgruppe in der Türkei zu bewegen. Erst dann, wenn Bürger kurdischer Abstammung eine massive Schädigung vitaler deutscher Interessen durch solche Maßnahmen wissentlich herbeiführen oder billigend in Kauf nehmen würden, wäre eine Grenze erreicht und überschritten, wo man über Verbote usw. nachdenken müsste. Eine bewusste Agitation gegen die US-Interessen wird jedoch von Mearsheimer und Walt nicht einmal dem jüdischen Teil der Pro-Israel-Lobby unterstellt, und den Neo-Konservativen und christlichen Zionisten natürlich erst Recht nicht.[41] Aber das versuchen die Gegner von M-W natürlich in einem anderen Licht erscheinen zu lassen.

 

Dabei war die Diskussion um die Lobby und um mögliche gespaltene Loyalitäten bereits lange vor der Studie von M-W aufgeflackert. Schon z. B. in der Ausgabe vom 03.09.2004 des Newsletters "CounterPunch" hatte Stephen Green u. d. T. "Serving Two Flags. The Bush Neo-Cons and Israel" die Bindungen einer Reihe von Personen, welche auch von M-W "der Lobby" zugerechnet werden (Dougls Feith, Michael Ledeen, Richard Perle, Paul Wolfowitz), zu Israel untersucht. Er schließt seine Ausführungen wie folgt:

"Many individuals with strong attachments to foreign countries have served the U.S. Government with honor and distinction, and will certainly do so in the future. The highest officials in our executive and legislative branches should, however, take great care when appointments are made to posts involving sensitive national security matters. Appointees should be rejected who have demonstrated, in their previous government service, a willingness to sacrifice U.S. national security interests for those of another country, or an inability to distinguish one from the other." [Hervorhebung von mir.][42]

 

 

US-Interessen

Diese objektiv zu bestimmen, ist natürlich eines der Kernprobleme bei der Bewertung des Wirkens der Lobby. Die weitere Frage ist dann allerdings, wie die US-Regierung die Interessenlage beurteilt und welche politischen und militärischen Maßnahmen welchem konkreten Interessenverständnis der Regierung entspringen bzw. schlüssig zugeordnet werden können.

Eindeutig objektiv erkennbar ist das Interesse an einer dauerhaften Ölversorgung zu möglichst günstigen Preisen.[43] Daraus folgt allerdings nicht zwingend, dass z. B. der Einmarsch in den Irak unmittelbar der Sicherung der dortigen Ölquellen für die US-Versorgung dienen sollten.

Und erst recht kann man sich über eine mehr globale Lagebeurteilung trefflich streiten, insbesondere was den Zeithorizont und die Kausalitäten angeht: hält Israel die arabischen Staaten als regionaler Wachhund der USA im Zaum – oder reizt es die Araber dermaßen auf, dass die Amerikaner als Nibelungenbrüder der Israelis wahrgenommen und entsprechend tief in den Konflikt hineingerissen werden? Und welche Funktion hat Israel ggf. aus der Sicht der Entscheider in der US-Regierung für die Wahrung bzw. Durchsetzung amerikanischer Interessen im Nahen Osten?

 

Überhaupt steht schon am Anfang der Analyse die Frage, wie die Fragestellung (wenn man von einer Nicht-Übereinstimmung der 'wahren' amerikanischen Interessen mit den von der israelischen Regierung formulierten israelischen Interessen[44] ausgeht) überhaupt richtig anzupacken ist: handeln die USA aus lauterer Liebe zu Israel oder hat die Lobby die politischen Kompassnadeln der US-Regierung (und der amerikanischen Öffentlichkeit) in eine falsche Richtung umgepolt, so dass die Interessen Israels (d. h. in der Form, wie sie von der israelischen Regierung verstanden werden) fälschlich als eigene Interessen wahrgenommen werden?

Mir scheint, dass Mearsheimer und Walt eher von letzterem Szenario ausgehen. Dieses lässt übrigens durchaus die Möglichkeit offen, dass die Lobby oder Teile davon "bona fide" handeln mögen, wenn sie die Interessen Israels mit denen der USA – weitgehend – gleich setzen. Die Lobby oder viele oder die meisten oder fast alle oder – denkmöglich – sogar alle 'Mitglieder' (auf jeden Fall aber – aus unterschiedlichen Gründen - die Neokonservativen und die christlichen Zionisten) mögen davon ausgehen, dass es im Interesse der USA liegt, die expansionistische Politik Israels nicht zu bremsen und im Ergebnis finanziell und politisch sogar zu unterstützen. Das entlastet sie subjektiv von einem denkbaren (von M-W aber gar nicht erhobenen!) Vorwurf des "Vaterlandsverrats". Objektiv ändert es natürlich nichts daran, dass alle jene, welche Amerikas Interessenlage anders sehen, berechtigt sind, "die Lobby" zu bekämpfen.

 

 

Irak 2003: The WHATFORWAR oder die UMZUWAS-INVASION[45]

Es waren nicht Mearsheimer und Walt, welche die Debatte darüber losgetreten haben, ob und ggf. in welchem Umfang der Einmarsch in den Irak (auch) durch israelische Interessen(vertretungen) ausgelöst wurde.[46] Bei M-W bekommt sie jedoch ein besonderes Gewicht und nimmt einen ziemlich breiten Raum ein:

 

"Pressure from Israel and the Lobby was not the only factor behind the U.S. decision to attack Iraq in March 2003, but it was a critical element": mit diesem Satz leiten Mearsheimer und Walt ihr Kapitel "The Lobby and the Iraq War" ein (S. 31; Hervorhebung von mir). Es beginnt auf S. 31 und endet auf S. 38 (von insgesamt 42 Textseiten). Daran, wie auch an der Zahl der Erwähnungen (jeweils einschließlich der abgeleiteten Wortformen) von "Iraq" usw., nämlich 147 (zum Vergleich: "Syria" usw. = 82; "Iran" usw. = 76) sieht man, dass der aktuelle Anlass des Irak-Krieges der vorrangige Gegenstand der Überlegungen von M-W war. (Die Begriffe "Israel" usw. treten naturgemäß noch häufiger in Erscheinung, nämlich 706 mal).

 

Der Abschnitt über die Vorgeschichte des Irak-Krieges schließt mit den Worten

"... there is little doubt that Israel and the Lobby were key factors in shaping the decision for war. Without the Lobby’s efforts, the United States would have been far less likely to have gone to war in March 2003" (S. 38, Hervorhebung von mir).

 

Diese äußerst sorgfältige Wortwahl von M-W sollte beachten, wer wirklich am Inhalt und Sinn der Studie der Professoren Mearsheimer und Walt interessiert ist. M-W sagen nicht, dass "Israel [oder die Lobby] die USA in den Irak-Krieg getrieben" hat. Ebenso wenig behaupten sie, dass die Lobby der allein bestimmende Faktor für den Entschluss zur Irak-Invasion war. Sie behaupten nicht einmal, dass die Lobby "the" critical element in diesem Prozess gewesen sei, sondern bezeichnen sie als "a" critical element.

Wenn man gelesen hat, wie zionistische Hardliner sich (in anderen Zusammenhängen) am Vorhandensein oder Fehlen des bestimmten Artikels hochziehen[47], wundert man sich (oder auch nicht), dass einige gegnerische Exegeten der Studie von M-W jenen Behauptungen unterschieben, die sie gar nicht aufgestellt haben (vgl. z. B. . Prof. Alan è Dershowitz).

 

Kehren wir indes zu den Formulierungen von Mearsheimer und Walt zurück. Die stellen auf das Entscheidende ab, und das ist nicht die (ohnehin – zumindest derzeit – nicht zu beantwortende) Frage, ob "(in erster Linie) die Lobby die USA in den Krieg getrieben hat", sondern:

"Wären die USA ohne das Wirken der Lobby in den Irak einmarschiert?"

 

Eine solche Formulierung lässt, wie es bei einer um Präzision bemühten Aussage auf diesem Feld auch nicht anders sein kann, eine große Bandbreite von Möglichkeiten offen. Die zionistische Lobby könnte also (wenn denn der Anteil als quantifizierbar gedacht wird) mit 5% oder mit 95% für die Invasionsentscheidung verantwortlich angesehen werden.

 

Nicht übersehen werden darf auch die klare Aussage von M-W (die damit auch eine Grenze der Lobby-Macht aufzeigen), dass erst durch den Anschlag der Al-Qaida, also der Anhänger von Osama Bin Laden, auf das World Trade Center ("Twin Towers") in New York vom 11.09.2001[48] die politischen Voraussetzungen für den Irak-Krieg geschaffen wurden ("As important as the neoconservatives were for making the Iraq war happen, they needed help to achieve their aim. That help arrived with 9/11. Specifically, the events of that fateful day led Bush and Cheney to reverse course and become strong proponents of a preventive war to topple Saddam" – S. 32). [49]

 

 

Mit der These von Mearsheimer und Walt, dass "the war was motivated in good part by a desire to make Israel more secure" (S. 30), habe ich (im Ergebnis genau wie Stephen èZunes, wenn auch nicht unbedingt aus den gleichen Gründen) allerdings ganz erhebliche Probleme. So weit geht die Liebe der US-Regierung und der US-Abgeordneten zu Israel wohl doch nicht, dass die ihr eigenes Land in einen äußerst kostspieligen und im Ausland wie auch (damals zwar noch nicht, aber doch schon damals vorhersehbar zunehmend in der Zukunft) im Innern unpopulären Krieg stürzen, nur um Israel sicher zu machen.

 

Ganz unstreitig (vermutlich auch bei M-W) dürfte, was die Irak-Invasion der USA angeht, die Feststellung sein, dass es – Israel und zionistische Lobby hin oder her - keinen amerikanischen Einmarsch in den Irak gegeben hätte, wenn es in jener Gegend kein Öl gäbe.

Ebenso hätte es 1991 keinen Golfkrieg ("2. Golfkrieg") gegeben, wenn Kuwait nur ein Stück Wüste wäre.

 

Die Operation "Desert Storm" zur Befreiung Kuwaits im Jahre 1991 war allerdings, im Unterschied zum Irak-Krieg (auch als 3. Golfkrieg bezeichnet) ein "sauberer" Krieg. An dieser Stelle verwende ich freilich den Begriff "sauber" nicht im moralischen, sondern im Sinne von "sauber" erkennbaren Ursachen.[50] Insoweit kann man natürlich auch den 2. Weltkrieg als einen "sauberen" Krieg bezeichnen: man weiß, wer ihn angefangen hat, und worum es diesem ging. Schon vom ersten Weltkrieg gilt das nicht: dessen Ursachen sind (von den vordergründigen Ereignissen, die unmittelbar zum Krieg geführt haben, abgesehen) sehr viel unklarer und werden entsprechend kontrovers diskutiert.

 

Wir müssen uns wohl von der schlichten Vorstellung verabschieden, dass man Kriegsgründe immer nach dem sauberen Whodunit-Muster des 2. Weltkriegs erklären kann. Bevor ich von der Studie von Mearsheimer und Walt erfuhr, und mich nun mit deren Echo in der öffentlichen Meinung (soweit sie im Internet Spuren hinterlassen hat) auseinandersetze, hatte ich mich ziemlich tief in die Kriegsursachenfrage für die US-Invasion in Panama im Dezember 1989 eingelesen.[51] Die Invasion in Panama hatte den hübschen Namen „Operation Just Cause“. Daraus haben Spötter in der Regierungsverwaltung eine „Operation just because“ gemacht, einen „Warum-Darum-Krieg“, wie man übersetzen könnte, oder eine Umzuwas-Intervention. Im Falle Panamas teile ich die Meinung von Peter M. Sanchez („The End of Hegemony?), dass es im Grunde („nur“) um eine Machtdemonstration ging. Der panamesische Machthaber Manuel Noriega hatte den Konflikt mit den USA (gegen die er eigentlich gar nichts hatte) innenpolitisch instrumentalisiert, um seine schwache und ständig abbröckelnde Machtbasis so gut wie möglich zu sichern. Das konnten die USA, zumal in Panama, nicht hinnehmen.

 

Und ebenso dürfte es bei Saddam Hussein u. a. dessen „defiance“ (= "Missachtung, Trotz": ein schon für sich bezeichnender Begriff, weil er das Verhalten der anderen bereits auf der Basis eines Machtgefälles definiert) gewesen sein, welche die USA nicht länger hinnehmen zu können glaubten.[52] Allerdings hatte ich – wie wohl die meisten anderen Beobachter – den Eindruck, dass es bei dem Irak-Krieg (auch dem jetzigen) in allererster Linie um Öl ging (was nicht heißen muss, dass die Lobby der Ölkonzerne für den Einmarsch gewirkt hat!)[53]. Trotzdem sollte man die Möglichkeit (zumindest: des Mitwirkens) des scheinbar "irrationalen" Kriegsgrundes, einfach mal wieder zeigen zu wollen (und als Weltmacht wohl auch gelegentlich zeigen zu müssen), wer der 'Herr im Hause' ist, nicht unterschätzen. Ein Hegemon muss zwangsläufig Probleme allein mit der Tatsache als solcher haben, dass er von einem Diktator wie Saddam Hussein auf Dauer „vorgeführt“ wird.[54]

 

Die Feststellung der wirklichen Kriegsursachen ist also schwierig oder gar unmöglich. Ich vermute, dass der Irak-Krieg (wie seinerzeit der Panama-Krieg) ebenfalls ein 'Vektorkrieg' mit mehreren Ursachen ist. Die Darstellung von Mearsheimer und Walt erscheint immerhin insoweit schlüssig, dass die zionistische Lobby in den USA den Krieg wollte. Legitim ist es dann aber auch, das diesbezügliche Wirken der Lobby in einer wissenschaftlichen Studie herauszuarbeiten. Ebenso ist es legitim, auf (mögliche) Interessengegensätze zwischen den USA und Israel – im Irak-Krieg oder in anderen Zusammenhängen - hinzuweisen. Ob der Anteil der zionistischen Lobby an der Kriegsentscheidung nun 50% oder 10% betrug, ist gewiss ein wesentlicher Unterschied. Wenn aber ohne diese 10% ein Krieg nicht ausgebrochen wäre, sind jene, die ein anderes Verständnis der US-Interessen haben, sicherlich berechtigt, die Lobby schon für diese 10% zu kritisieren.

 

Im übrigen dürfte es im Kontext Israel / Israel-Lobby / Irak-Krieg sinnvoll sein, mindestens -4- Fragestellungen zu unterscheiden und auszuformulieren:

1) Objektives Interesse Israels an der Invasion?[55]

2) Hat sich die israelische Regierung und/oder die zionistische Lobby in den USA für eine Invasion eingesetzt oder nicht?

3) Wenn nicht: wieso ist bei vielen (z. B. M-W) offenbar der gegenteilige Eindruck entstanden?

4) Wenn ja: welchen Anteil hatte die Lobby (bzw. ggf. – auch – die israelische Regierung) an der Kriegsentscheidung der USA?

 

 

Ich schätze Texte mit Agitprop-Elementen nicht besonders, und leider glaubte offenbar Matt Siegfried (der übrigens trotz seines deutschen Familiennamens ein US-Amerikaner ist) in seinem Aufsatz "What's Behind the US War Moves on Iraq?" darauf nicht verzichten zu können (vgl. z. B. ein Satz wie "The runways that launch American bombing sorties on Afghan wedding parties and the prisoner camp in occupied Cuba are built by Halliburton."). Ebenso wenig goutiere ich das Fahnenschwenken sozialistischer Gläubigkeit am Schluss des Artikels. Aber Siegfrieds Analyse derjenigen Kräfte und Interessen, die seinerzeit für (aber auch gegen) die Invasion im Irak eintraten (der Artikel wurde am 29.08.2002, also schon längere Zeit vor der Invasion, veröffentlicht), ist durchaus überzeugend, weil er die Gemengelage in ihrer ganzen Vielfalt erfasst und die Kriegsursachen nicht einfach als Griff nach dem irakischen Erdöl interpretiert: "While strictly economic aims are sometimes simplistically laid out as the primary reasons behind US war policy, and all the proponents of war have a combination of reasons for their advocacy, it would be foolish to underestimate the power of oil interests in shaping American policy." [Hervorhebungen von mir]

 

 

Israel, die USA und Deutschland/Europa und das Streben des Iran nach atomarer Bewaffnung

Zunächst die arabischen und sonstigen Nachbarstaaten, aber auch wir Europäer und ebenso die USA, schulden Israel Dank dafür, dass es die Atomwaffenpläne Saddam Husseins durch die Zerstörung der irakischen Nuklearanlagen vereitelt hat. Nicht dass Saddam Hussein uns angegriffen hätte. Es wäre nur äußerst riskant gewesen, ihn anzugreifen, nachdem er Kuwait erobert und dabei sein ökonomisches Erpressungspotential durch den Besitz noch größerer Erdölvorkommen erweitert hätte. Und nach Kuwait wäre vielleicht Saudi-Arabien an der Reihe gewesen?

Dass für Israel die eigenen Sicherheitsinteressen im Vordergrund standen, ändert also nichts daran, dass es in diesem Falle der gesamten Menschheit einen Dienst erwiesen hat.

 

Im Iran liegen die Verhältnisse anders. Der israelische Militärhistoriker Martin van Creveld äußerst sich dazu in einem Interview der Zeitschrift "Junge Freiheit" vom 20.01.2006 ("Bei Kernwaffen lügen sie alle"; hier frei zugänglich) wie folgt:

 

Frage: "Sie haben in der „Welt“ geschrieben, „angesichts der Machtverhältnisse zwischen beiden Ländern, kann die Idee einer iranischen Bedrohung für die Vereinigten Staaten nur das Produkt einer verirrten Phantasie sein“.

Creveld: "Natürlich, Irans „Shihab 3“-Trägerraketen reichen etwa 1.300 Kilometer weit, das reicht wohl kaum bis Washington ..."

Frage: "... aber bis Israel. Hinter dem von den USA als im Interesse des Westens proklamierten Engagement steckt also allein das Interesse Tel Avivs?"

Creveld: "Nein, so einfach ist es nicht. Sicherlich sieht Washington im Falle einer Bedrohung seines Verbündeten Israel immer auch die eigenen Interessen bedroht, aber das allein ist hier nicht das Motiv. Teherans Griff nach der Atommacht stellt per se eine Verletzung der US-Interessen dar. Erstens weil sich beide Länder seit der Iranischen Revolution 1979 als Erzfeinde betrachten. Zweitens weil sich das weltweite Atompotential, das die USA am liebsten allein auf ihr Land beschränkt sähen, damit weiter erhöht. Drittens weil Washington mittlerweile überall in der Region Militärstützpunkte unterhält, Flottenteile disloziert und das Nachbarland Irak besetzt hat. Außerdem wünschen die USA nicht, dass eine Atommacht Iran in einer Region, in der knapp achtzig Prozent des Weltvorrates an Erdöl liegen, Druck auf seine Nachbarn ausüben kann." [Hervorhebung von mir]

 

 

Seine Lagebeurteilung ist schlüssig und überzeugend. Ich schätze van Creveld als einen Realisten und kühlen Analytiker ein, der nicht als Propagandist zionistischer Expansionsinteressen argumentiert. Auch wenn Israel und die zionistische Lobby massiv gegen die iranische Atombewaffnung wettern: in diesem Falle stehen (ebenso wie seinerzeit im Falle des Irak) sensible (Rohstoff-)Sicherheitsinteressen nicht nur der USA, sondern auch der Europäer auf dem Spiel. Es wäre schlimm, wenn unsere Politik, oder auch wir selbst als Bürger zu dumm wären, das zu erkennen (von der Politik habe ich diesen Eindruck nicht; bei den Bürgern bin ich mir weniger sicher), oder zu träge, alle realistischen Möglichkeiten auszuschöpfen, um eine atomare Bewaffnung des Iran zu verhindern. Es wird wesentlich auch von unser aller Einsicht und von der Rückendeckung abhängen, die wir den Politikern geben, den Iran vom Gegenteil zu überzeugen und ihn ggf. entsprechend – u. U. sogar militärisch – zu belehren.

 

Van Creveld schätzt allerdings die Risiken, die von einer iranischen Atombewaffnung ausgehen, geringer ein:

"Ich würde darauf hinweisen, dass Atomwaffen – erfahrungsgemäß – ein Land nicht mehr, sondern eher weniger streitsüchtig machen" sagt er in dem o. a. Interview und "Persien ist der älteste Staat der Welt, Kyros II. gründete das persische Reich bereits im 6. Jahrhundert vor Christus. Das ist ein stolzes Erbe. Die Iraner wissen, dass es im Falle eines Angriffs, etwa auf Israel, mit dieser Herrlichkeit für immer vorbei ist, weil dann da wo heute der Iran ist, nur noch eine atomare Wüste sein wird. Nach menschlichem Ermessen müsste das genügen.".

 

Auch ich glaube nicht, dass die atomare Bewaffnung des Iran gegen Israel gerichtet ist. Vielmehr bin ich überzeugt, dass die anti-israelische Rhetorik der iranischen Regierung einem nüchternen politischen Kalkül entspringt. Zum einen könnte es sein, dass man die eigene Bevölkerung damit von inneren Schwierigkeiten ablenken will. Ob das zutrifft oder nicht, vermag ich mangels näherer Kenntnis der innenpolitischen und insbesondere wirtschaftlich-sozialen Entwicklung nicht zu sagen.

 

Sicher scheint mir aber, dass diese Rhetorik als Schutzschild nach außen verwendet wird. Unmittelbar die größten Sorgen über eine iranische Atombewaffnung müssten sich die direkten Nachbarn, besonders die Anrainerstaaten des persischen Golfs und voran Saudi-Arabien, machen. Zweifellos tun das die dortigen Regierungen auch. Nur können sie, jedenfalls öffentlich, wenig gegen die atomaren Ambitionen des Iran sagen, wenn Teheran sich als Schutzmacht des Islam gegen Israel positioniert. Sie würden sonst in den Augen ihrer eigenen Bevölkerung als Verräter an der islamischen Sache dastehen.[56]

 

Und genau an dieser Stelle wird die Einschätzung von Mearsheimer und Walt verständlich und es erweist sich m. E. als zutreffend, dass, wie M-W schreiben, "... Israel is in fact a liability in the war on terror and the broader effort to deal with rogue states" (S. 5). Nur dann, wenn wir Europäer, hauptsächlich aber Washington, gleichzeitig einerseits hart sind (gegenüber dem Iran; notfalls auch gegenüber den Palästinensern, falls diese überzogene Forderungen stellen), andererseits aber auch "vigorously and evenhandedly" Druck machenauch auf Israel – "for a peace agreement" (S. 40), können wir hoffen, unsere (immer noch großen) Risiken zu minimieren. Es geht aber nicht nur darum, gegenüber den Arabern als fairer Partner dazustehen. Ebenso geht es um den innenpolitischen Rückhalt für eine ggf. erforderliche Politik der Härte gegenüber dem Atomambitionen des Iran. Wenn eine solche Politik als Liebedienerei zu Gunsten von Israel wahrgenommen wird oder für die Bürger der westlichen Länder glaubhaft so dargestellt werden kann (wobei man in erster Linie nicht einmal an eine Islam-Lobby denken muss, sondern eher an kurzsichtige Friedensfreunde, die von der Geschichte reden, aber von 1938 nichts gelernt haben), dürfte sie zunächst in Europa, aber irgendwann möglicher Weise sogar in den USA – trotz aller Lobby-Macht, und schließlich vielleicht sogar einmal gerade wegen der Wahrnehmung der Lobby-Macht – erheblich an Rückhalt verlieren. Daran kann uns nicht gelegen sein.

 

Ebenso wenig kann uns daran gelegen sein, in dieser Sache im Dissens mit den USA zu stehen. Der gesamte Westen, darüber hinaus aber besonders auch China und ebenso alle anderen Länder, soweit sie keine ausreichenden eigenen Erdölvorräte haben, muss bzw. müssen daran interessiert sein, dass keine Macht am persischen Golf eine Dominanz gewinnt, die zu einer Bedrohung der anderen Staaten und zur Erpressung des Rests der Welt führen könnte. Einer der möglichen Stolpersteine in der Koordination zwischen den USA und Europa dürfte die Wahrnehmung der Europäer sein, dass die USA übermäßig die Interessen Israels fördern. Wenn sich hier in Europa der Eindruck festsetzt, dass die Konfrontation mit dem Iran primär israelischen Interessen dienen soll, dürfte es innenpolitisch in allen europäischen Ländern schwierig sein, den nötigen breiten Rückhalt für ein "Rollback" der iranischen Atominteressen zu erhalten.

 

Dass wir im Golfkrieg nicht aktiv eingreifen konnten, war im Hinblick auf die damals noch fehlende Reife unseres Volkes für die Übernahme weltpolitischer Verantwortung, soweit diese militärische Verwicklungen impliziert, verständlich. Noch einmal dürfen wir – Deutschland und Europa - aber die USA schon deshalb nicht mehr allein die Kohlen aus dem Feuer holen lassen, weil die sonst legitimiert wären, alles für sich allein zu behalten, was es dort so zu holen gibt. Angesichts der sich abzeichnenden Ressourcenverknappung würde so das Industriezeitalter in unserer Weltgegend noch früher enden, als es ohnehin zu Ende gehen wird.

 

Wie aus meinen Ausführungen ersichtlich, stehe ich in Sachen Atombewaffnung des Iran im Dissens mit Mearsheimer und Walt. Die scheinen damit keine Probleme zu haben, äußern sie sich doch wie folgt (S. §)740):

"...  the United States has its own reasons to keep Iran from going nuclear. This is partly true, but Iran’s nuclear ambitions do not pose an existential threat to the United States. If Washington could live with a nuclear Soviet Union, a nuclear China, or even a nuclear North Korea, then it can live with a nuclear Iran. And that is why the Lobby must keep constant pressure on U.S. politicians to confront Tehran. Iran and the United States would hardly be  allies if the Lobby did not exist, but U.S. policy would be more temperate and preventive war would not be a serious option." [Hervorhebungen von mir]

Ich bin gegen eine Weiterverbreitung von Atomwaffen – nuclear proliferation – im Allgemein ganz besonders gegen eine Atombewaffnung von Ländern in Erdölregionen. Und wenn man versucht, ein Land davon abzubringen, sich nuklear zu bewaffnen, sollte man sich darüber im Klaren sein, ob man letztendlich auch zur Gewaltanwendung bereit ist oder nicht, bzw. in welchem Umfang. Wenn man militärische Maßnahmen von vornherein ausschließt, ist ein Erfolg eher unwahrscheinlich. Und ehe man selbst als Papiertiger dasteht, sollte man besser gar nicht aktiv werden.

 

Es gibt schon auf einer rein realpolitischen Ebene – ohne irgendwelche Moralaspekte usw. einzubeziehen - gute Gründe, die gegen eine gewaltsame Intervention im Iran sprechen. An erster Stelle natürlich der Umstand, dass man mit erheblichen Problemen bei der Ölversorgung rechnen müsste. Sodann auch die Größe des Landes, die eine Besetzung – selbst durch ein großes internationales Truppenkontingent – zu einem Abenteuer mit unvorhersehbarem Ausgang machen würde. Das schließt aber nicht aus, dass man, sofern möglich, gewissermaßen einen "chirurgischen Schnitt" macht, wie seinerzeit Israel mit dem irakischen Atomreaktor. Selbst wenn die iranischen Urananreicherungsanlagen in (nach derzeitigem Stand der Waffentechnik) absolut bombensicheren Bunkern untergebracht sein sollten, könnte man natürlich die Zufahrtswege usw. durch Luftschläge unterbrechen.

Ein weiteres Problem liegt in einer denkbaren Solidarisierung der islamischen Völker mit dem Iran. Gerade insoweit wäre es wichtig, in dem Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern "vigorously and evenhandedly" auf einen Friedensschluss hinzuarbeiten und den Arabern das Gefühl zu nehmen, dass der Westen (speziell die USAO) hier mit gezinkten Karten spielen.

Denn an sich müssten sich in allererster Linie die anderen Golfstaaten durch die iranische Atombewaffnung bedroht fühlen und wären in dieser Hinsicht eigentlich die natürlichen Verbündeten für alle jene, welche diese Nuklearbewaffnung zu verhindern suchen. Der "unconditional U.S. support for Israel" (S. 5) macht jedoch nicht nur das "winning the war on terror more difficult", sondern, wie M-W zutreffend feststellen, auch "the broader effort to deal with rogue states" (alle S. 5), wie z. B. mit dem Iran.

 

Aufschlussreich erscheint mir in diesem Zusammenhang der Artikel "It's Our War. Bush should go to Jerusalem--and the U.S. should confront Iran" von William Kristol im "Weekly Standard" vom 24.07.06. Kristol unterstellt einen Krieg des Islamismus gegen den Westen bzw. die liberalen und demokratischen Werte und folgert flugs:

"What's happening in the Middle East, then, isn't just another chapter in the Arab-Israeli conflict. What's happening is an Islamist-Israeli war." .  .. "... while Syria and Iran are enemies of Israel, they are also enemies of the United States. ... Weakness is provocative. We have been too weak ....

The right response is renewed strength--in supporting the governments of Iraq and Afghanistan, in standing with Israel, and in pursuing regime change in Syria and Iran. For that matter, we might consider countering this act of Iranian aggression[57] with a military strike against Iranian nuclear facilities. Why wait? ... Yes, there would be repercussions--and they would be healthy ones, showing a strong America that has rejected further appeasement.

But such a military strike would take a while to organize. In the meantime, perhaps President Bush can fly from the silly G8 summit in St. Petersburg ... to Jerusalem, the capital of a nation that stands with us, and is willing to fight with us[58], against our common enemies. This is our war, too. [Hervorhebungen von mir]

 

 

Wissenschaft, Wissen schaffend – oder "Trash"? Zu Qualität und Funktion(en) der Mearsheimer-Walt-Studie

Bereits oben habe ich darauf hingewiesen, dass verschiedene Dimensionen in der Studie (und erst Recht in dem Aufsatz in der LBR, der ohnehin nicht nach rein wissenschaftlichen Kriterien beurteilt werden kann) zu unterscheiden sind. Die faktischen, spekulativen und die 'aktivierenden' Elemente greifen ineinander in diesem Text, der einerseits gewiss eine wissenschaftliche[59] Arbeit ist und andererseits als ein Meinungs-Beitrag zur außenpolitischen Debatte in den USA.

 

Jenseits einer Qualitätsbewertung nach wissenschaftsimmanenten Kriterien kann man (und sollte man m. E. auch) den Beitrag von M-W zugleich in einer anderen Dimension als ein sozialwissenschaftliches Experiment ansehen (auch wenn die Verfasser das wohl kaum intendiert hatten), nämlich als einen (Reaktions-)Test der (zumindest: Laut-)Stärke der Lobby sowie als Prüfstein für deren intellektuellen Redlichkeit. Soweit letztere fehlt, dürfte es nicht nur legitim, sondern auch Erkenntnis fördernd sein, daraus wiederum Rückschlüsse auf die "Güte" der von ihr vertretenen Interessen zu ziehen.

Darum ging es vermutlich z. B. dem (anonymen) Verfasser des Aufsatzes "Silencing Israel's Critics. Committee for Accuracy in Middle East Reporting in America Attacks a Study on the Israel Lobby" (s. dazu unter è "CAMERA") und darum geht es großenteils auch mir in der vorliegenden Betrachtung. Insbesondere (aber nicht nur) eine Analyse der Kampagne in der Zeitung è "The New York Sun" ist in dieser Hinsicht aufschlussreich.

Ähnlich wie ich sieht das wohl auch der US-Medienexperte Michael è Massing wenn er am Schluss seines umfangreichen Berichts "The Storm over the Israel Lobby" (11.06.2006) schreibt: "The nasty campaign waged against John Mearsheimer and Stephen Walt has itself provided an excellent example of the bullying tactics used by the lobby and its supporters." [Hervorhebung von mir]

 

Mittlerweile haben sich Mearsheimer und Walt ausführlich den Vorwurf einer schlampigen Arbeit überzeugend widerlegt (hier übrigens die vollständige Mitschrift der Pressekonferenz):

"The most peculiar claim, to us, was the claim that we were sloppy, that somehow the paper's very sloppy. What you want to ask yourself is, does this seem at all likely? John and I have between us written six books and countless articles. People have disagreed with us throughout our careers, but no one has ever said before that our work was sloppy. Is it credible to think that the two of us would tackle a third-rail issue like this one and suddenly decide to be careless and cavalier in what we did? I might add the pieced was vetted by a number of other scholars in the field. We sent drafts around to lots of people to get comments before we published it to make sure that there were no meaningful errors in it at all. Now finally, if you then look at the people who aren't connected to the lobby and they take a careful look -- the ones who have taken a look at our claims, they tend to agree with us. Michael Massing wrote an essay in The New York Review of Books where he repeated, unfortunately, some of the bogus charges against the paper. But his bottom line is quite clear, and I quote it: Quote, 'On their central point, the power of the Israel lobby and the negative effect it has had on U.S. foreign policy, Mearsheimer and Walt are entirely correct.' Similarly, L. Carl Brown, a distinguished professor emeritus at Princeton, recently wrote in Foreign Affairs that our paper was neither sloppy nor anti-Semitic. Instead, he called it a hard-headed analysis that just might set in motion a useful paradigm shift in U.S.-Middle East policy. Now, needless to say, we are pleased that the conversation is starting to focus on substance."

 

 

Antisemitisch ja/nein?

 

Ich kann es der zionistischen Lobby nachfühlen, dass sie Sätze wie „... aspects of Israeli democracy are at odds with core American values" und den Hinweis darauf, dass „Israel was explicitly founded as a Jewish state and citizenship is based on the principle of blood kinship“, (alle S. 9) nicht besonders goutiert.

 

Es muss das Selbstverständnis von Zionisten schmerzen, wenn Mearsheimer und Walt daran erinnern, dass die Gründung Israels nur möglich war durch Verbrechen gegen die Palästinenser: „The country’s creation was undoubtedly an appropriate response to the long record of crimes against Jews, but it also brought about fresh crimes against a largely innocent third party: the Palestinians.“ [Hervorhebung von mir]

 

 

M-W arbeiten die Kausalzusammenhänge noch nicht einmal so im Detail heraus, wie ich sie oben formuliert habe. Und dass im übrigen die israelische Staatsidee von vornherein, und mithin schon lange vor der Machtergreifung der Nazis, mit den Rechten der bisherigen Bewohner des Landes in Konflikt stand und letztlich auf deren Unterdrückung oder Vertreibung hinauslaufen musste (ganz unabhängig davon, ob die handelnden Personen daran gedacht haben, und erst recht natürlich unabhängig davon, was sie ausgesprochen haben), erwähnen Mearsheimer und Walt nicht einmal.

 

Man kann Verständnis aufbringen für den Wunsch vieler Juden, ein eigenes Land zumindest als Zuflucht für evtl. Krisenfälle zu haben. Nach dem Holocaust noch mehr, aber ebenso bereits früher dürfte ja der Zionismus eine Reaktion auf den auch schon vor 1933 ausgeprägten Antisemitismus gewesen sein. Dass jedoch auch die Palästinenser Rechte haben, und dass „The tragic history of the Jewish people does not obligate the US [und Europa!] to help Israel today no matter what it does“ (S. 11) [Hervorhebung von mir] wird einem sehr viel bewusster, wenn man neben den sonstigen geschichtlichen Hintergründen auch das Geschehen in Palästina selbst kennt.

 

Daran wird die Lobby sich nicht gern erinnern, erinnern lassen und vor allem andere nicht gern erinnert sehen wollen und deshalb z. B. über die nachfolgende detaillierte Wiedergabe von massiven Rechtsverletzungen im Zusammenhang mit der Entstehung und Ausdehnung Israels sowie über deren negative moralische Bewertung durch John Mearsheimer und Stephen Walt wenig erbaut sein:

 

Israel’s backers also portray it as a country that has sought peace at every turn and shown great restraint even when provoked. The Arabs, by contrast, are said to have acted with great wickedness. Yet on the ground, Israel’s record is not distinguishable from that of its opponents. Ben-Gurion acknowledged that the early Zionists were far from benevolent towards the Palestinian Arabs, who resisted their encroachments – which is hardly surprising, given that the Zionists were trying to create their own state on Arab land. In the same way, the creation of Israel in 1947-48 involved acts of ethnic cleansing, including executions, massacres and rapes by Jews, and Israel’s subsequent conduct has often been brutal, belying any claim to moral superiority. Between 1949 and 1956, for example, Israeli security forces killed between 2700 and 5000 Arab infiltrators, the overwhelming majority of them unarmed. The IDF murdered hundreds of Egyptian prisoners of war in both the 1956 and 1967 wars, while in 1967, it expelled between 100,000 and 260,000 Palestinians from the newly conquered West Bank, and drove 80,000 Syrians from the Golan Heights.“ [Zitiert nach dem LRB-Aufsatz[60]; Hervorhebung von mir. Es geht im Folgeabsatz bei M-W noch weiter, aber dieses Langzitat mag hier genügen.]

 

Große Geschichte ist selten eine absolut saubere Angelegenheit und besonders wir Deutschen müssen, ehe wir den Israelis Vorwürfe machen, dass nicht moralische Gleichungen vom Typ „'Dresden' = KZs" daraus werden. Aus der jeweiligen Schuld, vor allem aber auch aus dem z. B. bei der Bombardierung von Dresden ganz eindeutigen Ursachenzusammenhang, kann man sich nicht mit dem Hinweis auf die Schuld anderer herausreden. Ich bin auch nicht der Meinung, dass wir – Deutschland, Europa, aber auch die USA – uns nun einfach auf die Seite der Palästinenser stellen sollten. Von denen werden wir ohnehin kaum Dank ernten, weil ein eigener palästinensischer Staat – unter Beibehaltung Israels mit oder ohne Ost-Jerusalem - aus deren Sicht nicht nur ihr selbstverständlicher Anspruch, sondern vermutlich sogar noch weitaus zu wenig sein dürfte.[61] Aber wenn für die fortlaufende Begehung von Menschenrechtsverletzungen Nibelungentreue als Sühne der Bündnispartner für vergangene Schuld eingefordert wird, muss sich der Westen dem schon deshalb widersetzen, um nicht erneut Schuld (gegen andere) auf sich zu laden. Und natürlich auch aus ganz realpolitischen Gründen.[62]

 

 

Was die Begriffswahl angeht, haben die Autoren versucht, mit dem Begriff "Israel Lobby" die spezifische Zielsetzung "der Lobby" schon durch eine entsprechende Begriffswahl von "dem Judentum" abzugrenzen. Inhaltlich fassen sie unter die "Israel Lobby" ja auch die "Christian Zionists"[63] und die Neokonservativen[64].

Es ist natürlich legitim, wenn sich "die Juden" nicht mit der zionistischen Lobby in eins setzen lassen wollen, und wenn dem entsprechend auch Stimmen aus dem Kreis der Lobby selbst (sofern es im Diskurs nützlich erscheint) auf den Unterschied hinweisen. Umgekehrt kann man dies aber auch der Lobby dezidiert entgegen halten, wenn ihre Äußerungen die Erwartung erkennen lassen, dass sich jeder Jude zwangsläufig mit ihr solidarisieren müsse – vgl. dazu auch meine diesbezüglichen Beobachtungen zur Anti-M-W-Kampagne der Zeitung è "The New York Sun".

Ob die Verwendung des Begriffes "zionistische Lobby" im US-Diskurs zweckmäßig ist, kann ich nicht beurteilen, weil ich nicht präzise weiß, wie der Begriff "Zionist" dort konnotiert ist. Jedenfalls habe ich versucht, mit der gelegentlichen Verwendung dieses Begriffs die Interessenvertretung nationalistischer Zionisten gegen das Interessenverständnis "der Juden" insgesamt (unter denen es auch aktive Anti-Zionisten[65] gibt), abzugrenzen.

 

Ein gewisser (mir sonst nicht weiter bekannter) Manfred Gerstenfeld hat in einer Studie mit dem deutschsprachigen Titel "Die tiefen Wurzeln des Antisemitismus in der europäischen Gesellschaft" (das Original ist in der Jewish Political Studies Review 17:1-2 vom Frühjahr 2005 u. d. T. "The Deep Roots of Anti-Semitism in European Society" erschienen) u. a. auch über mögliche Zusammenhänge zwischen Israel-Kritik und Antisemitismus sowie das Problem einer Unterscheidung legitimer Kritik an der israelischen Politik von antisemitisch motivierter Kritik nachgedacht. Dazu schreibt er:

 

"DER NEUE ANTISEMITISMUS

Die jüngste wichtige Version des Antisemitismus, die sich in den letzten Jahrzehnten radikal intensiviert hat, zielt gegen Israel, den jüdischen Staat. Diese Variante des Judenhasses wird jetzt gemeinhin als „neuer Antisemitismus“ bezeichnet. Seine Täter nennen sich oft selbst Antizionisten. Sie wollen Israel isolieren und stellen es – mit den Worten des Zentrums für Antisemitismus-Forschung der Technischen Universität Berlin – „als einen Staat dar, der sich fundamental negativ von allen anderen unterscheidet, der daher kein Existenzrecht hat“. [Hervorhebung von mir]

Der kanadische Justizminister Irwin Cotler merkte an: 'Traditioneller Antisemitismus verweigert den Juden das Recht als gleichberechtigte Mitglieder der Gesellschaft zu leben, aber das neue Anti-Judentum verweigert dem jüdischen Volk das Recht als gleichberechtigtes Mitglied in der Familie der Nationen zu leben.'

Der schwedische stellvertretende Premierminister Per Ahlmark stellte heraus:

'Der heutige Antizionismus ist dem Antisemitismus sehr ähnlich geworden. Der Antizionismus akzeptiert das Recht anderer Völker nationale Gefühle und einen verteidigungsfähigen Staat zu haben. Aber sie verweigern dem jüdischen Volk das Recht sein Nationalbewusstsein zu haben, das sich im Staat Israel ausdrückt und diesen Staat sicher zu machen. Daher beurteilen sie Israel nicht mit den Werten, die zur Beurteilung anderer Staaten benutzt werden. Eine solche Diskriminierung von Juden wird Antisemitismus genannt.' "

 

Stellt sich natürlich die Frage, ob jeder, der den Mund gegen bestimmte Aktionen Israels aufmacht, ein Antisemit ist (von den Juden abgesehen – oder können die auch Antisemiten sein?)

Auch Gerstenfeld sieht, dass eine Gleichsetzung von Antisemitismus und Kritik an konkreten Handlungen des israelischen Staates problematisch wäre. Deshalb zitiert er folgende Unterscheidungskriterien, die der oben erwähnte kanadische Justizminister Cotler aufgestellt hat:

 

"Die Unterschiede zwischen Antisemitismus und Kritik

Es ist oft schwer die Grenze zwischen Kritik an Israel und Antisemitismus zu ziehen. Cotler hat einige Richtlinien empfohlen. Er meint, dass Kritiker Israels dann zu Antisemiten werden, wenn

1) Sie öffentlich zur Vernichtung Israels und des jüdischen Volks aufrufen. Das ist der Fall bei den Satzungen der palästinensischen Terrorgruppen (PLO und Hamas) und einigen militant-islamischen Rechtsentscheidungen (fatawin), ebenso wie der iranischen Drohung Israel auszulöschen ('genozidaler Antisemitismus').

2) Sie leugnen das Recht des jüdischen Volks auf Selbstbestimmung, delegitimieren Israel als Staat und schreiben Israel alle Übel der Welt zu ('politischer Antisemitismus').

3) Sie nazifizieren Israel ('ideologischer Antisemitismus').

4) Israel wird als heimtückischer Feind des Islam beschrieben ('theologischer Antisemitismus').

5) Israel wird von Salon-Intellektuellen und westlichen Eliten ein Mix aus bösartigen Qualitäten zugeschrieben ('kultureller Antisemitismus').

6) Sie fordern Beschränkungen gegen diejenigen, die mit Israel Handel treiben ('wirtschaftlicher Antisemitismus').

7) Sie leugnen den Holocaust.

8) Sie unterstützen rassistischen Terror gegen Israel.

[o. Nr.; gedacht als "9."?:] Auf der internationalen Bühne suchen sie Israel für diskriminierende Behandlung durch Leugnung der Gleichheit vor dem Gesetz aus."

 

Keines dieser Kriterien ist bei Mearsheimer und Walt erfüllt. Das wird allerdings ihre Gegner nicht daran hindern, z. B. die kritischen Worte von M-W über die israelische Politik gegenüber den Palästinensern als "Delegitimierung des Staates Israel" zu interpretieren, als "Nazifierung Israels" und als "kulturellen Antisemitismus". In diese Kategorien kann, wer Anti-Antisemitismus politisch instrumentalisieren will, bequem alles hinein packen. Das gilt natürlich auch für meinen eigenen Artikel, zumal ich ja von der "zionistischen Lobby" spreche und deshalb begrifflich bequem unter die "Antizionisten" des ersten der beiden hier zitierten Kapitel zu subsumieren wäre.

Freilich ist die "Gefahr" für mich schon deshalb relativ gering, weil ohnehin kein Hund mein ellenlanges Exposé lesen wird.

 

Im übrigen ist es nicht ohne Risiko, wenn Kritik an der israelischen Politik vorschnell mit dem Vorwurf „Antisemitismus“ beantwortet wird. Unstreitig kann zwar die Kritik an Israel auch antisemitisch motiviert sein. Andererseits kann man Antisemitismus auch herbeireden. Sei es bei Dritten, indem man die „moral blackmail“ überzieht, sei es direkt bei den Kritikern, indem man sie vor die Alternative stellt „kusch oder du wirst in der Öffentlichkeit in die Antisemitismus-Ecke gestellt“. [66] Letztlich wird es auch von sonstigen innen- und außenpolitischen und insbesondere gesellschaftlichen Zuständen abhängen, ob eine solche Strategie zurückschlägt.

 

In der Debatte zwischen M-W und deren Gegnern, sollten die Letzteren die Warnungen von Mary-Kay Wilmers, Herausgeberin der "London Review of Books", beherzigen, ihr Spiel nicht zu überreizen: "Wilmers believes, ... that the most angry denunciations of anti-Semitism - while designed to serve the purpose of censorship by those attempting to forestall criticism of Israel - may actually encourage anti-Semitism in the long run" schreibt Peter Beaumont im Londoner "The Guardian" vom 02.04.06 ("Editor hits back over Israel row") und zitiert Frau Wilmer wie folgt: "It serves a purpose. No one wants to be thought of as anti-Semitic because it is thought of as worse than anything else, although it is not worse being anti-Semitic than being anti-black or Islamophobic.

Really, one of the most upsetting things is the way it can contribute to anti-Semitism in the long run just by making so many constant appeals and preventing useful criticism of Israel. No one can say Israel's posture does not contribute to anti-Semitism, yet charges of anti-Semitism are used to justify that policy."

 

Uri Avnery wusste schon vor dem Aufsatz von M-W, dass es nicht ausreicht, gegen "Antisemitismus" wettern, um die Gefahr eines solchen zu bannen, sondern dass auch die Lobby ihr Verhalten ändern muss. In einem Artikel vom 14.01.06 u. d. T. "With Friends like these ..." schreibt er u. a.:

"Disapproving words about "the rise of anti-Semitism" are not enough, what is required is a profound change of behavior."

 

Welche Folgen eine propagandistische Gleichsetzung von Kritik an Israel (bzw. an der Israel-Lobby) mit Antisemitismus haben kann, bemerke ich selbst z. B. daran, dass ich mich selbst immer wieder in Erinnerung rufen muss, dass M-W eben nicht von einer "jüdischen Lobby", sondern von einer "Israel-Lobby" sprechen, die nicht nur Juden umfasst. Wenn dieser Aspekt so schnell im Bewusstsein untergeht, so liegt das mit Sicherheit auch daran, dass viele Kritiker von M-W (allen voran Alan Dershowitz), welche mehr oder weniger der Lobby zuzuordnen sind, den Inhalt der Studie von John Mearsheimer und Stephen Walt weitgehend auf die Wahrnehmung einer bloß jüdischen Lobby reduzieren: Das ist zwar die logische Voraussetzung, um M-W des Antisemitismus' bezichtigen zu können, doch ist eine solche Taktik gegen die Intention ihrer Anwender zugleich für diese selbst (bzw. die Juden überhaupt) hoch riskant.

 

Auch ein deutscher Student ging nicht vorbei, sondern bringt im Rahmen eines Antisemitismus-Seminars von Prof. Dr. Georg Meggle, an der Uni Leipzig eine tabellarische (sehr übersichtliche) Darstellung: Christoph Marx, 26.07.2006, "Ein Antisemitismusvorwurf – 'The Israel Lobby and U.S. Foreign Policy' von John J. Mearsheimer und Stephen M. Walt".

 

 

 

BREITE Debatte? Nein!   -   FURIOSE Debatte? Allerdings!

Christoph von Marschall (è s. d.) schrieb am 5.4.06, dass sich "die angeblich furiose Debatte in Amerika ... sich im Wesentlichen auf Verrisse [beschränkt]". Das mag seinerzeit noch weitgehend zutreffend gewesen sein, hat sich allerdings mittlerweile deutlich geändert. Auf dieser Webseite des "Council for the National Interest" sind zahlreiche (aber bei weitem nicht alle!) Titel der und Links zu den Reaktionen übersichtlich nach Standpunkten gelistet: "Positive", "News", "Critiques" und schließlich "Negative News Items and Commentaries". Schon daraus wird ersichtlich, dass es inzwischen auch eine ganze Menge Zustimmung gibt, zumindest zu Teilen der Thesen von M-W.

 

Und falls (wie zu vermuten) rein zahlenmäßig die negativen Stellungnahmen überwiegen sollten, kann das nicht überraschen, wenn man an die zutreffende Feststellung von Mearsheimer und Walt denkt, dass „... Interest groups ... enjoy a disproportionate amount of influence when they are committed to an issue to which the bulk of the population is indifferent.“ Hier stehen einfach ausformulierte, bewusste und nachdrücklich vertretene (sowie emotional verständlicher Weise tief fundierte) Interessen einerseits einer unklaren Gefühls- und Meinungslage der breiten Öffentlichkeit gegenüber, die sich in der Regel nur in einzelnen Stimmen artikulieren wird. (Eine mehr oder weniger organisierte Gegen-Lobby gibt es zwar anscheinend auch – nach meinem aus flüchtigen Webseitenbesuchen gewonnenen Eindruck gehören dazu etwa der "Council for the National Interest" und der "Washington Report on Middle East Affairs" -) aber es fehlt der breite Unterbau von einschlägig interessierten Personen (organisiert oder nicht), die schnell und heftig und quantitativ (sowie zumindest in formaler Hinsicht auch qualitativ) eindrucksvoll Meinungsäußerungen auf den Meinungs-Markt werfen (können). Diejenigen, welche die Macht der zionistischen Lobby mit Hinweisen auf die Lobbyarbeit der Palästinenser, der Saudis usw. zu relativieren versuchen, stellen deshalb potemkinsche Puppen auf die Debatten-Bühne.

 

Jedenfalls gibt es zu dem Papier von M-W mittlerweile eine ganze Reihe von positiven Stellungnahmen.[67] Diese unterstützen zwar größtenteils nicht Mearsheimer und Walts Meinungen in allen Fragen (insbesondere wird fast einhellig eine Überschätzung der tatsächlichen Macht der Pro-Israel-Lobby kritisiert sowie die Annahme von M-W, dass die Einflussnahme "der Lobby" wesentlich für die Entscheidung zum Einmarsch in den Irak verantwortlich gewesen sei). Häufig stimmen sie ihnen aber in wesentlichen Punkten zu:

 

- allzu großer Einfluss der Lobby in der Öffentlichen Meinung und dadurch bedingte Unterdrückung der Debatte über die US-Politik gegenüber Israel, den Palästinensern und dem Nahen Osten;

 

- Kritik an der übertriebenen Israel-Nähe der US-Politik im Nahen Osten.

 

- korrekte Darstellung der historischen Umstände um die Entstehung des israelischen Staates in dem Papier und damit Infrage-Stellen der moralischen Überlegenheit der israelischen Position.

 

"Furios" war die Debatte, insbesondere was die Gegner von M-W angeht, allerdings nicht nur "angeblich", sondern tatsächlich. Wenn z. B. eine Zeitung wie die è New York Sun einen Bericht über Behauptungen des US-Rechtsprofessors Alan Dershowitz, dass M-W einige Informationen von (US-) Neonazi-Seiten in ihrem Papier verarbeitet hätten, mit der Überschrift "Harvard's Paper on Israel Drew From Neo-Nazi Sites" versieht, dann gibt das einen Eindruck davon, mit welch primitiven Propaganda-Methoden hier teilweise gearbeitet wurde. (Im Text wird dann zwar korrekt berichtet – und damit die Überschrift relativiert -, dass "A prominent Harvard law professor, Alan Dershowitz, is alleging that the authors of a Harvard Kennedy School paper about the "Israel lobby," ... culled sections of the paper from neo-Nazi and other anti-Israel hate Web sites." (Hervorhebung von mir) Aber was beim Leser hängen bleibt (und bleiben soll), ist natürlich das Verb "drew", also die Vorstellung, dass der behauptete Sachverhalt objektiv festgestellt wurde.[68]

 

In einer Art von Emser-Depeschen-Technik, die viel über die Wahrheitsliebe des Verfassers aussagt, erweckt è von Marschall den Eindruck, dass sich andere Wissenschaftler wegen der angeblich dürftigen wissenschaftlichen Qualität nicht mit dem Arbeitspapier von Mearsheimer-Walt befassen (und diese Insinuation positioniert er sogar in hervorgehobener Stellung an den Schluss seines Artikels):

„Andere Autoren sehen sich im Dilemma, ob man so einen Text nicht besser ignoriert? Wer sich die Mühe mache, all die Fehler und Verdrehungen aufzudecken, verschaffe den Autoren nur unverdiente Resonanz. Harvard distanziert sich von dem Text, den ihr Dozent Walt als ‚Arbeitspapier’ auf die Internetseite stellte. Das Uni-Logo wurde vorsorglich entfernt.“

Mehr über die Hintergründe der Entfernung des Harvard-Logos (und der optischen Vergrößerung des Disclaimers) kann man z. B. in der Campus-Zeitung "The Harvard Crimson" vom 24.03.06 u. d. T. " KSG Seeks Distance from Paper" lesen. Dass die Universität damit nicht (wie es in der Darstellung von von Marschall mit voller Absicht und wahrscheinlich wider besseres Wissen insinuiert wird) ein Qualitätsurteil fällen wollte, sollte aber auch ohne diese Lektüre klar sein: das wäre nämlich der Anfang vom Ende der akademischen Freiheit und deshalb auch für diejenigen Wissenschaftler inakzeptabel, die diametral gegen Mearsheimer und Walt stehen.

Weitere Informationen in diesem Zusammenhang (sowie auch zum Ausscheiden von Prof. Walt aus der Position als Dekan) brachte "The Harvard Crimson" am 01.04.06 u. d. T. "KSG: End of Walt's Term 'Completely Unrelated' To Uproar Over Israel Remarks. Academic dean to step down in June, but will remain a tenured professor" sowie in der Ausgabe vom 03.04.06 u. d. T. "KSG: Walt Planned To Step Aside Before Furor". In diesem Artikel äußert sich auch der "Dean" David T. Ellwood indirekt zur angeblichen 'Qualitätskontrolle': " 'Throughout this episode, I have sought to be driven by one principle above all others: maintain academic freedom for our scholars and our school'[69], Ellwood wrote in an e-mail to members of the KSG community Friday. Ellwood added that the school 'does not make judgments about the content of working papers before posting. Academic work is best judged in the serious give and take of intellectual and scholarly debate'." [Hervorhebung von mir. Ellwood ist wohl der Rektor, Walt hält bzw. hielt die Position eines "academic dean", was vermutlich einem Fakultätsdekan entspricht.]

 

Auch wenn die Recherchen des "Harvard Crimson" gewisse Zweifel an der offiziellen Darstellung aufkommen lassen, dass der Rücktritt lange vorher geplant gewesen sei (eine angebliche E-Mail vom 21.02.06 an die Fakultätsmitglieder wurde der Zeitung nicht vorgelegt; frühere akademische Dekane hatten i. d. R. längere Amtszeiten), wäre eine evtl. vorzeitige Aufgabe des Amtes sicherlich nicht das Ergebnis einer universitätsinternen wissenschaftlichen Zensur, sondern allenfalls entweder des Wunsches von Walt, das Ansehen der Kennedy School of Government nicht zu beschädigen oder, im schlimmsten Falle, Ergebnis des wirtschaftlichen Drucks von Sponsoren [vgl. dazu auch unter è The New York Sun].

Die polemische Erwiderung von Prof. Alan Dershowitz trägt im übrigen ebenfalls nicht das Harvard-Logo und enthält die gleiche Art von Disclaimer.

 

Zutreffend erscheint mir immerhin die Feststellung bei von Marschall, dass eine breite Debatte über den Text nicht stattgefunden hat. Obwohl seit seinem Artikel noch eine ganze Menge von Beiträgen erschienen sind, gilt das auch zum jetzigen (Stand etwa August 2006) Zeitpunkt noch.

 

Robert Fisk (der Mearsheimer und Walt massiv sekundiert) kam am 27.04.2006 in seinem o. a. Artikel hinsichtlich der Reichweite der Debatte zu einem ähnlichen Schluss wie Christoph von Marschall:

„But how many people in America are putting their own heads above the parapet, now that Mearsheimer and Walt have launched a missile that would fall to the ground unexploded in any other country but which is detonating here at high speed? Not a lot. For a while, the mainstream US press and television - as pro-Israeli, biased and gutless as the two academics infer them to be - did not know whether to report on their conclusions (originally written for The Atlantic Monthly, whose editors apparently took fright, and subsequently reprinted in the London Review of Books in slightly truncated form) or to remain submissively silent.“

Und am 24.05.2006 stellt die Interviewerin Amy Goodman in einem Gespräch mit Michael Massing fest: "Despite the debate there hasn't been a tremendous amount of attention to this in the U.S. media." Der Journalist und Medienexperte Michael è Massing bestätigt das: "Right. I mean, for instance, the New York Times ran an open-ed piece by Tony Judt, which was very strongly backing the professors, but beyond that, their news coverage has been very minimal. Washington Post, if you look at the sort of main outpost of our top media, it's been very scant coverage. And to some people, that's an indication ... that it is hard, in fact, to debate these issues, because of the pressure on the press."

Als einen brauchbaren Indikator für das öffentliche Interesse an einem Thema kann man vielleicht dessen Präsenz in Blog-Einträgen ansehen. Bei einer Trefferauszählung wird man die o. a. Einschätzungen bestätigt finden, dass eine wirklich breite Debatte über die Thesen von M-W nicht stattgefunden hat. Die Eingabe „mearsheimer walt usa israel“[70] ergab bei der Google-Blogsuche (am 26.05.06) lediglich 184 Treffer, bei Technorati nur 173. (Stand per 22.09.06 = 290 Google-Blogsuche, 331 Technorati.)

 

Klug handelt in gewisser Hinsicht derjenige Teil der Lobby, der das Thema niedriger hängt.

 

In anderer Hinsicht kann es allerdings (aus der Perspektive der zionistischen Lobby heraus betrachtet) ebenso klug sein, die Bluthunde der Meinungsinquisition auf Mearsheimer und Walt zu hetzen. So hat es z. B. die Zeitung è "The New York Sun" offenbar für nützlich gehalten, in ihrer seinerzeitigen Artikelserie ganz massiv an die Stifter (von denen amerikanische Universitäten ja bekanntlich weit mehr abhängig sind als europäische) zu appellieren, Druck auszuüben. Mit solchen Methoden hält man „Nachfolgetäter“ im Zaum, insbesondere solche, die nicht das akademische Renommee der beiden Professoren haben, und die auf der akademischen Karriereleiter noch nach oben klettern möchten.[71]

Allerdings ist, wie oben schon ausgeführt, diese Strategie zugleich außerordentlich riskant. Ständige Antisemitismus-Vorwürfe an die Adresse der Zionismus-Gegner können, zumal wenn sie verbunden sind (oder von den Betroffenen als verbunden wahrgenommen werden) mit ökonomischem Druck, letztendlich mehr oder weniger antisemitische Gefühle überhaupt erst erzeugen und entsprechende Reaktionen auslösen.[72]

 

Im übrigen hat Prof. Walt[73] eine Fortsetzung der Debatte mit einer "lenghty response" an die Kritiker im Laufe des Jahres angekündigt, und zwar in einer E-Mail von Mitte Mai 2006 an Maurice è Ostroff. [74]

 

 

 

Gedanken, diverse:

 

Recht und Geschichte

 

Ein Punkt, den ich hier nicht großartig extemporieren, aber doch wenigstens ansprechen will, ist ein möglicher Widerspruch zwischen dem Entwicklungsstadium vom Menschen- und Völkerrechten einerseits und der historischen Dynamik (oder sollte man sagen: dem Recht auf historische Dynamik?) andererseits. Recht hat wohl generell die Tendenz, eher konservierend zu wirken und es könnte sein, dass die Rechtsentwicklung auch in diesen Bereichen eher darauf gerichtet ist, den jeweiligen Status quo zu begünstigen und zu verfestigen[75]. Die Ausdehnung des Völkerrechts in bisher (zumindest faktisch) quasi rechtsfreie Räume kann man jenseits eines rein humanitären Standpunktes auch durchaus kritisch sehen, weil sie jedenfalls das, was man bislang unter "Geschichte" verstand[76] zu überwuchern oder versteinern droht (wenn man diese Art von Geschichte vom humanitären Standpunkt, also negativ bewertet, wird man freilich eher erleichtert sagen, dass die Weiterentwicklung und die Anwendung von Menschen- und Völkerrechten "mit dieser Art von 'Geschichte' Schluss machen").

Ein wesentlicher Inhalt von "Geschichte" war deren Konflikt-Dynamik: Gebiete erobern, Völker unterdrücken, vertreiben, versklaven oder im Idealfalle (Frankreich/Elsass-Lothringen? Deutschland im Hochmittelalter/Ostgebiete?) kulturell assimilieren. Insoweit erscheint es denkbar, dass unser Rechtsverständnis heute einen gewissen Zustand von Erstarrung erreicht hat oder einem solchen Zustand tendenziell entgegen strebt - als eine der verschiedenartigen Ausdrucksformen eines inneren Zustandes unserer Zivilisation, der vielfach als "Ende der Geschichte" empfunden und beschrieben wird. [77]

Man könnte, quasi als Spenglerianer, durchaus ein gewisses Verständnis für Israel (und die USA), als "jüngere", noch nicht post-historisch erstarrte und deshalb zwangsläufig (?) "aggressivere" Nationen aufbringen. [78]

Andererseits ist die Konfliktgeschichte nicht unbedingt jene Art von Geschichte, die wir als Menschen uns wünschen. Es ist auch durchaus denkbar, dass "Geschichte" heute ihre Fortsetzung auf andere, zivilisiertere Weise, findet: EU, UNO, wirtschaftlicher Wettbewerb, kulturelle Expansion ("Hollywood") usw. Insoweit wäre nicht die Geschichte erstarrt, sondern unsere Denk-Schemata, die Geschichte immer schnell mit Mord und Totschlag in Verbindung bringen.

Die Frage ist allerdings, ob "ziviliserte" Aschevölker, wenn sie von der Vitalität der Noch-nicht-ganz-so-Verfeinerten getroffen werden, trotz ihrer technologisch-zivilisatorischen Überlegenheit auf die Dauer durchhalten. Dabei muss man nicht einmal an Krieg und Terror denken: schon die biologische Vitalität, der Immigrationsdruck usw. beunruhigen (hoffentlich) nicht nur die Stammtische.

Auch Israel ist mit einer hohen Geburtenrate der arabischen Bevölkerung konfrontiert und darüber beunruhigt. (Zahlen siehe Eintrag in der "Jewish Virtual Library" von 2003: "Israeli Muslim Birth Rate is Double that of Jews").

Vielleicht steht auch dieses Bewusstsein einer Gefährdung der jüdischen Identität des Staates von innen heraus hinter der israelischen Kolonisierungspolitik im Westjordanland.

Israel ist jedenfalls, wie die USA, ein junges, selbstbewusstes Land/Volk. Und das gilt in anderer Weise (d. h. mit den Unterschieden, wie sie sich aus dem unterschiedlichen technologisch-zivilisatorischen Stand ergeben) wohl auch für die Palästinenser und Araber.

Das (je nach Position positiv oder negativ zu bewertende) "geschichtsmüde" Denken der Europäer kann sich möglicher Weise nicht im vollen Umfang in diese anderen Denk- oder besser: historischen Seinsweisen hinein versetzen.

 

 

Das alles sind sehr vorläufige (und wenig elegant formulierte) Überlegungen[79]. Doch möchte ich nicht Teil einer Debatte sein, welche vor lauter Gutheit trieft, sondern auch Kontrapunkte denken und setzen.

 

 

Identität Israels anders gegründet als amerikanische Identität)

 

Was ist und zu welchem Zwecke brauchen wir Identität (einer sozialen Einheit: Volk, Staat)? Diese Frage hatte ich mir schon früher gestellt, ohne zu einem Ergebnis zu kommen.[80] Klar sein dürfte aber jedenfalls, dass Identität Ab- und damit auch Ausgrenzung impliziert.

Der knapp ganzseitige Unterabschnitt "Aiding a Fellow Democracy?" gehört natürlich zum aktivierenden Teil der Studie von Mearsheimer und Walt.

Was grenzt der israelische Staat bzw. die israelische Gesellschaft aus, was der/die amerikanische?

Trotz starker christlicher Strömungen ist die Amerikanische Identität auf der politischen Ebene letztlich doch wohl eher religionsneutral. Die israelische Identität ist dem gegenüber hauptsächlich in der Religion begründet (was immer z. B. Dershowitz gegen M-W vorbringen mag) und entspricht insofern wohl nicht dem amerikanischen (und noch weniger dem europäischen) Ideal eines rein weltlichen Staates.

 

In diesem Zusammenhang bringt vermutlich das Buch "Jewish Fundamentalism in Israel" weitere Aufschlüsse (vgl. dazu Hinweis auf der (Universitäts-)"Homepage" von Juan Cole), das ich allerdings nicht näher kenne.

 

Im übrigen gibt es natürlich in jedem Land, möglicher Weise aber – im Vergleich zu europäischen Ländern – in Israel und den USA stärker ausgeprägt eine Diskrepanz zwischen offiziellem Selbstverständnis und gesellschaftlicher Realität. Die Farbigen in den USA haben gleiche Rechte; viele von denen sehen sich aber vielleicht selbst nicht weniger diskriminiert als die Araber in Israel. Trotzdem kann man darüber natürlich streiten, und langsam scheinen auch in der Politik auch Farbige in den USA in höhere Positionen zu kommen, während ich mir nicht vorstellen kann, dass in Israel die einheimischen Araber jemals mitregieren.

 

Alles in allem weiß ich aber zu wenig über beide Länder, um mir wirklich ein eigenständiges Bild über die unterschiedlichen Identitäten zu machen. Jedoch erscheint die These von M-W plausibel, dass Israel keine Demokratie wie jede andere ist, weil das Land ganz bewusst eine jüdische Identität haben will, was Araber und Moslems zwangsläufig von vornherein von einer wirklichen Mitgestaltung des gesellschaftlichen Lebens auf der politischen Ebene ausschließt – wie auch immer die Rechtslage sein mag.

 

 

Über die Wahrscheinlichkeit und ggf. die Modalitäten eines Paradigmenwechsels in der US-amerikanischen Nahostpolitik

 

In der gemeinsamen Washingtoner Pressekonferenz von M-W vom 28.08.2006  zitiert Stephen Walt den Prof. emeritus L. Carl Brown (S. 10 der CAIR-Niederschrift) "L. Carl Brown ... recently wrote in Foreign Affairs that our paper was neither sloppy nor anti-Semitic. Instead, he called it a hard-headed analysis that just might set in motion a useful paradigm shift in U.S.-Middle East policy." [Hervorhebung von mir] Das ist es zweifellos, was M-W zu bewirken hoffen: einen Paradigmenwechsel der US-Nahostpolitik. Die Reaktionen auf den Vorstoß von M-W sind freilich in dieser Hinsicht nicht sehr ermutigend, sowohl was die Breite, als auch was die Richtung der Debatte angeht.

Gegenwärtig sehe ich für einen solchen Wechsel keinerlei Aussichten. Aber wenn er kommen sollte, wird das sicherlich nicht in jener friedlich-diskursiven Form geschehen, die Mearsheimer und Walt sich vorstellen.

Zwar unterschätzen sie keineswegs die Schwierigkeiten, eine Richtungsänderung in der amerikanischen Nahostpolitik herbeizuführen. Das bezeugt z. B. Stephen Walts humorvolle Antwort auf die Frage "How can American Muslims, Arab-Americans, and people of other faiths take back our foreign policy and make it more balanced?" war: "Boy, now you’re expecting me to be a real miracle worker." [Hervorhebung von mir]

Doch hinter ihrem knallharten Realismus[81] steht ein Glaube an ein lehrbuchmäßiges Funktionieren der (amerikanischen) Demokratie, der sich vielleicht nicht ganz mit den Realitäten zur Deckung bringen lässt:

"You know", fährt Walt im Anschluss an seine Äußerung vom 'miracle worker' fort "I guess I am a big believer still in the basic roots of American democracy. ... I think what all Americans of different faiths and different political backgrounds can do is demand a little bit more of your elected representatives, ask them harder questions, inform yourselves about different things that are happening in the world, don’t take one side as gospel immediately, and in particular do everything you can to encourage an open and sober debate. Don’t let people who have views you might disagree with get marginalized or smeared. Recognize that one of the great strengths of democracy is the fact that we can argue about issues. I think the more that that tends to happen in the United States, the more we’re going to see American foreign policy on this and on many other issues revert to something that’s more consistent with our broader national interests." [Hervorhebung von mir]

Mit anderen Worten: Walt vertraut auf die Macht des rationalen Dialoges. Bzw., aus etwas mehr Distanz heraus gewissermaßen im Weitwinkel betrachtet: Walt hat, hier jedenfalls, eigentlich nur zwei antithetische Wirkkräfte im Blick: "die Lobby" einerseits und 'das Volk' andererseits. In Wirklichkeit sind aber beide (auch die scheinbar so machtvolle Lobby) eingebunden in Konstellationen, die man vielleicht mit Machiavellis Begriff von "Fortuna" erfassen kann.[82] Auch die Lobby kann nur im Rahmen von günstigen Umständen ihre volle Wirkung entfalten, und umgekehrt kann diese Macht bei ungünstigen Umständen ganz schnell zusammenbrechen, oder sich gar ins Negative verkehren. Derartige Tendenzen kann man allerdings in der Regel ebenso wenig vorhersagen, wie etwa das plötzliche und unerwartete Kollabieren des Sowjetsystems.

 

Trotz allem Wissen um die Schwierigkeiten demonstriert Prof. Walt eine immer noch allzu rationalistische Perspektive, wenn er auf die Frage "How can elected officials be convinced to support a balanced Mideast policy when they do not gain benefits from standing on principle?" antwortet: "I think this is a very difficult question, and it’s a very difficult challenge because the institutions that are currently arrayed to encourage support for Israel are quite powerful and quite well funded. And if you’re a congressman whose constituents don’t care one way or the other, but a few of your constituents care a lot and you know that there’s a lot of PAC money that will go to any of your opponents, you have trouble. So I think, at least as a first step, the thing we want to have is a more open conversation about this. That’s the main reason why John and I have been doing this work. We want to try and get a conversation so that politicians who do unconditionally support Israel down the line start facing questions from their constituents as to why they’re doing that. Until they perceive a political price for policies that aren’t in the American national interest, they’re likely to keep doing this. One way — and in fact, I think probably the best way to try and instill that is to try and educate the American people more broadly, educate members of the media more broadly, and again, try and foster a climate where we can have an open and serious conversation about those issues." [Hervorhebung von mir]

 

Gewiss: ex ante können wir alle wohl nur auf diese Weise argumentieren – und wundern uns dann ex post, wieso etwas passiert oder nicht passiert, was unserer Meinung eigentlich nicht hätte geschehen können oder vermeintlich unvermeidlich hätte geschehen müssen.

Ich glaube jedoch, dass ein Paradigmenwechsel in der amerikanischen Nahostpolitik, wenn er denn jemals eintreten sollte, nicht so diskursiv-friedlich bzw. relativ unbeachtet verlaufen würde, wie (innenpolitisch) etwa ein "renversement des alliances" im Zeitalter der Kabinettskriege.

Denkbar wäre, dass die amerikanische Öffentlichkeit – aufgrund welcher Umstände auch immer[83] – plötzlich 'die Nase voll' hat und dass sich der Unmut dann nicht nur gegen die asymmetrische Verbindung der USA mit Israel richtet, sondern auch gegen jene, welche diese Verbindung propagieren. Nicht umsonst entstammt der Begriff "paradigm shift" einem Buch mit dem Titel "The Structure of Scientific Revolutions". Paradigmenwechsel[84] sind Revolutionen, die sogar in der Wissenschaft etwas Gewalttätiges haben (auch wenn es dort meist bei verbalen Heftigkeiten bleibt).

Eines Tages könnte sich die Lobby mit einer Situation konfrontiert sehen, in welcher der Vorwurf des Antisemitismus so stumpf geworden ist wie die päpstlichen Bannflüche in der Neuzeit.

 

Jedoch ereignen sich Felsstürze nur dort, wo Wind und Wetter zuvor das feste Gefüge gelockert und kleinere und größere Haarrisse des Zweifels in den Felsen gesprengt und erweitert haben. So gesehen, haben jene 'Sprecher' der Lobby von ihrem Standpunkt aus gar nicht Unrecht, die sogar eine "reasonable discussion" oder "civilized discussion" über das Wirken der Lobby für bedrohlich halten – für die Lobby, aber potentiell auch für die Juden in den USA.

 

Man kann sich zwei konträre Konsequenzen vorschlagen, mit denen die Lobby versuchen könnte oder versuchen wird, Schaden verhindern, kann: Der Versuch, die Debatte zu unterdrücken, ist der eine (derzeit und vermutlich auch in der Zukunft beschrittene) Weg. Der andere (mit eher geringer Realisierungswahrscheinlichkeit) wäre, die eigene Position kritisch zu reflektieren und die israelische Machtpolitik nicht bedingungslos zu unterstützen, sondern das Land – auch über den "Hebel" der US-Außenpolitik – zu verstärkten Bemühungen um einen Ausgleich mit den Palästinensern zu drängen. Ein solches Umdenken fordern auch viele jüdische Stimmen. Ich halte es allerdings für sehr unwahrscheinlich, dass die Lobby ihren scheinbar erfolgreichen Kurs rechtzeitig und aus freien Stücken wechseln wird.

 

 

 

Umfrage(n) zur Debatte:

 

Die (allerdings wohl eher anti-zionistische) US-amerikanische Denkfabrik IRMEP[85] ("Institute for Research Middle Eastern Policy") hat Ende März / Anfang April 2006, also kurz nach Erscheinen der Studie von Mearsheimer-Walt, 71[86] amerikanische akademische Nahost-Experten zu der Thematik befragt. Hier die Kurzfassung über die Verfahrensweise und die Resultate:

 

"The Middle East Academic Survey Research Exposition project polled 71 Middle East academics about the Walt and Mearsheimer report titled "The Israel Lobby and US Foreign Policy". The survey was fielded between March 31 and April 5, 2006.  IRmep compiled and presents survey responses drawn from a pool of 2,300 academics with advanced degrees in Middle East area studies.  This poll should not be interpreted as a statistically significant reflection on the views of all US Middle East academic specialists. [Hervorhebung von mir]

Key Findings:

49% of Middle East academics polled believe that the academic community is "hostile" to studies that are critical of the Israel Lobby and US policies toward Israel.  26% believe academia is "open" to such findings.

85% of Middle East academics polled believe that an Israel Lobby as described by Mearsheimer and Walt is "negative" to "extremely negative" to US interests.

65% of Middle East academics polled believe that the most powerful intimidation tactic of the Israel Lobby is charging detractors as "anti-Semites" followed by attacks from the mainstream media by Israel Lobby sympathizers (59%).

91% of Middle East academics polled believe it is "extremely accurate" to "accurate" that the Israel Lobby's tactics expose the United States to avoidable hostility in the Middle East.

86% of Middle East academics polled believe that the lobby places what it considers to be Israel's interests above the national interests of the United States."

 

Vielleicht noch interessanter als die – nicht repräsentativen – Prozentzahlen sind die Kommentare der Befragten zu den einzelnen Fragen (auf der gleichen Seite).

 

 

 

Stimmen in der Debatte[87]

 

Vorbemerkung: Der Streit um das Mearsheimer-Walt-Papier und der Streit der Streiter untereinander

 

Interessant ist es, zu beobachten, wie die Debatte sich auffächert. Nicht alle nachfolgend verlinkten und z. T. kommentierten Beiträge beschäftigen sich direkt mit dem Papier von John Mearsheimer und Stephen Walt; viele sind Sekundäraufsätze, die sich ihrerseits mit der Qualität der Debattenbeiträge anderer – pro und kontra – beschäftigen. (Und irgendwo gehört ja auch der vorliegende Beitrag zu dieser Kategorie der "Sekundäraufsätze".)

 

Eine vorzügliche und absolut neutrale Darstellung sowohl der Thesen von Mearsheimer und Walt wie auch der Debatte ("Reception"; natürlich mit den entsprechenden Links) enthält der Eintrag "The Israel Lobby and U.S. Foreign Policy" in der englischsprachigen Wikipedia (jedenfalls per 01.06.06, 19.42 h).

 

 

 

Wissenschaftliche Analysen (Kommunikationsanalysen, Medienanalysen)[88]

 

David JALILVAND, Student an der Universität Erfurt, hat in einer Hausarbeit am Lehrstuhl für Vergleichende Analyse von Mediensystemen / Kommunikationskulturen (im Rahmen des Seminars „Kommunikative Aspekte der islamisch-westlichen Beziehungen“) eine „Untersuchung der Berichterstattung überregionaler Tageszeitungen der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland über das Mearsheimer/Walt-Arbeitspapier The Israel Lobby and U.S. Foreign Policy“ vorgelegt.

Tief schürfende Erkenntnisse (sofern sie überhaupt aus einer Analyse der Debatte als solcher zu erschließen wären) darf man im Rahmen einer studentischen Hausarbeit nicht erwarten. Dort geht es wohl in erster Linie um die Erprobung und Demonstration von wissenschaftlicher Methodenkompetenz.

Auch das ist jedoch für einen Außenseiter durchaus interessant, weil man eine Vorstellung gewinnt, auf welche Weise man die Debattenanalyse methodischer angehen könnte, als z. B. ich hier.

Banal ist allerdings die Erkenntnis, dass die Debatte in Deutschland einen weitaus geringeren Stellenwert hat als in den USA; insofern wäre ein Vergleich der Berichterstattung in verschiedenen europäischen Ländern interessanter gewesen.

Jedenfalls bestätigt die Untersuchung aber, dass das Thema auch in den USA „nicht in größerem Maße auf der Zeitungsagenda“ stand.

Im übrigen mag die Auflistung der untersuchten Zeitungsartikel im Literatur- und Quellenverzeichnis nützlich sein, falls man selbst die Texte lesen will. (Allerdings sind wohl nicht alle der ausgewerteten Artikel bzw. Zeitungen gratis zugänglich.)

 

Die Zahl meiner Leser, zu deren Nutz und Frommen ich den Eintrag jetzt ergänzt habe, ist derzeit zwar zählbar, aber das könnte sich ändern, wenn erst der Meinungs-Sturm um das Anfang September 2007 erscheinende Buch von John J. Mearsheimer und Stephen M. Walt losbricht, das (natürlich) unter dem gleichen Titel The Israel Lobby and U.S. Foreign Policy erscheint wie das Arbeitspapier (die sind ja nicht blöd, der Verlag und die Autoren: der Titel ist durch die heiße Debatte im vorigen Jahr schon so etwas wie eine Marke geworden). Schon jetzt wehen raue Winde um den fast 500 S. starken Wälzer: Veranstalter sagen unter dem Druck der Lobby Buchpräsentationen der Autoren ab (z. B. in Chicago – s. den Bericht und die Diskussion im Wall Street Journal Online vom 07.08.2007 u. d. T. " Speechless in Chicago"). (Hier können wir aber die beiden bösen Buben in einem Video bei Youtube in einer Debatte im Vorjahr erleben.)

Kommunikations-Füchse wie Lobbyisten nun einmal sind, feuert Abraham H. Foxman, Direktor der "Anti-Defamation League" mit allerdings nur der halben Seitenzahl (256 S.) in seinem gleichzeitig erscheinenden Buch "The Deadliest Lies: The Israel Lobby and the Myth of Jewish Control" voll dagegen. Wir können uns also auf einen heißen Herbst einstellen.

 

 

 

Nachtrag vom 23.06.2008:

Die Süddeutsche Zeitung präsentiert ein „Spezial“ zum Thema „60 Jahre Israel“. Auch wenn mir selbst die Zeit fehlt, die Artikel zu lesen, möchte ich den Linkfund zum Nutzen meiner Leserinnen und Leser hier deponieren.

 

Nachtrag vom 13.05.2011

Unter dem Titel „Setting the Records Straight“ haben John Mearsheimer und Stephen M. Walt eine 73-seitige „Response to Critics of ‚The Israel Lobby‘ “ verfasst. Der Text ist über die Verlagswebseite erreichbar, auf der die Verlagsgruppe Macmillan das Buch (s. o.) von Mearsheimer & Walt bewirbt.

 

 

 

WIRD (wohl doch nicht mehr) FORTGESETZT

 

 

Vergleiche zu diesem Thema auch meine Blog-Einträge

Propheten-Karikaturen und Palästinenserfrage vom 04.02.2006,

Friedenstruppen oder Marionettenpuppen? (15.08.06)   sowie  

Washington – Segesta – Athen – Tel Aviv: William Kristol und der peloponnesische Krieg + MORAL'S OWN COUNTRY oder LASSET UNS EINANDER BRÜDERLICHE HUETER SEIN! (beide vom Januar 2007).

 

 

HISTORY IS A RUSSIAN NESTING DOLL

 

 

 

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... und hier, liebe Netznestnutzer, Gelegenheiten satt zum Seitensprung:

 

 

 



[1] Diese Zeile lautet (Stand 22.09.06) in den Libretti auf der Webseite "www. handel. it" wie auch bei "www. karadar. com" offenkundig fälschlich "And melts the shades away". Den richtigen Text muss man so zu sagen mit dem Elektronenmikroskop suchen: Er ist der Dissertation "Scanned Probe Microscopy of the Electronic Properties of Low-Dimensional Systems" [was immer das sein mag] von einem gewissen

Michael Thomas Woodside vorangestellt, der auch noch ein weiteres passendes Wörtchen zu unserem Streitfall weiß:

"Citius emergit veritas ex errore quam ex confusione . / Truth emerges more readily from error than confusion." — Sir Francis Bacon, Novum Organum (1620)

[2] [... wenn ich so schreiben könnte,  wie Händel komponieren konnte!]

[3] Die Sache mit der Nato war eigentlich von vornherein unrealistisch und vielleicht nur quasi als Drohung dazu gedacht, die nicht der Nato angehörenden großen Staaten der UNO dazu zu bewegen, der Entsendung einer internationalen Friedenstruppe zuzustimmen.

[4] In einem Interview, das Dieter Wonka. Berliner Büroleiter der Leipziger Volkszeitung, mit Shimon Stein geführt hat, und dass am 29.8.06 (u. a.) im Giessener Anzeiger (der auch den Mantel für die hiesige Lokalzeitung "Gelnhäuser Tageblatt" liefert) veröffentlicht wurde, sagt Stein auf die Frage

Frage: "Wenn Deutschland und die EU jetzt wesentlich die Israel-Libanon-Mission begleiten, ist Europa damit so lange im Krisengebiet präsent, bis der palästinensisch-israelische Konflikt gelöst ist?":

Antwort: "Diese Mission ist zugeschnitten auf die UN-Resolution 1701 für den Libanon. Diese Mission wird uns einige Jahre begleiten. Das wissen alle Beteiligten. Wenn es mit Hilfe der internationalen Staatengemeinschaft gelingt, den Libanon zu einem souveränen Staat zu machen und die Miliz zu zerschlagen, dann ist das ein ganz wichtiger Beitrag zur Stabilisierung einer der israelischen Grenzen. Die Hauptgefahr für die Region liegt in einer regionalen Eskalation entlang der libanesisch-syrisch-israelischen Grenze. Es geht jetzt also nicht um die globale Krisenregulierung, sondern um einen, wenn auch sehr wichtigen Friedensbeitrag."

Noch deutlicher wird er bei der nächsten Frage: "Deutsche Politiker sind jetzt auf den alten Gedanken einer Nahost-Friedenskonferenz nach dem Vorbild der einstigen KSZE gekommen. Ist das mehr als nur eine Show-Debatte?"

Antwort: "Immer wenn uns nicht Neues einfällt, kommen alte Ideen. Eine KSZE-Konferenz für den Nahen Osten ist nicht neu. Momentan sehe ich dafür keine Voraussetzung. ..... Wichtig ist, dass die Idee zu einer Nahost-Konferenz nach KSZE-Vorbild aus der Region und im Einvernehmen mit allen Beteiligten selbst kommen muss, wenn es überhaupt eine Aussicht auf Erfolg geben soll. Das darf nicht von außen aufgepflanzt werden." [Hervorhebungen von mir]

Man kann das auch kürzer und weniger diplomatisch sagen: Euer Gut und Blut dürft ihr dort einsetzen – aber sagen lassen wir uns von euch nichts. Mag sein, dass auch die Palästinenser nicht friedensbereit sind, aber die israelische Sturheit ist eine suboptimale Voraussetzung für eine erfolgreiche Mission von internationalen Friedenstruppen in jener Gegend.

Die gleiche Ausgabe des Giessener Anzeigers/Gelnhäuser Tageblatts enthält einen (wohl nicht ins Netz eingestellten) Bericht von Dieter Wonka über den Besuch der israelischen Außenministerin Zipi Liwni [auch "Tzipi" und "Livni" geschrieben] in Berlin u. d. T. "Außenministerin: Bloßes Beobachten bringt nichts". Wonka referiert darin folgende Äußerung: "Man dürfe mit der Libanon-Frage nicht andere Problembereiche der Nahost-Krisenregion verknüpfen". Europäische (und andere) Truppen halten also die Hisbollah im Zaum; Israel kann sich dann ungestört um die Palästinenser auf der "West Bank" und im Gaza-Streifen "kümmern". Divide et impera?

Einen positiven Aspekt hat die Hilfstruppengestellung dennoch: es kann nun nicht mehr der Verdacht aufkommen, dass wir Europäer von Intelligenzbestien regiert werden.

[5] Na sehen Sie, Henryk Broder, die Deutschen sind – auch wenn sie zwischendurch rein verbal mal aufmucken – am Ende in der Libanon-Sache doch wieder richtig dummbrav, handzahm wie immer!

[6] Was also die israelische Siedlungspolitik auf der "West Bank" angeht; im übrigen ist heftig umstritten, ob die These vom "Schwanz, der mit dem Hund wedelt", die politischen Verhältnisse zwischen Israel und den USA zutreffend beschreibt oder nicht.

[7] Karikaturen zum Thema USA-Israel – offenkundig aus (pro-)palästinensischer Sicht – findet man z. B. auf der Seite http://sabbah.biz/mt/archives/2006/09/02/john-mearsheimer-and-stephen-walt-pro-israel-lobby-influence-over-us-foreign-policy-on. [Direktes Anklicken klappt, bei mir jedenfalls, nicht. Man erreicht die Seite aber, indem man die URL kopiert und in die Adresszeile des Browsers einfügt]. Weitere Karikaturen zum Konflikt hier. (Ehrlich gesagt, verstehe ich die wenigsten genau, habe aber jedenfalls den Eindruck, dass hier die palästinensische Position zwar witzig, aber mit aller Härte, wenn nicht sogar hasserfüllt vorgetragen wird, obwohl - oder vielleicht: weil sogar? - manchmal mit Druck auf die Tränendrüsen.)

[8] In diesem Kapitel führen sie als Beleg u. a. den Artikel "Intractable Foes, Warring Narratives

" von Eric Alterman vom April 2002; daraus hier einige Zitate:

"The conflict in the Middle East is about warring narratives, each making its own claim to land and history. .  .. In most of the world, it is the Palestinian narrative of a dispossessed people that dominates. In the United States, however, the narrative that dominates is Israel’s: a democracy under constant siege." .... "... the punditocracy debate of the Middle East in America is dominated by people who cannot imagine criticizing Israel. The value of this legion to the Jewish state is, for better or worse, literally incalculable ... ." Altermann präsentiert dann Listen mit Personen und Medien von 1) solchen, die Israel bedingungslos und unkritisch unterstützen,   2) von kritischen Freunden, die im Ernstfalle aber doch die Sicherheit Israels höher ansetzen würden als die Rechte der Palästinenser [zu dieser Gruppe rechnet er sogar sich selbst!] und am Ende   3) ein kleines Häuflein von "COLUMNISTS LIKELY TO BE REFLEXIVELY ANTI-ISRAEL AND/OR PRO-PALESTINIAN REGARDLESS OF CIRCUMSTANCE" (Robert Novak, Pat Buchanan, Alexander Cockburn, Christopher Hitchens und Edward Said [ein zwischenzeitlich verstorbener 'Palestinian-American scholar'.]). Alterman schließt mit den Worten:

"As can be seen from this list of lists, the entire anti-Israel contingent of the punditocracy does not add up to a single George Will or William Safire, much less a Wall Street Journal or US News. It remains to be seen whether unqualified support for all of Israel’s actions is really in that tortured nation’s best interest in the long run. Sometimes the bravest and most valuable advice a trusted friend can give is :'STOP.' "

[12] Ich stehe dieser Meinung von M-W skeptisch gegenüber. "Krieg für Israel" oder "Krieg für Öl" sind nicht die einzigen denkbaren Ursachen für den Entschluss zur Irak-Invasion, jedenfalls nicht in dieser direkten Form. Auch innenpolitische Gründe, die nichts mit der zionistischen und neokonservativen Lobby zu tun haben, können mitgewirkt haben: z. B. dass Bush Führungsstärke im Kampf gegen den Terrorismus demonstrieren wollte. Oder die USA hatten das Gefühl, dass sie außenpolitisch mal wieder klarstellen müssten, dass niemand ihnen ungestraft die Stirn bietet. Auf jeden Fall gilt aber m. E. der Satz "Ohne Öl kein Krieg" in dem Sinne, dass zwar nicht unbedingt der eigene Ölreichtum des Irak, aber doch zumindest die geographische Lage in dieser versorgungskritischen Region eine wesentliche Rolle in den amerikanischen Überlegungen gespielt hat.

Des ungeachtet sind jedoch -2- Stränge in der Argumentation von M-W insbesondere klar zu unterschieden und separat zu bewerten, nämlich

- die Gewichtung des tatsächlichen Anteils Israels und der pro-israelischen und neokonservativen Lobby am Zustandekommen des amerikanischen Kriegsentschlusses einerseits und

- andererseits die Frage, ob und ggf. mit welcher Intensität sich Israel und/oder die Lobby für einen Einmarsch im Irak ausgesprochen und ggf. daran mitgewirkt haben, die politischen Entscheidungsträger und/oder die öffentliche Meinung zu Gunsten eines Krieges gegen Saddam Hussein zu beeinflussen. Wenn sie in diese Richtung agitiert haben (was M-W durch zahlreiche Zitate usw. überzeugend belegen), muss man nach den Motiven fragen, und darf die Lobby an ihre Mitverantwortung für diese (Fehl-)entscheidung erinnern. Soweit Kritiker gegen M-W nur den ersten Aspekt ins Feld führen, sollte man im Einzelfalle prüfen, ob damit gleichzeitig das Ziel verfolgt wird, den 2. Sachverhalt zu verschleiern.

[24] Aufgrund eines Hinweises im Wikipedia-Stichwort zu Arnold J. Toynbee (der mich momentan im Zusammenhang mit einer Analyse des Buches "Das Ende des Weißen Mannes" von Manfred Pohl interessiert hatte), fand ich am 20.03.07 in diesem UN-Dokument einen Text, der meine Vermutung über das "Einsickern" der Juden in das britisch besetzte Palästina untermauert und bestätigt:

"Arnold J. Toynbee who, before becoming recognized as an eminent world historian had dealt directly with the Palestine Mandate in the British Foreign Office, wrote in 1968:

'All through those 30 years, Britain (admitted) into Palestine, year by year, a quota of Jewish immigrants that varied according to the strength of the respective pressures of the Arabs and Jews at the time. These immigrants could not have come in if they had not been shielded by a British chevaux-de-frise. If Palestine had remained under Ottoman Turkish rule, or if it had become an independent Arab state in 1918, Jewish immigrants would never have been admitted into Palestine in large enough numbers to enable them to overwhelm the Palestinian Arabs in this Arab people's own country. The reason why the State of Israel exists today and why today 1,500,000 Palestinian Arabs are refugees is that, for 30 years, Jewish immigration was imposed on the Palestinian Arabs by British military power until the immigrants were sufficiently numerous and sufficiently well-armed to be able to fend for themselves with tanks and planes of their own. The tragedy in Palestine is not just a local one; it is a tragedy for the world, because it is an injustice that is a menace to the world's peace'."

 

[47] Die UN-Resolution 242 verlangt (im englischen Text) ein "Withdrawal of Israeli armed forces from territories occupied", also nicht "from the" (oder gar: "from all the") territories occupied.

Dagegen heißt es im französischsprachigen Text "Retrait des forces armées israéliennes des territoires occupés au cours du récent conflit". "Des" ist bekanntlich die Zusammenziehung von "de les", also "von den" besetzten Territorien, somit auch sprachlich eindeutig "allen" besetzten Gebieten (anderenfalls müsste es "de" heißen – s. u.).

Hier ein Auszug aus einer französischen (pro-zionistischen) Webseite, wo dieser Streit um einen (fehlenden) Artikel dargestellt wird:

"Sens juridique de la Résolution 242

Un désaccord existe quant à l'interprétation de l'alinéa 1 du premier paragraphe de la Résolution 242. Le texte anglais de la résolution dit précisément :

« Withdrawal of Israel's armed forces from territories occupied in the recent conflict », ce qui se traduit par : « Retrait des forces armées israéliennes de territoires occupés au cours du récent conflit. »

Le texte français de la résolution indique par contre :

« Retrait des forces israéliennes des territoires occupés au cours du récent conflit. »

Selon Lord Caradon, rédacteur de la Résolution 242 en 1967, c'est bien le texte anglais qui fait foi. Les gouvernements d'Israël et des États-Unis considèrent donc que la Résolution 242 fait obligation à l'État hébreu d'évacuer certains territoires acquis au cours de la guerre des Six Jours, mais pas tout le territoire. Les États arabes considèrent au contraire qu'Israël doit revenir aux lignes de cessez-le-feu en vigueur le 4 juin 1967, à la veille de la guerre.

Il est à noter que le mot anglais « all » (tous) a été soigneusement évité : « Withdrawal from territories » et non pas : « Withdrawal from all the territories ». Ce qui confirme l'interprétation israélo-américaine."

Mein Kommentar dazu: also würde die UN-Resolution auch mit einem Rückzug aus 0,01 Prozent der besetzten Gebiete wörtlich erfüllt!!???

Eine englischsprachige Darstellung des Sachverhalts findet sich auf einer Webseite "palestinefacts". Es handelt sich – leicht erkennbar – um  eine zionistische Propaganda-Seite. Trotzdem kann man die Darstellung nicht einfach als "falsch" bezeichnen. Man muss wohl eher davon ausgehen, dass Großbritannien (gewissermaßen in Fortsetzung seiner im Hinblick auf die Balfour-Declaration und gleichzeitige gegenteilige Versprechungen an die Araber schon als traditionell zu bezeichnenden Perfidie) ganz bewusst diese Ambiguität eingebaut hat. Denkbar ist aber auch, dass der Text auf amerikanische "Inspiration" zurück geht und dass also die USA schon damals ihre schützende Hand über die israelischen Nationalisten gehalten und bewusst eine derart (scheinbar) un-eindeutige Formulierung der Resolution durchgesetzt haben: Spielmaterial für künftige Konflikte und die israelische Besatzungsbesiedlung.

[50] Ich will gar nicht verschweigen, dass ich den Krieg zur Befreiung von Kuwait auch im moralischen Sinne für "sauber" halte. Er war gewissermaßen eine ideale Kombination von "gerechtem Krieg" (gegen die Völkerrechtsverletzung durch die Aggression von Saddam Hussein) und der Verteidigung eigener Interessen, wobei "eigene" hier nicht nur US-Interessen sind. Seinerzeit haben die USA die Interessen aller Erdöl verbrauchenden Länder (nicht zuletzt also auch unsere - deutschen, europäischen) verteidigt, denen an einem noch stärker konzentrierten Oligopol, mit einem Großteil der Ölvorräte in der Hand eines skrupellosen Diktators, nicht gelegen sein kann. Deshalb hätte ich mir (anders als beim jetzigen Irak-Krieg) gewünscht, dass Deutschland sich auch militärisch an diesem Krieg beteiligt und nicht nur das Portemonnaie gezückt hätte.

Das aber nur als eine Randbemerkung und als Warnung an uns (Deutsche, Europäer) selbst, dass wir selbstbewusst, aber vernünftig und realistisch denken anstatt uns z. B. einem irrationalen Antiamerikanismus hinzugeben. Dies gilt auch und gerade dann, wenn wir über das Bush-Abenteuer der Irak-Besetzung nur den Kopf schütteln können.

In diesem Zusammenhang ("keine Schadenfreude über amerikanische Misserfolge im Irak") möchte ich auch auf die klugen Bemerkungen von Francis Fukuyama in seinem Artikel "Europeans should beware of wishing for US failure in Iraq" verweisen und verlinken, denen ich voll zustimme. Denn unser Patriotismus sollte sich in drei konzentrischen Kreisen aufbauen: deutscher, europäischer und "Kulturkreispatriotismus" (auch wenn diese Loyalitäten natürlich gelegentlich miteinander im Konflikt stehen werden).

[Übrigens bedeutet meine Zustimmung zu Francis Fukuyamas o. a. Aufsatz nicht, dass er sich nach meiner Meinung ohne Ausnahme besonders intelligent äußert. Wenn er in seinem Artikel "US Must Balance Hard Power With Soft Power" glaubt, die Situation im Irak auch nur entfernt mit derjenigen in Deutschland und Japan nach dem 2. Weltkrieg parallelisieren zu können, indem er sagt "The historical record shows that where state-building has been successful - Germany, Japan, South Korea - American forces have stayed for at least two generations, that is 40 or 50 years. Those countries where the US has stayed five years or less - Haiti is a good example - have not had any lasting change or are worse because of US intervention." und "Enduring change in Japan, Germany and South Korea came as a result of [American!] bipartisan strategic consensus over decades. We don’t have that in Iraq.", dann möchte ich ihm, was seine Vorstellung über die Rolle der US-Besatzung in Deutschland beim "state-building" (nach 1948) angeht, zurufen: "Vor Inbetriebnahme des Mundwerks Gehirn einschalten!"]

[51] Für einen ersten Überblick über Hintergründe und Ursachen der Panama-Invasion erscheinen mir insbesondere folgende -4- im Internet verfügbare Aufsätze nützlich:

Die Historikerin Jane Franklin hat u. d. T. „PANAMA: BACKGROUND OF U.S. INVASION OF 1989“ eine ausführliche Chronologie ins Netz gestellt.

Eytan Gilboas Aufsatz „The Panama Invasion“ (der auf mehreren Webseiten verfügbar ist) ist mit seiner klaren Schilderung der -5- sich steigernden Krisensituationen vor der Invasion vielleicht die beste im Internet verfügbare Übersicht über die Vorgeschichte des amerikanischen Einmarsches in Panama.

Eine Erklärung der Kriegsgründe versucht die Historikerin Jane Kellett Cramer u. d. T. „The Elusive Diversionary Theory of War and Panama, 1989: Using Qualitative ‘Tests’ Across Cases and Researchers to Break the Impasse.“ Ihre (angedeutete, nicht ausgesprochene) Theorie, dass Präsident Bush Senior mit dem Einmarsch Führungsstärke beweisen und sein „wimp“ (Weichei) Image ablegen wollte, kann nicht überzeugen. Zum einen ist es schon begrifflich widersprüchlich, wenn man einen dadurch ausgelösten Krieg als „Ablenkungskrieg“ bezeichnen will. Mit einer Kriegsentscheidung kann man nicht davon ablenken, dass man ein Schlappschwanz ist, weil man in dem Moment, wo man eine solche Entscheidung trifft, eben keiner mehr ist. Natürlich kann ein Krieg der Imagepflege dienen; das funktioniert allerdings nur dann, wenn das Volk den Krieg will oder zumindest davon überzeugt ist, dass der Präsident die richtige Entscheidung getroffen hat.

Dann kann man allerdings ebenso gut sagen, dass das Volk (oder das politische System) den Krieg wollte bzw. herbeigeführt hat, und nicht eine einsame Entscheidung des Präsidenten.

Genau das ist die Position von Peter M. Sanchez, der in dem Aufsatz „The End of Hegemony? Panama, the United States and Latin American Security After the Year 2000“ die Machtlogik der Supermacht, des Hegemons, als eigentliche Ursache der Panama-Invasion sieht; eine Auffassung, die mich überzeugt.

[53] "Some Americans believe that this was a 'war for oil,' but there is hardly any direct evidence to support this claim." heißt es dazu wohl zutreffend bei M-W. Und der theoretische Physiker Jean Bricmont ("How to Deal with The Lobby. The De-Zionization of the American Mind") formuliert logisch scharfsinnig und im faktischen Bereich wohl zutreffend:

"There is no evidence whatsoever that the oil industry, for example, pushed for the Iraq war, the threats against Iran or the attack on Lebanon . (There is a lot of evidence that the Israel lobby pushed for the Iraq war; see Jeff Blankfort, A War for Israel. They are supposed to act secretly, of course, but where is the evidence that they do? And if they is no evidence, even no indirect evidence, how does one know? Profits from the war, at least for major corporations, haven't materialized yet, and there are many indications that the U.S. economy will suffer a lot from war-related expenses and the associated deficits. On the other hand, it is enough to open any mainstream U.S. newspaper or TV and read or hear opinions expressed by Zionists calling for more war. War needs war propaganda and a supporting ideology, and the Zionists provide it, while none of this is offered by Big Business in general or the oil industry in particular." [Der Ausdruck "De-Zionization" in seiner Überschrift erscheint mir allerdings doch ein wenig problematisch!]

Schließlich sei noch Stephen è Zunes als (indirekter) Kronzeuge angeführt. In dessen Antwort "The Israel Lobby: How Powerful is it Really?" auf M-W vom 16.05.06 kommt das Wort "oil" überhaupt nur zweimal vor. Die hier allenfalls in Betracht kommende Stelle lautet: "Indeed, oil companies and the arms industry exert far more economic and ideological influence over Washington’s policy in the Persian Gulf region than does the Israel lobby. (See The U.S. Invasion of Iraq: Not the Fault of Israel and Its Supporters.)" Und in letzterem Aufsatz (vom 04.01.06) schreibt Zunes: "More fundamentally, there are far more powerful interests that have a stake in what happens in the Persian Gulf region than does AIPAC, such as the oil companies, the arms industry, and other special interests whose lobbying influence and campaign contributions far surpass that of the much-vaunted “Zionist lobby” and its allied donors to Congressional races."

Dass da auch noch andere Interessen im Spiel sind heißt zum einen nicht, dass sie auch lobbyistisch verfolgt worden sein müssen. Die US-Regierung wird schon von sich aus die Sicherheit der Ölversorgung im Auge haben. Und vor allem stehen die Ausführungen von Zunes nicht in einem logischen Widerspruch zu M-W. Denn dass die Öl-Industrie und andere die US-Regierung zum Einmarsch in den Irak gedrängt haben, kann Zunes nicht nur nicht beweisen: er behauptet es noch nicht einmal! Die bloße Existenz derartiger Interessen zwingt keineswegs zu der Annahme, dass der Einmarsch durch deren Wirken (hinter den Kulissen) herbeigeführt wurde. Indirekt bestätigt also Zunes mit seinen vagen Andeutungen sogar die klare Aussage von M-W, wonach "there is no evidence whatsoever that the oil industry, for example, pushed for the Iraq war". [Hervorhebung von mir] Gewissheit wird es in diesem Punkt kaum jemals geben; die bisher bekannten Fakten und logische Überlegungen (vgl. oben bei Bricmont) sind indes nicht geeignet, die Annahme eines Kausalzusammenhanges zwischen einem lobbyistischem Wirken der Öl- und/oder Waffen-Industrie und der Irak-Invasion überzeugend darzustellen. (Und das ist sehr vorsichtig formuliert!)

[54] In diese Richtung argumentiert tatsächlich der Lobby-'Angehörige' Martin Kramer, wenn er in seinem Aufsatz "From Afghanistan to Araby. Sept. 11 and the Mideast" vom 10.12.2001, also im Vorfeld der Invasion, schreibt: "For 9/11 to count in the Arab world, the United States is going to have to show its determination in the Middle East itself. In particular, it's going to have to do two things: first, prove that it won't tolerate rogues going about unsupervised while they plan some future Armageddon; and second, show that the terrorists flourishing in the dark corners of the Middle East and working against the region's stability are no safer than the al Qaeda crowd. To achieve the first, spiking the guns of the rogues, the United States has no alternative but to turn up the heat on Saddam Hussein. If 9/11 is to mean anything in the Middle East, it has to mean something for the future of Saddam. No one knows for sure whether Saddam had anything to do with 9/11, but it doesn't matter. If he is not dealt with now, the day might come when the entire Middle East will have to place an emergency call to Washington. Saddam may be the only leader in the region with the will, the way, and the lack of restraint needed to plunge the region into a cataclysm. The United States has an advantage now, and it should not fail to press it. The Arabs and the Europeans will whine and warn through the build-up to D-Day. But if the United States is resolute, they will fall into line. They usually do."

[85] Selbstbeschreibung: "What is the Institute for Research Middle Eastern Policy?

IRmep: Defining and promoting America’s Real Interests in the Middle East

The Institute for Research Middle Eastern Policy (IRmep) is a think tank working to define, communicate and promote America’s true interests in the Middle East. Founded in 2002, the Institute became an independent non-profit tax-exempt organization in 2003.

Although many IRmep analysts work anonymously to protect themselves and their universities from de-funding and smear campaigns, IRmep programs provide a unique forum for key voices in the Middle East policy debate; those who have been shunted aside are again promoting their ideas in a constructive, protective and proactive manner “purpose built” to obtain results. 

IRmep’s credibility also derives from its funding.   Unlike the American Enterprise Institute, Brookings Saban Center, Hudson Institute, Middle East Forum and the Washington Institute for Near East Policy funding for IRmep Middle East research does not derive primarily from groups and individuals and sources promoting hidden agendas.  IRmep base support comes from the donations of concerned individuals who are alarmed by the current direction and authors of U.S. policies.  IRmep also derives corporate support from U.S. industries that have faced tremendous challenges developing their Middle East consumer and enterprise markets in the current policy environment."